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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 172/1999 vom 05.03.1999
Bundesverwaltungsgericht: Altkleider sind Abfall
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. November 1998 - AZ: 7 C 31.97 - entschieden, daß Altkleidungsstücke auch dann die Abfalleigenschaft nicht verlieren, wenn sie in verschiedene Fraktionen sortiert werden. Die Klägerin verwertete überwiegend Altkleidungsstücke, die von gemeinnützigen Organisationen gesammelt werden. Diese Sammelware wurde im Betrieb der Klägerin sortiert und bestimmten Warengruppen zugeordnet. Dazu gehörten zum einen die noch gebrauchsfähigen Kleidungsstücke (z.B. für Second-Hand-Geschäfte), zum anderen Stoffe, die für eine Verwendung in der Putzlappenindustrie geeignet sind und schließlich die im Klageverfahren umstrittenen sog. Pappenlumpen und Halbtuche. Pappenlumpen werden für die Herstellung von Verpackungsmaterial oder von Fluting verwendet, einem Stoff, der als gewellte Zwischenlage von Wellpappe dient. Halbtuche werden zur Herstellung bestimmter Pappenprodukte eingesetzt. Die Aufarbeitung dieser Stoffe erfolgt in Europa - neben einem französischen Unternehmen - nur in zwei in der Tschechischen Republik und in der Slowakei gelegenen Fabriken. Die Klägerin veräußerte die Pappenlumpen und Halbtuche zu einem ihre Frachtkosten deckenden Preis an diese beiden Betriebe. Dort wurden die Stoffe zerkleinert und zerkocht. Dabei entstehende textile Fasern, wurden nach dem Absieben zusammen mit anderen Materialien für die Herstellung des Verpackungsmaterials, Flutings oder sonstigen Pappenprodukten eingesetzt.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, daß die Abfalleigenschaft (§ 3 Abs. 1 KrW-/AbfG) der gesammelten Altkleidungsstücke und Textilreste nicht dadurch entfällt, daß die Klägerin diese Altkleidungsstücke in verschiedene Fraktionen teilt. Dies gilt nach dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls für die in Rede stehenden Pappenlumpen und Halbtuche. Da diese Stoffe zur Ausfuhr aus der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind, sei der Abfallbegriff des Abfallverbringungsrecht der Europäischen Union maßgebend, der sich im Ergebnis nicht von dem deutschen Abfallbegriff in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG unterscheidet, weil der Abfallbegriff in der EU-Abfallverbringungsverordnung, dem Abfallverbringungsgesetz (§ 2 AbfVerbrG) und dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (§ 3 KrW./AbfG) deckungsgleich ist. Danach sind "Abfall" alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß. Der - weder in der europäischen Abfallrahmenrichtlinie noch in der EU-Abfallverbringungsverordnung definierte - Ausdruck "sich entledigen" bezieht sich auf Vorgänge und Verfahren der "Beseitigung" und "Verwertung" eines Stoffes oder Gegenstandes, wie sie - beispielhaft und daher nicht abschließend - in den Anhängen II A und II B zur Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union aufgeführt sind (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 18.12.1997 - Rs C-129/96 - NVwZ 1998, 385 f.). Wer hiernach - so das Bundesverwaltungsgericht - eine bewegliche Sache in diesem Sinn "beseitigt" oder "verwertet", läßt mit der Beendigung des konkreten Beseitungs- oder Verwertungsvorgangs auch die Abfalleigenschaft des Stoffes entfallen.
In Anknüpfung hieran ist nach dem Bundesverwaltungsgericht das bloße Aussortieren der Pappenlumpen und Halbtuche im Betrieb der Klägerin kein eigenständiges Verwertungsverfahren, mit dem die den Abfallerzeugern/-besitzern von Abfällen obliegende Verwertungspflicht erfüllt wird. Es handelt sich vielmehr nur um einen ersten Teilschritt im Zuge der beabsichtigten Verwertung, nämlich die Bereitstellung des hierfür geeignet scheinenden Materials. Aus den Pappenlumpen und Halbtuchen sollen durch eine entsprechende Aufarbeitung textile Fasern zur Herstellung verschiedener Pappenprodukten gewonnen werden. Diese Fasern sind der rückzugewinnende organische Stoff im Sinne des Verwertungsverfahren R 3 des Anhangs II B zur EU-Abfallrahmenrichtlinie.
Das Bundesverwaltungsgericht weist ergänzend darauf hin, daß der Einstufung der Alttextilien als Abfall auch nicht entgegensteht, daß die Klägerin für die aussortierten Pappenlumpen und Halbtuche einen (die Frachtkosten deckenden) Veräußerungserlös erzielt. Da auch die Verwertung von Abfällen Teil des Wirtschaftsgeschehens ist, schließt der bloße Umstand, daß Stoffe Gegenstand eines Rechtsgeschäfts sein können, deren Abfalleigenschaft nicht aus. Sowohl das europäische als auch das deutsche Abfallrecht wollen im Interesse der Schonung der natürlichen Rohstoffreserven die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder von Energie aus dafür geeigneten Abfällen fördern. Um dies sicherzustellen, soll der Betreffende nach dem Bundesverwaltungsgericht solange den spezifischen Anforderungen des Abfallrechts an eine ordnungsgemäße und schadlose, möglichst ressourcenschonende Verwertung unterliegen, bis der Verwertungserfolg eingetreten ist. Ob auf dem Weg zu diesem Verwertungserfolg Veräußerungsgeschäfte stattfinden, ist grundsätzlich ohne Belang.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. November 1998 wird demnächst in der Zeitschrift "Städte- und Gemeinderat" veröffentlicht.
Az.: II/2 31-02-5