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StGB NRW-Mitteilung 114/2014 vom 16.12.2013
Bundesgerichtshof zur Gewässerunterhaltung
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 17.10.2013 (Az.: V ZR 15/13) ein Urteil des Oberlandesgerichtes Köln vom 21.12.2012 (Az. 19 U 17/12 - abrufbar unter www.nrwe.de; siehe auch Mitteilungen StGB NRW Nr. 477/2013 vom 21.06.2013) bestätigt. Das OLG Köln hatte entschieden, dass ein privater Grundstückseigentümer (Oberlieger-Grundstück) keine Pflicht hat, eine Gewässerverrohrung mit Einlaufbauwerk auf seinem privaten Grundstück zu verändern, wenn es durch das ungeeignete Einlaufbauwerk in die Gewässerverrohrung zu Überschwemmungen auf einem Nachbargrundstück (Unterlieger-Grundstück) gekommen ist.
Dieses gilt jedenfalls dann, wenn der Oberlieger-Grundstückseigentümer keine Befugnis hat, auf das Einlaufbauwerk und die Gewässerverrohrung auf seinem Grundstück einzuwirken sowie die Überschwemmungen der Unterlieger-Grundstücke durch eigene Handlungen auch nicht verursacht hat. Der Bundesgerichtshof sieht deshalb - in Bestätigung des OLG Köln - keine Verpflichtung des Oberlieger-Grundstückseigentümers, die unterliegenden Grundstücke bzw. deren Grundstückseigentümer zu schützen.
Nach dem BGH scheidet ein Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus, weil der beklagte Grundstückseigentümer (Oberlieger-Grundstück) die auf ein Naturereignis zurückgehende Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger (Unterlieger-Grundstück) weder durch eine eigene Handlung ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat. Der beklagte, private Grundstückseigentümer habe die Rohrleitung nicht angelegt und ziehe aus ihr auch keinen Nutzen. Der Oberlieger-Grundstückseigentümer sei auch nicht aus der Unterhaltungspflicht des Eigentümers für die in und an fließenden Gewässern befindlichen Anlagen nach § 94 LWG NRW für deren Zustand verantwortlich.
Für diese Unterhaltungspflicht bezogen auf sog. Anlagen an Gewässern (hier: eine Gewässerverrohrung mit Einlaufbauwerk) könne nicht allein auf das Eigentum des Grundstückseigentümers nach den §§ 93, 94 BGB abgestellt werden. Dieses gilt nach dem BGH jedenfalls dann, wenn der Grundstückseigentümer, auf dessen Grundstück sich die Anlage befindet, keine Befugnis hat, auf den Bestand oder den Zustand der Anlage einzuwirken. So lag es nach dem BGH aber in dem zu entschiedenen Fall, denn der beklagte Grundstückseigentümer (Oberlieger-Grundstück) sei aufgrund der Beschränkung seines Eigentums durch das öffentlich-rechtliche Wasserrecht nicht berechtigt gewesen, bauliche Änderungen an der Rohrleitung vorzunehmen. Der beklagte Grundstückseigentümer habe insoweit lediglich die Anlage (eines Dritten) auf seinem Grundstück zu dulden.
In diesem Zusammenhang weist der Bundesgerichtshof außerdem darauf hin, dass es bereits zweifelhaft sei, ob der beklagte, private Grundstückseigentümer nach § 94 Abs. 1 BGB überhaupt Eigentümer der Rohrleitung auf seinem Grundstück sei, die wiederum allein dem Schutz anderer Grundstücke diene. Es könne - so der BGH - an der Anlage auch selbständiges Eigentum nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehen (Stichwort: Rohrleitung als sog. Scheinbestandteil in einem fremden Grundstück, d.h. die Rohrleitung gehört eigentumsrechtlich demjenigen, der sie betreibt und benötigt und nicht dem Grundstückseigentümer, auf dessen Grundstück die Anlage verlegt ist). Dieser Frage bedurfte nach dem BGH aber im Endergebnis keine Entscheidung, weil das Urteil des Oberlandesgerichtes Köln vom 21.12.2012 (Az. 19 U 17/12 - abrufbar unter www.nrwe.de; siehe auch Mitteilungen StGB NRW Nr. 477/2013 vom 21.06.2013) nach dem BGH jedenfalls im Ergebnis richtig war.
