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StGB NRW-Mitteilung 505/2000 vom 05.09.2000
Bundesverfassunsgericht zu Altlastenhaftung und Grundstückseigentümer
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluß vom 16. Februar 2000 (AZ 1 BvR 242/91 und 315/99) entschieden, daß die Inanspruchnahme sog. Zustandsstörer im Rahmen der Altlastensanierung dort ihre Grenze findet, wo sie dem Eigentümer/Zustandsstörer (finanziell) nicht mehr zumutbar ist. Als Grenze sieht das Bundesverfassungsgericht hier in der Regel eine Kostenbelastung an, die den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigt. Dem Beschluß lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beschwerdeführer, eine GmbH & Co. KG bzw. Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sind jeweils Eigentümer von Grundstücken, auf denen Altlasten festgestellt wurden. Für deren Beseitigung nahmen die zuständigen Bodenschutz-Behörden die Beschwerdeführer auf deren Kosten als "Zustandsstörer" in Anspruch. Diese Inanspruchnahme beruhte auf dem am 1. März 1999 in Kraft getretenen Bundesbodenschutzgesetz, wonach neben dem Verursacher auch die Grundstückseigentümer (= Zustandsstörer) verpflichtet sind, mit Altlasten verseuchte Grundstücke auf ihre Kosten so zu sanieren, daß dauerhaft keine Gefahr, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
Die Beschwerdeführer klagten gegen die Inanspruchnahme. Die Klagen blieben erfolglos. Gegen diese gerichtlichen Entscheidungen erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde und rügten insbesondere eine Verletzung ihrer Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Das Bundesverfassungsgericht sieht in den angegriffenen Entscheidungen eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Insbesondere sieht das Gericht einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als gegeben an. Eine Inanspruchnahme der Beschwerdeführer als Zustandsstörer würde im vorliegenden Fall so das Gericht - zu einer übermäßigen Belastung führen und die Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich somit unzumutbar treffen. Zwar sei eine Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers als Zustandsstörer nach dem Bundesbodenschutzgesetz verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Belastung des Eigentümers mit den gesamten Kosten der Sanierung sei allerdings nicht gerechtfertigt, wenn sie dem Eigentümer nicht mehr zuzumuten sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei die Belastung des zustandsverantwortlichen Grundstückeigentümers daher angemessen zu berücksichtigen und mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen abzuwägen.
Ein Anhaltspunkt hierfür könne der Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung sein. Eine diese Grenzen überschreitende Belastung könne insbesondere dann unzumutbar sein, wenn die Gefahr, die von dem Grundstück ausgehe, aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nutzungsberechtigten Dritten herrühre. Andererseits könne eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteige, dann zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewußt in Kauf genommen oder aber in fahrlässiger Weise die Augen vor Risikoumständen verschlossen habe. Doch auch in diesen Fällen sei dem Eigentümer nicht zuzumuten, unbegrenzt für die Sanierung einzustehen. Insbesondere sei es nicht zumutbar, auch mit Vermögen zu haften, das in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück stehe. Es könne lediglich zumutbar sein, Vermögen zur Sanierung einzusetzen, das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück eine funktionale Einheit darstelle, etwa wenn dieses Grundstück Bestandteil eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder sonstigen Unternehmens sei. Eine Inanspruchnahme sei hingegen dann wiederum unzumutbar, wenn das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bilde und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstelle.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf folgendes hin:
Da der Bundesgesetzgeber im Bundesbodenschutzgesetz die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit im Rahmen der Altlastensanierung nicht ausdrücklich geregelt hat, haben die zuständigen Behörden (in NRW: die kreisfreien Städte und Kreise als untere Bodenschutzbehörden) durch Auslegung und Anwendung der die Verantwortlichkeit und die Kostentragungspflicht begründenden Rechtsvorschriften sicherzustellen, daß die Belastung des Grundstückseigentümers das zumutbare Maß des nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Grundgesetz Zulässigen nicht überschreitet. Insoweit ist auf der Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht genannten Kriterien eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Begrenzung der finanziellen Belastung des Grundeigentümers im Rahmen einer Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Es ist allerdings zu beachten, daß sich der Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes nur auf den Grundstückseigentümer als Zustandsstörer bezieht und nicht für den sog. Verhaltensstörer, also den eigentlich Verantwortlichen, gilt.
Az.: II/2 50 10