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StGB NRW-Mitteilung 659/2023 vom 09.10.2023
BGH zum Gestaltungsspielraum eines Fernwärmeversorgers bei Preisänderungsklauseln
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil den Gestaltungsspielraum eines Fernwärmeversorgungsunternehmens bei der Ausgestaltung einer im laufenden Vertragsverhältnis einseitig angepassten Preisänderungsklausel abgesteckt. In der Sache ging es um die Verwendung unterschiedlicher Referenzjahre für den Ausgangspreis einerseits und die Parameter zur Ermittlung der Preisanpassung andererseits. Der BGH bestätigt dabei seine Entscheidungspraxis, dass dem Fernwärmeversorger, der eine unwirksame Preisänderungsklausel einseitig durch eine angepasste Preisänderungsklausel ersetzt, ein eigener Gestaltungsspielraum zukommt. Der Versorger muss sich dabei an sachliche und nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die jeweiligen Preisparameter halten.
Sachverhalt:
Dem Urteil liegen zwei Verfahren zugrunde, in denen die Beklagte (ein Berliner Fernwärmeversorgungsunternehmen) die jeweiligen Kläger seit dem Jahr 2007 beziehungsweise seit dem Jahr 2013 auf der Grundlage von Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV mit Fernwärme belieferte. Hiernach stellt die Beklagte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, die sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasst.
Nachdem das Kammergericht Anfang des Jahres 2019 in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel für unwirksam erklärt hatte, legte die Beklagte ab Mai 2019 ihren Abrechnungen eine geänderte Preisanpassungsformel zum Arbeitspreis zugrunde, welche sie zuvor öffentlich bekannt gegeben hatte. Hiernach knüpfte die Veränderung des Arbeitspreises - ausgehend von einem Basisarbeitspreis des Jahres 2015 - jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen und im Internet abrufbaren Wärmepreisindexes als Marktelement sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der Energielieferantin der Beklagten im Internet veröffentlichten Tarifs als Kostenelement an. Die Preisänderungsklausel sieht als Referenzjahre für das Markt- und das Kostenelement jeweils das Jahr 2018 vor.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Die beiden Revisionen der Beklagten hatten jeweils Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die von der Beklagten ab Mai 2019 verwendete Preisänderungsklausel wirksam ist.
Um den gesetzlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zu genügen, müssen Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme durch das Unternehmen (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Dabei kommt dem Fernwärmeversorger, der - wie hier - während des laufenden Fernwärmelieferungsverhältnisses eine unwirksame Preisänderungsklausel für die Zukunft in - nach Maßgabe der Rechtsprechung des Senats - zulässiger Weise einseitig durch eine angepasste Preisänderungsklausel ersetzt, ein eigener Gestaltungsspielraum zu.
Die Grenzen des ihr hiernach zustehenden Gestaltungsspielraums hat die Beklagte bei der angepassten Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis nicht überschritten. Anders als die beiden Berufungsgerichte gemeint haben, hat sie sachliche und nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die jeweiligen Preisänderungsparameter gewählt. Die Klausel enthält mit dem Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamts ein geeignetes Marktelement. Ferner nimmt sie hinsichtlich des Kostenelements unmittelbar auf die eigenen Wärmebezugskosten der Beklagten Bezug und stellt beide Parameter in ein angemessenes Verhältnis. Dabei ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Versorger als Bezugsjahr für das Markt- und das Kostenelement das der Einführung der angepassten Klausel vorausgehende Jahr - hier das Jahr 2018 - festlegt.
Auch die Wahl des Arbeitspreises des Jahres 2015 als Ausgangspreis in der angepassten Preisänderungsklausel ist nicht zu beanstanden. Der Fernwärmeversorger hält sich grundsätzlich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, wenn er - mit Rücksicht darauf, dass es sich bei der Energieversorgung, auch im Fernwärmebereich, um ein Massengeschäft handelt - im Fall der zulässigen einseitigen Anpassung einer unwirksamen Preisänderungsklausel den Ausgangspreis - wie hier - pauschalierend unter Orientierung an der Dreijahreslösung des Senats bestimmt. (Danach können Kunden eines Energieversorgungsunternehmens die Unwirksamkeit auf einer Preisänderungsklausel beruhender Preiserhöhungen nur insoweit geltend machen, wie sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet haben).
Die von der Beklagten hier vorgenommene Orientierung des Arbeitspreises an der Dreijahreslösung eröffnet ihr keine unangemessenen Preisgestaltungsspielräume. Denn die Dreijahreslösung bezweckt gerade, dass bei Vertragsschluss (hier in den Jahren 2007 beziehungsweise 2013) bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei langfristigen Energieversorgungsverträgen über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten und ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zu vermeiden.
Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte die Parameter der angepassten Preisänderungsklausel auch dergestalt hätte wählen können, dass sich für die jeweiligen Kläger ein günstigerer Preis ergeben hätte. Denn es ist nicht erforderlich, eine im laufenden Vertragsverhältnis einseitig angepasste Preisänderungsklausel so auszugestalten, dass sich bei ihrer Anwendung für einzelne oder alle Fernwärmekunden stets der denkbar günstigste Preis ergibt, sofern der Fernwärmeversorger - wie hier - sachliche und nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die jeweiligen Preisänderungsparameter zur Wahrung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung gewählt hat und nicht greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Versorger gewählte Pauschalierung einseitig der Wahrung seiner eigenen wirtschaftlichen Interessen dient.
Die Urteile des BGH vom 27. September 2023 haben die Aktenzeichen VIII ZR 249/22 und VIII ZR 263/22.
Az.: 28.6.1-002/006