Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation

StGB NRW-Mitteilung 603/2024 vom 23.09.2024

Bund kündigt Sicherheitspaket aufgrund islamistischen Terroranschlags an

Der Bund hat infolge des islamistischen Terroranschlags von Solingen ein Sicherheitspaket angekündigt. Dieses sieht Verschärfungen im Waffenrecht, Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus sowie beim Aufenthaltsrecht vor.

Änderungen im Waffenrecht

Wie es in einem gemeinsamen Papier von Bundesministerium des Innern und für Heimat, Bundesministerium der Justiz sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz heißt, sind Änderungen im Waffenrecht geplant. Konkret sollen Regelungen zum individuellen Waffenverbot verschärft und ein generelles Umgangsverbot für gefährliche Springmesser im Waffenrecht eingeführt (mit Ausnahmen für Berufsgruppen) werden. Weiter ist ein absolutes Messerverbot bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen vorgesehen. Das Waffenrecht soll dahingehend geändert werden, dass ein gesetzliches Messerverbot durch Bundesrecht geschaffen wird, ohne dass eine Ermächtigung der Landesregierung erforderlich ist. Auch hier sind Ausnahmen für Veranstalter und Schausteller geplant. Weiter werden die Länder ermächtigt, absolute Messerverbote an kriminalitätsbelasteten Orten wie z.B. an betroffenen Bahnhöfen einzuführen. Damit können die Landesregierungen durchsetzen, dass das Führen von Waffen im Sinne des Waffengesetzes oder von Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge auf bestimmten öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen allgemein oder im Einzelfall verboten wird. Zudem sind Messerverbote im öffentlichen Personenverkehr vorgesehen. Geplant sind bundesweit einheitliche Regelungen für alle Beförderer (Bahn, Fernbus etc.) des Fernverkehrs. Auch hier wird es für Berufsgruppen Ausnahmen geben und den Ländern eigene Befugnisse eingeräumt. Die Länder erhalten zur Sicherstellung der Umsetzung der Verbote erweiterte Kontrollbefugnisse für die genannten Waffenverbotszonen für Volksfeste/Sportveranstaltungen etc., an kriminalitätsbelasteten Orten sowie im öffentlichen Personenverkehr. Durch eine Änderung des Bundespolizeigesetzes erhält die Bundespolizei die Befugnis, stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Ebenso darf diese künftig Distanzelektroimpulsgeräte (sog. Taser) einsetzen. Personen ohne die erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung wie bspw. Extremisten sollen künftig schneller die Möglichkeit zum Waffenbesitz entzogen werden. Die waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfungen sollen auch bei Erteilung eines Jagdscheins bei den Waffenbehörden konzentriert werden. Dies soll die bei den Waffenbehörden bestehende Expertise auch im Zuge von Jagdscheinerteilungen nutzbar machen. Die Jagdbehörden müssen dann nicht – wie bisher – die waffenrechtlichen Prüfungen selbst durchführen.

Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus

Zur Aufklärung und Abwehr von islamistischem Extremismus erhalten die Ermittlungsbehörden unter Beachtung der KI-Verordnung und der datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine solche Technik und Verarbeitung die Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten („Gesichtserkennung“), um die Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen zu erleichtern. Die automatisierte Analyse polizeilicher Daten soll durch das BKA und die Bundespolizei auch gestützt durch Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht werden, ebenso das Testen und Trainieren von Daten für KI-Anwendungen als begleitende Vorschrift für die Datenanalyse.

Eine Task Force „Islamismusprävention“ aus Wissenschaft und operativer Praxis wird eingesetzt. Diese soll insbesondere klären, welche konkreten operativen Schlussfolgerungen sich aus den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben. Präventionsprojekte gegen Islamismus werden fortgeführt und ausgebaut.

