Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 99/2016 vom 22.12.2015

Bundesverfassungsgericht zum Kanalanschlussbeitragsrecht

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit zwei Entscheidungen vom 12.11.2015 (Az.: 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14) Verfassungsbeschwerde gegen die rückwirkende Festsetzung von Kanalanschlussbeiträgen stattgegeben. Hintergrund war die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG für das Land Brandenburg zum 01.02.2004, wonach die Beitragspflicht „frühestens (...) mit dem Inkrafttreten eine rechtswirksamen Satzung“ entsteht. Diese Regelung entfaltet nach dem BVerfG im Falle der Kläger unter anderem im Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 BvR 3051/14 eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung, weil das Grundstück bereits im Jahr 1990 an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation angeschlossen wurde und die erste Beitragssatzung der Stadt, die zum 30.06.1993 in Kraft treten sollte, unwirksam war.

Die Entscheidungen des BVerfG sind auf das Land Nordrhein-Westfalen nicht übertragbar, weil § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW nicht mit der Regelung in § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG für das Land Brandenburg inhaltsgleich ist. Für Nordrhein-Westfalen gilt Folgendes: Fehlt in dem für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht maßgeblichen Zeitpunkt eine gültige Beitragssatzung, so ist der Erlass einer neuen, rückwirkenden Beitragssatzung zum Zwecke der Beseitigung eines satzungslosen Zustands zulässig, denn ein Vertrauen auf eine ungültige Satzung verdient keinen Schutz, da der Bürger damit rechnen muss, dass die Gemeinde rückwirkend eine gültige Satzung erlässt, um Beiträge erheben zu können (so: OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2011 — Az.: 15 A 1643/10 —).

Gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW entsteht die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der Satzung. Eine Beitragsatzung muss deshalb formell und materiell wirksam sein. Erweist sich die Beitragssatzung als ungültig, bedarf es - um die Beitragspflicht zur Entstehung zu bringen - des Erlasses einer neuen Satzung, die sich Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten (d. h. ungültigen) Satzung beilegt (so ausdrücklich: OVG NRW, Urteil vom 18.05.1999 — Az.: 15 A 2880/96 - ; Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 KAG NRW Rz. 570 f.) Überschreitet die Rückwirkung dabei den Zeitraum von vier Jahren, so ist regelmäßig Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG NRW i.V.m. §§ 169, 170 AO), sodass ein Beitrag nicht mehr erhoben werden kann.

Az.: II/2 24.1.2.2 qu-ko

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