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StGB NRW-Mitteilung 775/2020 vom 22.12.2020
BGH: Sachverständigengutachten "schlägt" Mietspiegel
Der Berliner Mietspiegel ist eine geeignete Schätzungsgrundlage, um die ortsübliche Vergleichsmiete für eine Wohnung zu ermitteln. Bietet eine Vermieterin aber ein Sachverständigengutachten für diese Frage an, steht es dem Gericht frei, dieses anzunehmen, so der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 18.11.2020 (VIII ZR 123/20).
Eine Vermieterin hatte im Jahr 2017 von der Mieterin die Zustimmung zu einer Nettomieterhöhung um rund 50 Euro pro Monat gefordert, womit diese nicht einverstanden war. Das Amtsgericht Berlin-Spandau zog den Berliner Mietspiegel als Schätzungsgrundlage heran und befand, dass die dort inbegriffene „Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung“ keine Erhöhung der von der Mieterin bereits gezahlten Miete begründet habe. Die Vermieterin verfolgte ihr Ziel vor dem Landgericht Berlin weiter. Dieses holte ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein und beschied auf dessen Grundlage, dass das Mieterhöhungsverlangen berechtigt war. Die Mieterin zog vor den Bundesgerichtshof, um das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen – jedoch ohne Erfolg.
Landgericht durfte Sachverständigengutachten einholen
Das Berufungsgericht darf dem BGH zufolge von der Einschätzung des Amtsgerichts abweichen und die ortsübliche Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen ermitteln lassen. Die Schätzungsgrundlage nach § 287 Abs. 2 ZPO bindet die zweite Instanz nicht: Zwar handele es sich um Feststellungen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, sie beruhten aber nur auf einer Schätzung nach § 287 ZPO. Ein Berufungsgericht sei nicht an eine Schätzung gebunden, vielmehr könne es nach den allgemeinen Beweisregeln der ZPO ein Gutachten einholen, wenn es Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen habe.
Für die betreffende Wohnung sah der Mietspiegel eine Nettokaltmiete zwischen 4,90 und 7,56 Euro/qm vor. Die Vermieterin forderte eine Erhöhung der damaligen 5,03 auf 5,65 Euro/qm ein. Das Amtsgericht hatte alle fünf nach dem Mietspiegel benannten Merkmale, die eine Mieterhöhung begründen, verneint und darauf seine Klageabweisung gestützt. Die Vermieterin bot nun dem Landgericht ein Sachverständigengutachten über die ortsübliche Miete an, welches nicht nur die bezeichneten wohnwerterhöhenden, sondern noch weitere Merkmale berücksichtigte. Die Ermittlung der Vergleichsmiete durch ein Gutachten versprach demnach mehr Erfolg als die Orientierungshilfen für die Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels. Dieser Teil des Mietspiegels unterfalle zudem nicht der Einordnung als „qualifiziert" - hiervon seien nur die Unter- und Obergrenzen der Kaltmiete betroffen.
Anmerkung aus kommunaler Sicht
Der BGH verkennt vorliegend nicht, dass der Kostenaufwand eines Sachverständigengutachtens zum Streitwert des gerichtlichen Verfahrens außer Verhältnis stehen kann. Die auf dem Mietspiegel beruhende Schätzung wäre für die konkrete Entscheidung auch hinreichend gewesen, insbesondere soweit es sich um einen qualifizierten Mietspiegel nach § 558d BGB handelte. Bietet aber die beweisbelastete Partei – hier die Vermieterin – ein Gutachten an und bietet dieses ein höheres Beweismaß als die Schätzung, steht es einem Gericht frei, es anzunehmen.
Az.: 20.4.2.2-004/003 gr