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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 120/2019 vom 29.01.2019
Bundesgerichtshof zu Haftung wegen Starkregens
Der BGH hat mit Beschluss vom 05.12.2018 (Az.: III ZR 5/18) den Antrag auf Zulassung der Revision gegen das Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.12.2017 (Az.: I-18 U 195/11 – ) zurückgewiesen. Das OLG Düsseldorf hatte eine Verantwortung der Gemeinde für wild abfließendes Wasser von Ackerflächen festgestellt.
Es wurde durch das OLG Düsseldorf ein Amtshaftungsanspruch (Art. 34 GG, § 839 BGB) bejaht, weil die Überflutung eines Hauses durch Wasser eingetreten war, welches von einer landwirtschaftlich genutzten Fläche (10,45 ha) auf einen Wirtschaftsweg abgeflossen und von dort in die Straße des geschädigten Grundstückseigentümers und in dessen Haus gelaufen war. Die Versicherung des geschädigten Grundstückseigentümers hatte den Schaden in Höhe von 48.162,60 € bezahlt und sich sodann die etwaigen Ersatzansprüche des Grundstückseigentümers gegen die beklagte Gemeinde abtreten lassen und diese verklagt.
Nach dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.12.2017 - Az.: I-18 U 195/11 – ) ist eine Gemeinde unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes und der Verkehrssicherung verpflichtet, die Wohngrundstücke eines Baugebiets im Rahmen des Zumutbaren vor Gefahren zu schützen, die durch Überschwemmungen auftreten können. Dieses wäre nach dem OLG Düsseldorf der Gemeinde durch eine Vergrößerung des öffentlichen Kanals oder durch den Bau eines Regenrückhaltebeckens möglich gewesen.
Dabei soll es – jedenfalls nach dem OLG Düsseldorf - nicht auf die rechtliche Einordnung des Wassers (wildes Wasser gemäß § 37 WHG, Niederschlagswasser im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG) ankommen, weil sich die Gemeinde bei der Planung und Erstellung der für ein Baugebiet notwendigen Entwässerungseinrichtungen an den tatsächlichen Verhältnissen orientieren muss.
Auch wenn der BGH mit Beschluss vom 05.12.2018 (Az.: III ZR 5/18) den Antrag auf Zulassung der Revision ohne eine detaillierte Begründung zurückgewiesen hat, ist auf Folgendes hinzuweisen: Das OLG Düsseldorf überspannt die Verantwortlichkeit der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde, denn wild abfließendes Wasser ist bezogen auf die Abwasserbeseitigung (§ 56 WHG) abwasserrechtlich grundsätzlich als sog. Fremdwasser anzusehen, welches jedenfalls nicht in den öffentlichen Schmutzwasser- oder Mischwasserkanal eingeleitet werden darf, denn gemäß § 3 Abs. 3 der Bundes-Abwasserverordnung dürfen die als Konzentrationswerte festgelegten Anforderungen nicht entgegen dem Stand der Technik durch eine Verdünnung des Abwassers erreicht werden (sog. Verdünnungsverbot).
Deshalb ist sog. Fremdwasser (u.a. Grund- und Drainagewasser) vor Einleitung in den öffentlichen Kanal auch kein Abwasser (vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.9.1997 – Az.: 22 A 5779/97 – StGRat 4/1999, S. 24 f.). In Anknüpfung daran hatte etwa das VG Aachen im Jahr 2014 (Urteil vom 22.09.2014 – Az.: 7 K 1260/13 -) eine Verantwortlichkeit der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde für Schäden durch eine undichte (reine) Drainagewasserleitung für Grundwasser auf einem privaten Grundstück nicht angenommen, durch welche das Nachbargrundstück einen Schaden erlitten hatte. Damit waren die Eigentümer der Nachbargrundstücke gehalten, in erster Linie eine Problemlösung im Nachbarrechtsverhältnis zu finden, weil die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde (§ 56 WHG) nicht einschlägig war.
Hinzu kommt, dass „wild abfließendes Wasser“ von landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht schlichtweg in das „Hochwasserschutz-Regime“ eingeordnet werden kann, weil Hochwasser nach der Gesetzesdefinition in § 72 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) die zeitlich begrenzte Überschwemmung von normalerweise nicht mit Wasser bedeckten Land durch oberirdische Gewässer oder durch in Küstengebiete eindringendes Meereswasser ist. Somit lag in dem entschiedenen Fall ein Hochwasser-Ereignis im Sinne der Gesetzesdefinition (§ 72 Satz 1 WHG) nicht vor.
