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StGB NRW-Mitteilung 426/2002 vom 05.07.2002
Bundeskartellamt gegen DSD-Abstimmungsvereinbarung
Nach Mitteilung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) hat das Bundeskartellamt gegen einige Empfehlungen der kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der mit der DSD AG ausgehandelten Muster-Abstimmungsvereinbarung Bedenken geäußert und wertet einzelne Empfehlungen als mit dem Wettbewerbsrecht nicht vereinbar. Hierzu gehört eine mögliche gemeinsame Erfassung und Verwertung der PPK-Fraktion durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und Systembetreiber, die Festlegung eines pauschalen Mitbenutzungsanteils von 25% für den Systembetreiber im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems für die Papier/Pappe/Karton-Fraktion (PPK-Fraktion), die Festlegung pauschaler Entgelte für die Bereitstellung von Containerstandplätzen und für die Abfallberatung, die Vereinbarung einer Meistbegünstigungsklausel sowie eine Verpflichtung zur "besonderen" Rücksichtnahme gegenüber dem bisherigen Systembetreiber. Der DStGB wird die Anmerkungen des Bundeskartellamtes berücksichtigen und die Muster-Abstimmungsvereinbarung gemeinsam mit den anderen kommunalen Spitzenverbände auf der Bundesebene und den kommunalen Fachverbänden entsprechend den Bedenken des Bundeskartellamtes überarbeiten. Im Einzelnen stellen sich die Bedenken des Bundeskartellamts wie folgt dar:
1. Das Bundeskartellamt hat erhebliche Bedenken gegen die in Anmerkung 9 zur Muster-Abstimmungsvereinbarung vorgesehene Empfehlung geäußert, wonach im Ergebnis sowohl grafisches Papier (Schreibpapier, Druckerzeugnisse usw.) als auch Einwegverpackungen aus Papier/Pappe/Karton gemeinsam erfasst und/oder verwertet werden können. Nach der Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der Muster-Abstimmungsvereinbarung sollen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger möglichst im Einvernehmen mit dem Systembetreiber die Erfassung bzw. Verwertung von Einwegverpackungen aus Papier/Pappe/Karton zusammen mit der Erfassung bzw. Verwertung von grafischem Papier ausschreiben. Hierauf hatten sich die kommunalen Spitzenverbände und die DSD AG im Rahmen der Verhandlungen zur Muster-Abstimmungsvereinbarung geeinigt. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes handelt es sich hierbei jedoch um eine sog. Nachfragebündelung, die gegen § 1 GWB verstößt. Eine Freistellung dieser Kooperation nach § 7 GWB sei - so das Bundeskartellamt - nur im Einzelfall möglich, wenn dieses zur Verbesserung der Rücknahme und Entsorgung von Waren beiträgt. Dieses kann jedoch nicht im Rahmen einer allgemeinen Empfehlung ausgesprochen werden, da es sich immer um eine konkrete Einzelfallentscheidung und Beurteilung des konkreten Sachverhaltes handele. Somit haben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger - soweit sie die Erfassung und Entsorgung nicht unmittelbar selbst übernehmen (z.B. durch Regiebetrieb, Eigenbetrieb, 100%iges Tochterunternehmen), sondern Dritte hiermit beauftragen - die kommunale PPK-Fraktion auszuschreiben. Gleiches gilt für den Systembetreiber. Möglich ist nach Auffassung des Bundeskartellamtes lediglich, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger dem beauftragten Entsorgungsunternehmen die Möglichkeit einräumt, auch für den Systembetreiber zu erfassen bzw. zu verwerten. Dabei sei eine vertragliche Regelung dann mit dem Wettbewerbsrecht als vereinbar anzusehen, wenn der beauftragte Entsorger für den Fall, dass dieser von der eingeräumten Mitnutzungsmöglichkeit Gebrauch macht, ein im Vorhinein zu definierendes Entgelt zu entrichten hat.
