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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 601/2019 vom 05.11.2019
Bundesrechnungshof gegen Altschuldenhilfe des Bundes
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in einem Sonderbericht 2019 „Feststellungen zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes – Zeit der anstrengungslosen Konsolidierung geht zu Ende“ das finanzielle Engagement des Bundes für die Kommunal- und Landesfinanzen kritisch kommentiert. Namentlich plädiert er dagegen, dass sich der Bund an der Lösung des kommunalen Altschuldenproblems beteiligt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hingegen spricht sich dafür aus, dass Bundesmittel eingesetzt werden, um die kommunalen Altschulden zu tilgen und das Zinsänderungsrisiko zu minimieren.
Die Debatte um die Lösung des kommunalen Altschuldenproblems war zuletzt durch die Schlussfolgerungen der Co-Vorsitzenden (Bundesminister-/innen Seehofer, Klöckner, Dr. Giffey) der Regierungskommission Gleichwertige Lebensverhältnisse in Berlin neu bewegt worden. Dies gilt auch für die Bereitschaft des Bundes, an einer Lösung zum Abbau der kommunalen Altschulden mitzuwirken. Rund 17 Prozent der Kommunen (etwa 2000 Kommunen von insgesamt 11.700) sind von besonders hohen Altschulden betroffen, vor allem im Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die kommunalen Kassenkredite belaufen sich auf ca. 36 Milliarden Euro.
Nach Auffassung des DStGB brauchen wir jetzt nicht nur Hilfen des Bundes und der Länder für die anfallenden Zinsen, sondern insbesondere für die Tilgung der kommunalen Altschulden sowie der Schulden der kommunalen Wohnungsunternehmen. Diese Finanzhilfen müssen in ein stimmiges Gesamtkonzept „Nachhaltige Kommunalfinanzen" eingekleidet werden. Es muss mit effektiven Maßnahmen verhindert werden, dass derart hohe kommunale Schulden wieder neu entstehen. Dazu reicht es nicht alleine aus, zu fordern, dass es keine neuen kommunalen Kassenkredite mehr geben dürfe. Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes „Nachhaltige Kommunalfinanzen“ müssen die Kommunen von Sozialausgaben entlastet und die Steuerkraft der Gemeinden nachhaltig gesichert und gestärkt werden, nicht zuletzt bei der Grundsteuer und der Gewerbesteuer. Die kommunale Investitionsfähigkeit muss verstetigt und dauerhaft gesichert werden. Dazu sind Maßnahmen, die über die auf wenige Jahre begrenzten Investitionsprogramme hinausgehen, notwendig.
In den Schlussfolgerungen wird ausgeführt, dass der Bund gezielt bei Zins- und Tilgungslasten der Kommunen helfen könne, wo andere Hilfe alleine nicht ausreichend ist. Zugleich müssten die Ursachen der hohen Kassenkreditbestände angegangen werden. Erforderlich sei dafür ein nationaler politischer Konsens, betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen. Ein solcher Konsens setze voraus, dass sichergestellt werde, dass eine neue Verschuldung der Kommunen über Kassenkredite nicht mehr stattfindet.
Der BRH hat nun in seinen Feststellungen zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes, die der Große Senat des Bundesrechnungshofes am 23. September 2019 beschlossen hat, kritische Einschätzungen formuliert. Zugrunde lag der Haushalts- und Planungsstand bis Mitte September 2019. Die Feststellungen wurden um die am 2. Oktober 2019 von der Bundesregierung beschlossene Ergänzung des Entwurfs des Bundeshaushaltsplans 2020 aktualisiert. Die Ergänzung enthält die finanziellen Auswirkungen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung.
Der BRH führt aus, dass die finanziellen Aufwendungen des Bundes vor allem im Sozialbereich sowie zur Unterstützung von Länderaufgaben weiter steigen. Neue Leistungen wie das Baukindergeld und die Maßnahmen aus den Rentenpaketen belasteten den Bundeshaushalt sowie die Rentenkasse nachhaltig.
Vor allem im Bereich der Bund-Länder-Finanzbeziehungen habe der Bund quasi eine fiskalische Allzuständigkeit akzeptiert, diese sogar zum Teil selbst vorangetrieben. Die vom Grundgesetz vorgegebene föderale Trennung der Aufgaben- und Finanzierungskompetenz der staatlichen Ebenen werde weitgehend aufgegeben. Die mit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 bezweckte Stärkung der finanzpolitischen Eigenverantwortung der Länder werde mit den Verfassungsänderungen aus dem Jahr 2017 und vom März 2019 durch eine zentrale Mitfinanzierung ersetzt. Alle wesentlichen Aufgabenbereiche der Länder und Kommunen würden mittlerweile durch Bundesmittel alimentiert – seien es Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen, Hochschulen, der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), Kommunalinvestitionen, Sozialhilfe, innere Sicherheit, Flüchtlingshilfen oder der soziale Wohnungsbau. Über Jahre zu beobachtende unzureichende Aufgabenerfüllung der Länder wie im sozialen Wohnungsbau oder bei der Bildungsinfrastruktur belohne der Bund durch zusätzliche Mittel. Nunmehr werde verlangt, dass der Bund den Ländern auch bei der Tilgung der kommunalen Altschulden helfe.
Die Folge sei ein – im Grundgesetz so nicht angelegtes – unübersichtliches Kompetenz- und Finanzierungsgemenge. Zudem führe dies zu einer Auflösung klarer Verantwortlichkeiten und beeinträchtige die demokratische Sanktionierung politischer Entscheidungen. Der Bund solle über seine vielfältigen Aktivitäten zugunsten der Unterstützung von Kernaufgaben der Länder und Kommunen seine eigenen Aufgaben nicht vernachlässigen. Die insgesamt bestehenden Herausforderungen erforderten finanzwirtschaftlich nachhaltige Lösungsansätze. Die Langfassung des Sonderberichts des BRH kann heruntergeladen werden unter www.bundesrechnungshof.de.
Az.: 41.5.11-001/003