Außerdem liegt Niederschlagswasser als Abwasser im Sinne des gesetzlichen Abwasserdefinition des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG lediglich dann vor, wenn Wasser vom Himmel kommend erstmalig (sofort) auf eine bebaute und/oder befestigte Fläche auftrifft und von dieser Fläche gesammelt abfließt. Insoweit hat das OVG NRW mit Urteil vom 17.02.2017 – Az.: 15 A 687/15) klargestellt, dass das auf einer Schotterfläche (befestigte Fläche) anfallende Regenwasser als Niederschlagswasser (Abwasser) im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG angesehen werden kann. Gleichzeitig kann aus dem Urteil des OVG NRW aber auch entnommen werden, dass Niederschlagswasser bezogen auf die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde (§ 56 WHG i. V. m. § 46 Abs. 1 LWG NRW) nur dann angenommen werden kann, wenn es sich um Wasser aus Niederschlägen handelt, welches - vom Himmel kommend – erstmalig (sofort) auf eine bebaute und/oder befestigte Fläche auftrifft.
Dennoch kann sich im Einzelfall die Notwendigkeit ergeben, dass die Gemeinde Problemstände durch wild abfließendes Wasser (auch von Ackerflächen) abstellen muss. Auf der Grundlage der bislang ergangenen Rechtsprechung des BGH im sog. Weinberg-Urteil (Urteil vom 18.2.1999 – Az.: III ZR 272/96 – ) muss die Gemeinde aber bauplanungsrechtlich zumindest die schadenstiftende Ursache für den Überflutungsschaden gesetzt haben (vgl. auch: BGH, Urteil vom 04.04.2002 – Az.: III ZR 70/01).
Dabei ist aber gleichzeitig stets zu berücksichtigen, dass derjenige, der im Gefahrenbereich von z.B. landwirtschaftlich genutzten Flächen baut, von denen der Zufluss von Oberflächenwasser droht, sich selbst gegen derartige Gefahren durch Eigen- und Objektschutzmaßnahmen schützen bzw. auf zivilrechtlichem Weg gegen den Nachbarn vorgehen muss, von dessen Grundstück das Wasser zufließt (so zutreffend: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl. 2013, Rz. 933). Im Übrigen ergibt sich aus § 5 Abs. 2 WHG, dass ein Grundstückseigentümer auch Eigen- und Objektschutzmaßnahmen ergreifen muss, die ihm technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sind (so: OLG Köln, Urteil vom 26.08.1999 – Az.: 7 U 42/99 – haftungsausschließendes Eigenverschulden bei der Lage des klägerischen Grundstücks im Überschwemmungsgebiet).
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass es mit der Regelung in § 54 Satz 2 Nr. 7 LWG NRW möglich ist, Maßnahmen zur Vorbeugung von Überflutungsschäden durch Starkregen (auch zur Klimaanpassung) über die Niederschlagswassergebühr zu refinanzieren (vgl. Queitsch, KStZ 2017, S. 66 ff., S. 71). Hierzu kann im Einzelfall auch der Bau von Ableitungsgräben oder sonstigen Notwasserwegen gehören, wodurch die öffentliche Abwasseranlage in einem funktionstüchtigen Zustand erhalten wird (z. B. Schutz vor Verschlammung) und zugleich private Grundstücke vor Überschwemmungen durch Starkregenereignisse geschützt werden können.
Ob überhaupt und inwieweit Maßnahmen zu ergreifen sind, hängt aber grundsätzlich immer von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Jedenfalls war in der Rechtsprechung des BGH bislang anerkannt, dass eine Gemeinde für Starkregenereignisse mit einer Wiederkehrintensität von einmal in 100 Jahren nicht haften muss, weil in einem solchen Fall der Tatbestand der haftungsausschließenden höheren Gewalt erfüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2008 – Az.: III ZR 137/07 - ; BGH, Urteil vom 22.04.2004 – Az.: III ZR 108/03 ).
Insgesamt kann nur empfohlen werden, mit Hilfe des neuen Landes-Förderprogrammes „Starkregenrisikomanagement“ eine Starkregengefahrenkarte für das Gemeindegebiet zu erarbeiten, um zu erkennen, wo Problemstände durch Starkregenereignisse auftreten können. Mit dem Förderprogramm werden zugleich auch eine Risikoanalyse und die ErstelIung eines Maßnahmenkonzeptes gefördert. Insoweit wird auf den Schnellbrief des StGB NRW Nr. 2/2019 an seine Mitgliedskommunen zu dem neuen Landesförderprogramm verwiesen.
Az.: 24.1.1/24.0.16 qu