2. Die Empfehlung in Anmerkung 8 zur Muster-Abstimmungsvereinbarung, wonach im Regelfall ein pauschaler Mitbenutzungsanteil des Systembetreibers an dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystem für die PPK-Fraktion in Höhe von 25% zugrunde zu legen ist, ist nach Auffassung des Bundeskartellamtes unzulässig. Die Festlegung eines pauschalen Mitbenutzungsanteils ohne Rücksicht auf die tatsächliche Mitbenutzung wirke sich unmittelbar auf die Entgeltgestaltung im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und Entsorgungsunternehmen aus und verstoße somit gegen das Empfehlungsverbot des § 22 Abs. 1 Satz 1 GWB. An dieses Empfehlungsverbot seien auch die kommunalen Spitzenverbände gebunden. Das Bundeskartellamt regt deshalb an, auf die Nennung eines festen Mitbenutzungsanteils zu verzichten und stattdessen den Kommunen qualitative Kriterien an die Hand zu geben, wonach der tatsächliche Mitbenutzungsanteil ggf. nach entsprechenden Sortieranalysen zu bemessen ist.
3. Für außerordentlich problematisch hält das Bundeskartellamt die in den Anmerkungen 11 und 12 zur Muster-Abstimmungsvereinbarung enthaltenen Empfehlungen, für die Errichtung, Bereitstellung, Unterhaltung sowie Sauberhaltung von Flächen für die Aufstellung von Sammelgroßbehältern bzw. für die Abfallberatung konkrete Summen (3 € bzw. 1 € pro EW/J) zugrunde zu legen. Auch hier bestehe ein Empfehlungsverbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GWB. Sinnvoller sei daher, die konkrete Preisempfehlung "durch einen Hinweis auf qualitative Berechnungsmethoden" zu ersetzen.
4. Die in § 11 Ziff. 2 der Musterabstimmungsvereinbarung festgeschriebene "Meistbegünstigungsklausel" verstößt gegen § 14 GWB, weil sie den Vertragspartner in der Freiheit der Vertragsgestaltung mit Dritten einschränkt. Sie ist nach Auffassung des Bundeskartellamtes daher ersatzlos zu streichen.
5. Das in § 11 Ziff. 3 der Musterabstimmungsvereinbarung vorgesehene Gebot der "besonderen Rücksichtnahme" betone nach Auffassung des Bundeskartellamtes einseitig die Interessen des bereits eingerichteten Systems der DSD AG. Somit würden neu hinzutretende Systeme diskriminiert, was eine unzulässige Marktzutrittsschranke darstelle. Das Bundeskartellamt regt daher an, in der Formulierung des § 11 Ziff. 3 klarzustellen, dass die Interessen beider Systeme gleichwertig zu berücksichtigen sind. Eine "besondere" Berücksichtigung der Interessen des eingerichteten Systems der DSD AG dürfe jedoch nicht vorgesehen werden.
Der DStGB wird im Wesentlichen den Bedenken des Bundeskartellamtes Rechnung tragen. Dieses gilt insbesondere für die Benennung konkreter Zahlen sowohl im Hinblick auf die Nebenentgelte wie auch den Anteil der Mitbenutzung im Rahmen der PPK-Fraktion. Zugleich wird der DStGB die Meistbegünstigungsklausel streichen und auch der Anregung des Bundeskartellamtes in Bezug auf die "besondere Rücksichtnahme" nachkommen und das Wort "besondere" streichen. Praktische Probleme sieht der DStGB jedoch bei der Umsetzung der Empfehlungen des Bundeskartellamtes im Hinblick auf die gemeinsame Erfassung und/oder Verwertung der PPK-Fraktion/grafische Papiere. Die kommunalen Spitzen- und Fachverbände auf der Bundesebene sind bemüht, möglichst kurzfristig eine praktikable und vor Ort umsetzbare Lösung zu finden, die den Bedenken des Bundeskartellamtes Rechnung trägt und dennoch eine sinnvolle Erfassung und/oder Verwertung der Fraktionen gewährleistet.
Az.: II/2 32-16-4 qu/g