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StGB NRW-Mitteilung 507/2007 vom 23.07.2007
Bundesgerichtshof zu Kostenersatz und Haftpflichtgesetz
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit Urteil vom 01.02.2007 (Az.: III ZR 289/06) mit der Frage beschäftigt, ob eine Gemeinde einen Kostenersatzanspruch auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (in NRW: § 10 KAG NRW) gegenüber einem Grundstückseigentümer geltend machen kann, wenn auf dessen Grundstück die Wasserversorgungsleitung repariert werden muss bzw. ob die Gemeinde nach § 2 Haftpflichtgesetz für den Schaden aufkommen muss. Die Klägerin war ein Gebäudeversicherer, der u.a. Leitungswasserschäden auf dem privaten Grundstück versichert hatte. Die Wasserleitung auf dem versicherten privaten Grundstück war gebrochen und musste repariert werden. Die Grundstückseigentümer ließen daraufhin Aushub- und Wiedereinfüllarbeiten zur Behebung des Rohrbruchs mit einem Kostenaufwand von rd. 4.700 Euro durchführen. Die Klägerin als Gebäudeversicherer erstattete die rd. 4700 Euro an die Grundstückseigentümer. Die Reparatur der eigentlichen Leitung selbst erfolgte durch die beklagte Gemeinde, die den dafür entstandenen Aufwand in Höhe von rd. 270 Euro durch Kostenersatzbescheid gegenüber den Grundstückseigentümern geltend machte. Die Grundstückseigentümer zahlten die rd. 270 Euro an die beklagte Gemeinde. Mit dem Rechtsstreit wollte die Klägerin als Gebäudeversicherer nun Rückgriff gegen die beklagte Gemeinde wegen der gezahlten rd. 4.700 Euro nehmen (§ 67 VVG).
Der BGH hat die Klage des Gebäudeversicherers abgewiesen. Er führt aus, dass die beklagte Gemeinde zwar gem. § 10 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20.06.1980 (BGBl. I 1980, S. 750, 1067) Inhaber der schadensstiftenden Frischwasser-Rohrleitung auf dem privaten Grundstück sei. Nach den tatrichterlichen Feststellungen habe das infolge des Wasserrohrbruchs austretende Wasser das Grundstückseigentum auch beschädigt. Insoweit komme eine Haftung der Gemeinde nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz grundsätzlich in Betracht. Dem von den Grundstückseigentümern aufgewandten Kostenaufwand für die Reparatur der Anschlussleitung steht aber nach dem BGH der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf der Grundlage der Wasserversorgungssatzung der beklagten Gemeinde entgegen. Dieser Gegenanspruch, der im Rahmen des Arglisteinwands auch vom Zivilgericht uneingeschränkt zu prüfen sei, könne die beklagte Gemeinde nach den §§ 404, 412 BGB auch der Gebäudeversicherin als Klägerin entgegenhalten. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (in NRW: Kostenersatzanspruch nach § 10 KAG NRW) führt nach dem BGH dazu, dass die der Klage zugrunde liegende Schadensersatzforderung gem. § 242 BGB aus dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Rechtsausübung nicht durchsetzbar ist.
Entscheidend ist hierfür nach dem BGH, dass die beklagte Gemeinde in der Wasserversorgungssatzung ausdrücklich geregelt hat, dass der Anschlussnehmer die Kosten für die Unterhaltung der notwendigen Hausanschlüsse zu erstatten hat. Dieses gilt lediglich nicht für den Teil des Hausanschlusses (sog. Grundstücksanschluss), der in öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verläuft. Zu den Unterhaltungsaufwendungen gehören dabei auch die Kosten, die zur Erhaltung der Rohrleitung in einem gebrauchsfähigen Zustand und zur Beseitigung von Schäden erforderlich sind (vgl. hierzu auch OVG NRW, NWVBl. 1993, S. 419 f.; Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 10 KAG NRW, Rdnr. 23). Nach dem BGH ist eine solche Regelung in der gemeindlichen Wasserversorgungssatzung zulässig. Zwar bestimmt § 10 AVBWasserV, dass der sog. Hausanschluss zur öffentlichen Frischwasserversorgungsanlage gehört. Nach § 35 Abs. 1 Halbsatz 1 AVBWasserV sind Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen dieser Verordnung auch entsprechend zu gestalten. Jedoch gilt dieses gem. § 35 Abs. 1 Halbsatz 2 AVBWasserV aber wiederum nicht für „gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechtes“. Hierunter fallen nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der auch der Bundesgerichtshof folgt, die Kostenerstattungsansprüche des gemeindlichen Wasserversorgungsrechtes (vgl. BVerwGE 82, 350, 354 ff.; in NRW: § 10 KAG NRW). Hiernach durfte die beklagte Gemeinde in Wasserversorgungssatzung einen Kostenersatzanspruch (öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch) im Hinblick darauf regeln, dass der Grundstückseigentümer die Kosten für die Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung der notwendigen Hausanschlüsse auf seinem privaten Grundstück tragen muss.