Aufenthaltsrechtliche Maßnahmen

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhält die Befugnis zum biometrischen Abgleich von Internetdaten, insbesondere um Identitäten von Schutzsuchenden feststellen zu können. Die Schwelle für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse wird abgesenkt, wenn die Straftat unter Verwendung einer Waffe oder eines sonstigen gefährlichen Werkzeugs begangen worden ist. Zudem werden die Ausschlussgründe für die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft verschärft. Bspw. soll die Annahme einer schweren Straftat zukünftig auch bei Jugendstrafen von mehr als drei Jahren gelten. Eine Dublin-Task Force von Bund und Ländern mit dem Ziel der Steigerung der Zahl der Rücküberstellungen in Dublin-Verfahren wird eingerichtet. Ziel soll es sein, Optimierungsmöglichkeiten bei der Rechtsdurchsetzung und der operativen Umsetzung von Rückführungen in Dublin-Fällen zwischen BAMF und Ausländerbehörden z.B. die ausreichende Verfügbarkeit von Abschiebehaftplätzen sowie eventuellen Rechtsänderungsbedarf, wie z.B. bei gescheiterten Überstellungsversuchen wegen Nichtantreffens zu ermitteln. Für Schutzsuchende, die ihr Asylverfahren in anderen Mitgliedsstaaten betreiben müssen (Dublin-Fälle) und für den Fall ihrer Rückkehr dort Leistungsansprüche haben, weil der betreffende Mitgliedsstaat dem Übernahmeersuchen zugestimmt hat, soll der weitere Bezug von Leistungen in Deutschland ausgeschlossen werden. Bei Reisen jenseits der Notwendigkeit der Erfüllung sittlicher Pflichten (bspw. Beerdigungen) von anerkannt Schutzberechtigten in ihr Heimatland soll die Aberkennung des Schutzstatus als Flüchtling oder subsidiär Schutzbedürftiger gewährleistet werden. Die Bundesregierung legt zudem die gesetzlichen Regelungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems noch in diesem Jahr dem Parlament vor. Weiter arbeitet sie daran, die Möglichkeit zur Rückführung von Personen, die schwerwiegende Straftaten begangen haben sowie von terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien zu eröffnen.

Anmerkung des DStGB und des StGB NRW

Ob das Sicherheitspaket schnelle Erfolge bringen wird, bleibt abzuwarten. Denn die bereits vorhandenen Verbote beim Waffenrecht entfalten häufig wenig Wirkung, da es an Personal für Kontrollen auf Veranstaltungen, Waffenverbotszonen oder in Bus bzw. Bahn fehlt. An vielen Bahnhöfen hat die Anzahl an Bundespolizisten sowie Sicherheitspersonal der Deutschen Bahn zugenommen. Dies erhöht zumindest die subjektive Sicherheit der Menschen. Aber ob diese Steigerungen an Bahnhöfen ausreichen, um die vielen neuen Änderungen auch in der Praxis kontrollieren zu können, ist fraglich.

Schon heute besteht bspw. ein Messerverbot auf Veranstaltungen. Um dieses effektiver durchsetzen zu können, braucht es besonders einen Dreiklang aus erweiterten Befugnissen für die Sicherheitsbehörden, mehr Personal zur Kontrolle und Durchsetzung von Verboten sowie besseren technischen Möglichkeiten, wie etwa den Einsatz von Videoüberwachung mit KI. Diese kann beispielsweise bedrohliche Angriffshaltungen erkennen.

Grundsätzlich ist es gut, dass jetzt alle Springmesser verboten werden. Ob Ausnahmen für Berufsgruppen wie Jäger und Handwerker bei diesen speziellen Messern wirklich notwendig sind, sollten die zuständigen Stellen bzw. Kammern besser beurteilen können. Einige Springmesser sind schon heute illegal. Im Polizeialltag werden verbotene Messer regelmäßig als Zufallsfunde etwa bei Hausdurchsuchungen wegen anderer Straftaten festgestellt. Der Besitz eines verbotenen Messers kommt auch häufig bei einer Personen- oder Fahrzeugkontrolle ans Tageslicht. Insofern ist die Verbreitung trotz vorhandener Verbote hoch. Hinzukommt, dass das „Mitsichführen“ in der Öffentlichkeit, also als Taschenmesser außerhalb der eigenen vier Wände bzw. des eigenen Grundstücks, ohne ein berechtigtes Interesse schon jetzt nicht zulässig ist. Daher kann nur eine Verbesserung eintreten, wenn neben mehr Kontrollen besonders die Einfuhr nach Deutschland erschwert bzw. stärker bestraft wird. Denn viele Messer werden im Ausland erworben.

