Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 474/2013 vom 05.06.2013

BGH zur Kombination von Nebenangeboten und Niedrigstpreisvergabe

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 23.01.2013 (Az.: X ZB 8/11) festgestellt, dass das Gemeinschaftsrecht der Zulassung von Nebenangeboten auch dann nicht zwingend entgegensteht, wenn das Hauptangebot allein nach dem Preis zu werten ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Beschränkung auf dieses Wertungskriterium für den Vergabegegenstand sachgerecht ist.

Sachverhalt

Die Vergabestelle (VSt) schreibt europaweit Briefdienstleistungen aus. Den Zuschlag erhält das Angebot mit dem niedrigsten Gesamtpreis. Die Bieter können als Nebenangebot Rabatte in Bezug auf eine Vorsortierung einräumen. Zwei Bieter geben jeweils ein Haupt- und ein Nebenangebot ab. Die VSt informiert, dass sie die Erstplatzierte beauftragen will. Die Zweitplatzierte erhebt dagegen erfolglos einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer meint, dass die Zweitplatzierte nicht in ihren Rechten verletzt sei, weil sie nicht das wirtschaftlichste Hauptangebot abgegeben habe. Ob die VSt ihre Niedrigstpreisvergabe mit Nebenangeboten kombinieren dürfe, könne dahinstehen.

Dagegen legt die Zweitplatzierte sofortige Beschwerde ein. Das OLG Düsseldorf würde dieser wegen Art. 24 Richtlinie 2004/18/EG stattgeben, nach dem Nebenangebote eine Mehrzahl an Wertungskriterien erfordern. Der Senat setzt das Verfahren aber wegen eines gegenläufigen Beschlusses des OLG Schleswig (IBR 2011, 351) aus und legt die Sache als Divergenz dem BGH vor (IBR 2012, 99). Dort erklären die Beteiligten das Verfahren für erledigt. Der BGH hat nur noch über die Kosten zu entscheiden.

Entscheidung

Der BGH sieht den Ausgang des Verfahrens als offen an. Die Annahme, die VSt hätte Nebenangebote nicht zulassen dürfen, weil als einziges Wertungskriterium der Preis vorgesehen gewesen sei, begegnet indes nach dem Bundesgerichtshof Bedenken. Zweifelhaft erscheine dies deshalb, weil die Annahme des OLG Düsseldorf Restriktionen mit sich bringe, die einer kostengünstigen Beschaffung im Wettbewerb abträglich sein könnten, ohne dass gleich oder höher zu bewertende gegenläufige Bieterinteressen diese erforderten.

Bei der hier nachgefragten Abholung der auf eine bestimmte Art und Weise bereitgestellten (vorsortierten) Briefsendungen und ihrer Zustellung handle es sich nach dem BGH um in massenhafter Wiederkehr zu erbringende homogene Dienstleistungen, bei denen die von den einzelnen Bietern angebotenen Ausführungen sich dementsprechend nicht unterschieden und die vorgesehene Wertung allein anhand des Preises deshalb sachgerecht gewesen sei.

Praxishinweis

Der BGH hatte die undankbare Konstellation zu bewältigen, eine der derzeit umstrittensten vergaberechtlichen Fragen, in einer Kostenquote ansprechen zu müssen. Seinen Hinweisen ist nicht mehr und nicht weniger als die Tendenz zu entnehmen, dass Niedrigstpreisvergaben und Nebenangebote zumindest in bestimmten Fällen zusammengehen können. Er tritt recht klar der Auffassung entgegen, dass eine Niedrigstpreisvergabe per se nicht mit Nebenangeboten kombinierbar sei.

Etwas sibyllinisch stellt sich die Bemerkung dar, dass offen sei, ob Nebenangebote, wenn sie unter diesen Voraussetzungen zugelassen werden, ebenfalls strikt nur unter dem Gesichtspunkt des niedrigsten Preises gewertet werden dürften. Dann müsste die VSt nämlich andere Wertungskriterien, an denen sie die Nebenangebote misst, in einen fiktiven Preis umrechnen, um sie so mit dem Hauptangebot vergleichbar zu machen. Fragen über Fragen. Sie zeigen umso mehr, dass die Lösung noch aussteht. Da der BGH die Lösung in der Richtlinienauslegung sucht, ist sein Hinweis stringent, dass er die Sache im Hauptsacheverfahren dem EuGH vorgelegt hätte. [Quelle: ibr-online 2013, 362]

Az.: II

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