Nach dem BGH greift auch Art. 31 GG (Bundesrecht bricht Landesrecht) nicht ein. Voraussetzung hierfür wäre, dass Rechtsvorschriften miteinander kollidieren. Eine solche Kollision besteht nach dem BGH hier aber nicht, weil die unterschiedlichen Rechtsvorschriften nicht denselben Lebenssachverhalt betreffen. § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG regelt (u.a.) Schadensersatzpflichten des Anlageninhabers durch die Wirkungen der von seiner Anlage ausgehenden Flüssigkeiten. Mit einem solchen Vorgang befasst sich die satzungsrechtliche Regelung in der Wasserversorgungssatzung zur Kostentragungspflicht des Anschlussnehmers für die Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung der Frischwasserleitung auf privaten Grundstücken nicht. Die Vorschrift enthält nach dem BGH auch keinen nach § 7 HPflG unzulässigen Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung. Sie knüpft vielmehr - so der BGH - an den von der beklagten Gemeinde getragenen Kosten für die Unterhaltung der Hausanschlüsse an und begründet dafür einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Richtig sei allein – so der BGH - , dass es bei wörtlicher Anwendung beider Regelungen auf den Streitfall im Ergebnis zu einem Wertungswiderspruch komme, weil Reparaturkosten an der Anschlussleitung letztlich unterschiedlichen Schuldnern zugewiesen werde (einerseits der beklagten Gemeinde als Inhaberin der Rohrleitungen und andererseits dem Grundstückseigentümer als Anschlussnehmer) und so ein Kreislauf von Regressen begründet werde. Ein Gegensatz dieser Art ist nach dem BGH aber nicht nach Art. 31 GG durch einen Vorrang des Bundesrechts aufzulösen, sondern, wenn sonstige Konfliktregeln wie die Kompetenzvorschriften der Art. 70 ff., 28 Abs. 2 GG nicht greifen, auf der Grundlage der allgemeinen Auslegungsregeln, insbesondere dem Sinn und Zweck der konkurrierenden Bestimmungen.
Dieses führt nach dem BGH zu einer endgültigen Belastung der Grundstückseigentümer für die Reparaturaufwendungen. Die Herstellungs- und Unterhaltungskosten für die Hausanschlüsse beruhen – jedenfalls soweit es um den hier interessierenden Leitungsabschnitt innerhalb des angeschlossenen Privatgrundstücks geht – grundsätzlich auf einem Sonderinteresse des Anschlussnehmers (vgl. hierzu: OVG NRW, NVwZ-RR 1996, S. 599 f; Dietzel in: Driehaus, a.a.O., § 10 Rdnr. 30, 32, 37). Die Regelung des § 10 Abs. 3 AVBWasserV soll hier lediglich die technische Verantwortlichkeit des Wasserversorgungsunternehmens sicherstellen (vgl. VG Mannheim in NVwZ-RR 1998, S. 675 f.). Die Gemeinde habe deshalb ein berechtigtes Interesse daran, mit diesen Kosten nicht über das allgemeine Beitrags- und Gebührenaufkommen die Gesamtheit aller Abnehmer/Anschlussnehmer zu belasten, sondern allein die Eigentümer der begünstigten Grundstücke. Dieses gelte auch dann, wenn Anlass für die ausgeführten Reparaturarbeiten erst ein Rohrbruch mit der Haftungsfolge des § 2 Abs. 1 HPflG war, sofern dieses Schadensereignis ohne Verschulden der Gemeinde eingetreten ist und der dem Anschlussnehmer dadurch entstandene Schaden – wie hier – nicht über die notwendigen Wiederherstellungsmaßnahmen hinausgeht. Insoweit überlagert nach dem BGH das öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis zwischen dem Anschlussnehmer und der Gemeinde und die durch deren Wasserversorgungssatzung vorgenommenen Aufgaben- und Verantwortungsabgrenzung die mit den Regeln des Haftpflichtgesetzes erfolgte allgemeine zivilrechtliche Pflichtenzuweisung. Dann aber steht der Gebäudeversicherin als Klägerin kein Ersatz des von ihr ausgeglichenen Schadens in Höhe von rd. 4.700 Euro zu, weil dieser allein von den Versicherungsnehmern, den Grundstückseigentümern, zu tragen ist.
Az.: III/2 24-30