Unabhängig davon bestand nach dem BGH ein Ausgleichsanspruch des Unterlieger-Grundstückseigentümers gegen den Oberlieger-Grundstückseigentümer nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch deshalb nicht, weil ein solcher Anspruch voraussetze, dass der Eigentümer eines Grundstücks als Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB für die Beeinträchtigung eines anderen Grundstückes verantwortlich sei. Unter diesem Blickwinkel seien die durch Naturereignisse ausgelösten Störungen (hier: Schlammlawine nach einem Starkregen) dem Eigentümer des Oberlieger-Grundstücks aber nur dann zuzurechnen, wenn er diese Störungen durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung erst durch sein pflichtwidriges Verhalten herbeigeführt worden sei.
So verhalte es sich — so der BGH - hier jedoch nicht, wenn der Einlass zu einer Rohrleitung nicht ordnungsgemäß errichtet, erhalten und gewartet worden sei. Denn nicht der Eigentümer des Oberlieger-Grundstücks sei dann verpflichtet, durch Erhaltung und Reinigung eines solchen Abflusses für einen ausreichenden Schutz der tiefergelegenen Grundstücke zu sorgen. Vielmehr hätten sich dann grundsätzlich die Eigentümer der Unterlieger-Grundstücke um den Schutz ihrer Grundstücke kümmern müssen, z.B. in dem sie auf dem höher gelegenen Grundstück die dafür erforderlichen Schutzmaßnahmen (etwa durch Anlegen eines Rohres zum Schutz ihrer bebauten Grundstücke) vor wild abfließenden Oberflächenwasser hätten ergreifen können (BGH, Urteil vom 18.04.1991 - Az. III ZR 1/90, BGH Z 114, 183, 187 ff., Seite 191 f.). Eine solche Befugnis zur Errichtung einer Rohranlage auf einem Oberlieger-Grundstück zum Schutz der in einem Baugebiet gelegenen Unterlieger-Grundstücke könne — so der BGH - allerdings auch einem Unternehmen der Entwässerung zustehen oder durch eine behördliche Anordnung vorgesehen werden (vgl. § 118 LWG NRW).
Eine gesetzliche Pflicht des beklagten privaten Eigentümers eines Oberlieger-Grundstücks, die von anderen zum Schutz der Unterlieger-Grundstücke errichtete Rohranlage zu erhalten, werde auch nicht durch das öffentlich-rechtliche Wasserrecht (§ 94 LWG NRW; jetzt geregelt in § 36 WHG) begründet. Die genannten wasserrechtlichen Vorschriften sollen nach dem BGH allein nachteilige Auswirkungen auf das Gewässer (Beeinträchtigung oder schädliche Gewässerveränderungen) durch Anlagen in und an oberirdischen Gewässern verhindern. Damit sei es nicht Gegenstand der wasserrechtlichen Vorschriften benachbarte Grundstücke davor zu schützen, dass aus der Anlage in und an oberirdischen Gewässern (hier: der Verrohrung) Wasser austritt oder wild abfließendes Oberflächenwasser nicht abgeführt wird (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31.01.2011 - Az. 5 U 91/10).
Der beklagte, private Grundstückseigentümer sei auch nicht wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht den Klägern gegenüber nach § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Es sei nicht seine Sache, sondern die der geschädigten Eigentümer oder des Gewässerunterhaltungspflichtigen, sich darum zu kümmern, dass sich eine Rohranlage in einem geeigneten Zustand befinde, damit tiefer gelegene Grundstücke vor unkontrolliert abfließenden Oberflächenwasser geschützt werden.
Az.: II/2 24-80 qu-ko