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StGB NRW-Mitteilung 115/2010 vom 03.02.2010
Bundesgerichtshof zu Wasserpreisen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 2.2.2010 (Az.: KVR 66/08) die Preissenkungsverfügung der hessischen Kartellbehörde gegen den Wasserversorger der Stadt Wetzlar (enwag) bestätigt. Mit der Preissenkungsverfügung war dem Wasserversorger der Stadt Wetzlar, der enwag Energie und Wassergesellschaft mbH (Enwag), im Jahr 2007 aufgegeben worden, die Wasserpreise um 30 % zu senken.
Nach dem BGH sind öffentliche Wasserversorger der verschärften kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nach § 103 Abs. 5, § 22 Abs. 5 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.2.1990 unterworfen. Diese Vorschriften ermöglichen es der Kartellbehörde, einen Preismissbrauch von Versorgungsunternehmen durch einen Vergleich mit den Preisen gleichartiger Versorgungsunternehmen festzustellen, und legen dem betroffenen Unternehmen auf, seine höheren Preise zu rechtfertigen.
Diese Vorschriften sind zwar für Strom- und Gasversorger schon 1999 außer Kraft getreten, gelten aber — wie der Bundesgerichtshof näher begründet hat- für Wasserversorger weiter. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften darf nach dem BGH auch nicht dadurch zu sehr eingeschränkt werden, dass an die Feststellung der Gleichartigkeit der Vergleichsunternehmen überhöhte Anforderungen gestellt werden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die nähere Überprüfung der Preissenkungsverfügung der hessischen Kartellbehörde nach dem BGH keinen Rechtsfehler ergeben. Allerdings hatte die Feststellung der hessischen Kartellbehörde, die Wasserpreise seien bereits seit dem 1.7.2005 überhöht gewesen, keinen Bestand. Der BGH hat hier klargestellt, dass das geltende Recht die Kartellbehörde lediglich zu einem zukunftsgerichteten Einschreiten ermächtige, so dass Maßnahmen für zurückliegende Zeiträume gesetzlich nicht möglich sind.
Der Städte- und Gemeindebund NRW weist in Übereinstimmung mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ergänzend auf Folgendes hin: Aus dem Urteil des BGH vom 2.2.2010 (Az.: KVR 66/08) — dürfen keine falschen Schlüsse gezogen werden.
1. Keine Geltung für Städte und Gemeinden mit Wassergebühr
Der Beschluss des BGH vom 2.2.2010 beschränkt sich ausschließlich auf die kartellrechtliche Kontrolle von privatrechtlich organisierten Wasserversorgungsunternehmen (z.B. GmbH). Dagegen sind kommunale Wasserversorger nicht betroffen, die öffentlich-rechtlich handeln (z.B. in der Rechtsform des Regiebetriebes, des Eigenbetriebes/der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung, der Anstalt des öffentlichen Rechts) und als Gegenleistung für die Wasserversorgung vom Bürger (Kunden) eine öffentlich-rechtliche Wassergebühr nach dem Kommunalabgabengesetz NRW erheben. Denn hier kann der Bürger als Gebührenschuldner gegen den Wasser-Gebührenbescheid Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Das Verwaltungsgericht überprüft dann in vollem Umfang die Rechtmäßigkeit der Wassergebühr einschließlich der Kalkulation der Gebühr. Einen besseren Rechtsschutz als den Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten gibt es nicht.
2. Unterschiedliche Wasserpreise sind erklärbar
Unterschiedliche Wasserpreise sind erklärbar. Wer jetzt lediglich Endpreise einfach vergleicht, ohne die unterschiedliche Ausgangslage in den Städten und Gemeinden zu berücksichtigen, vergleicht Äpfel mit Birnen. Zum einen bezieht sich der Missbrauchsvorwurf nur auf einen konkreten Wasserversorger (die Enwag der Stadt Wetzlar). Zum anderen beeinflussen unter anderem die Siedlungsstruktur und die Abnehmerstruktur die Kosten bei der Trinkwasserversorgung. Deshalb sind die Kosten in Berg- und Talregionen nicht einfach vergleichbar mit den Kosten im Flachland. Andererseits beeinflusst auch die Gemeindestruktur die Kosten der Wasserversorgung. Eine Gemeinde mit kilometermäßig weit auseinander liegenden Ortsteilen oder vielen Splittersiedlungen hat regelmäßig höhere Kosten bei der Trinkwasserversorgung als eine Gemeinde mit einer kompakten bzw. konzentrierten Siedlungsstruktur.
Die Bürgerinnen und Bürger zahlen durchschnittlich für einen Liter sauberes Trinkwasser weniger als 0,002 Euro, wobei Preisunterschiede auf Grund der vorstehend genannten unterschiedlicher Gegebenheiten erklärbar sind. Unabhängig davon dürfen die Vorteile der kommunalen (ortsnahen) Wasserversorgung in Deutschland nicht verkannt werden. Diese ist — anders als in anderen europäischen Ländern — oft sehr kleinteilig, dadurch ortsverbunden und kundennah, unabhängig von den Interessen und Entscheidungen großer Konzerne und weitgehend weltmarktunabhängig. Dieses wissen die Bürger zu schätzen, wie aus aktuellen Umfragen hervorgeht: Mehr als 90 Prozent sind danach mit der Qualität und der Versorgungssicherheit zufrieden, nur 13 Prozent befürworten private Unternehmen in der Wasserversorgung. Annähernd 75 Prozent sehen den zu zahlenden Preis als angemessen an.
Az.: II/2 20-00 qu-ko