Das Verbot an Bahnhöfen ist richtig. Wichtig ist jedoch auch hier, dass die Waffenverbotszonen konsequent kontrolliert und verbotene Gegenstände gefunden und die Personen schnell verurteilt werden. Fraglich erscheint aber, wer die Busse und Bahnen begleiten bzw. kontrollieren soll. Hier wird es insbesondere darauf ankommen, Schwerpunktkontrollen durchzuführen. Positiv ist jedenfalls, dass verdachtsunabhängige Kontrollen durch die Bundespolizei ermöglicht werden. Dies dürfte viele Polizeibeamte ermutigen, entscheidungsfreudiger bei der Verfolgung verdächtiger Personen zu werden, da weniger Rechtfertigungsaufwand zu erwarten sein dürfte.

Ob die Task Force Islamismus neue Erkenntnisse liefern kann, wird sich zeigen. Viele Themen sind bereits erforscht. Wichtig wäre ein Problembewusstsein zu schaffen und vorurteils- und wertfrei die Lage zu analysieren.

Zu begrüßen ist allerdings, dass den Sicherheitsbehörden bzw. dem Bundeskriminalamt der Einsatz von Gesichtserkennung sowie KI bei der Fahndung gestattet werden soll. Diese Software hat sich bereits bei der Verfolgung von Terroristen bewährt. Zudem kann Datenschutz eingehalten und Ermittlungen gezielt in bestimmten Regionen beschleunigt werden, da eine Auswertung in wenigen Minuten erfolgt.

Ob schnellere Rückführungen bei besonders schwerwiegendem Ausreiseinteresse bei Messerangriffen in der Praxis funktionieren werden, ist ungewiss. Wichtig ist zunächst, dass Länder wie Syrien und Afghanistan (zumindest regional) als sicher eingestuft werden. Denn aus diesen Ländern kommen die meisten Flüchtlinge. Zudem müssen die EU und Deutschland mehr Erfolge bei Rückführungsabkommen erzielen. Daran scheitern viele Rückführungen. Weiter muss der Bund für Menschen, die schwere Straftaten während ihres Asylverfahrens begangen und die trotz Einreiseverbot erneut Asyl beantragt haben, in einem beschleunigten Verfahren in ihre Herkunftsländer zurücküberführen. Dies lässt sich besonders dann sicherstellen, wenn der Bund für „schwere Fälle“ ein eigenes Abschiebekompetenzzentrum einrichtet. Hier müssen alle relevanten Fragestellungen bei der Rückführung fachlich geklärt werden können. Ersatzpapiere kann das BAMF inzwischen sehr zügig ausstellen. Viele Bundesländer haben aber selbst zu wenig Kapazitäten, um das BAMF mit Anfragen auszulasten. Daher müssen im aktuellen Gefüge der Zuständigkeiten auch alle Bundesländer angehalten werden, ihre Strukturen an das aktuelle Asylgeschehen anzupassen. Ob dies gelingt, ist mit Blick auf den Arbeitskräftemangel fraglich. Auch dies spricht für ein stärkeres Engagement des Bundes.

Abschließend zu begrüßen ist die Einrichtung einer Dublin-Task Force, da in der Tat zu viele Menschen nicht in den Ländern Asyl beantragen, auf denen sie europäischen Boden betreten haben. Dieses Thema wurde bei den EU-Asylbeschlüssen leider nicht reformiert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die EU-Kommission stärker die fehlende Kooperation einiger Länder bei der Dublin-Überführung sanktioniert.

Weitere Informationen:

www.bmi.bund.de

Az.: 15.0.40-004/001

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