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StGB NRW-Mitteilung 307/2019 vom 19.06.2019
Jobcenter muss Kosten für Schulbücher tragen
Die Jobcenter müssen bei Kindern aus Hartz-IV-Familien die Kosten für Schulbücher tragen. Sie sind als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen, wenn Schüler diese wegen einer fehlenden Lernmittelfreiheit im jeweiligen Bundesland selbst kaufen müssen, urteilte das Bundessozialgericht am 08. Mai 2019 (Az.: B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). Die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit besteht. Der Ermittlung des Regelbedarfs liegt eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde. In den Regelleistungen für das Jahr 2019 sind für Kinder und Jugendliche im Alter von 14–18 Jahren 23 Cent im Monat vorgesehen. In den jetzt entschiedenen Fällen hatten Hartz-IV-Bezieher aus Niedersachsen vom Jobcenter die Kostenübernahme für Bücher ihrer Kinder in der Oberstufe verlangt. Konkret ging es um eine Kostenübernahme in Höhe von rund 135 Euro und 200 Euro. Die Jobcenter lehnten ab: Die Familien könnten die Kosten aus der regulären Hartz-IV-Leistung ansparen. Mögliche Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung dürften nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden. Es ist zu befürchten, dass das Schulbuchurteil des Bundessozialgerichts auch auf andere einmalige kostenträchtige Schul- und Bildungsbedarfe übertragen wird. Die Bundesregierung ist aufgefordert, eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen, die die Regelungslücke schließt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Bundesregierung bereits mit Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 1 BvR 1691/13) aufgefordert, die Bildungskosten in den Regelleistungen aufzustocken. Gleichzeitig wurden die Gerichte aufgefordert, das Recht bis zu einer gesetzlichen Änderung weit auszulegen. Dieser weiten Auslegung sind nun eine Reihe von Sozialgerichten bei Bildungs- und Schulbedarfen gefolgt. Das Bundessozialgericht hat in seinem aktuellen Urteil geschrieben, „die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit besteht“. „Daher sind Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmittelfreiheit selbst kaufen müssen, durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II zu übernehmen.“ Denn: „Fehlt es aufgrund der Berechnung des Regelbedarfs an einer Deckung existenzsichernder Bedarfe, sind die einschlägigen Regelungen über gesondert neben dem Regelbedarf zu erbringende Leistungen verfassungskonform auszulegen,“ so das Bundessozialgericht vom 08.05.2019.
Da Schulangelegenheiten Ländersache sind, regeln die jeweiligen Bundesländer die Kostenübernahme für Schulbücher unterschiedlich. So besteht etwa in Baden-Württemberg und in Hessen Lernmittelfreiheit. In anderen Bundesländern wie Berlin und Nordrhein-Westfalen wird von Eltern ein Eigenanteil verlangt. In den jetzt entschiedenen Fällen hatten Hartz-IV-Bezieher aus Niedersachsen vom Jobcenter die Kostenübernahme für Bücher ihrer Kinder in der Oberstufe verlangt. Konkret ging es um eine Kostenübernahme in Höhe von rund 135 Euro und 200 Euro. Die Jobcenter lehnten ab: Die Familien könnten die Kosten aus der regulären Hartz-IV-Leistung ansparen. Das Bundessozialgericht urteilte, hier liege ein Härtefall-Mehrbedarf vor. Wegen der fehlenden Lernmittelfreiheit in Niedersachsen sei Schülern im Hartz-IV-Bezug die Kostenübernahme von Schulbüchern nicht zuzumuten. Der Bedarf für Schulbücher werde im Regelbedarf unzureichend abgedeckt. Die Kosten für Schulbücher sind vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen, wenn Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.
Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall ist.
Az.: 37.0.5.1-003/007