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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 316/2007 vom 17.04.2007
Bundesverwaltungsgericht zu Feinstaub-Immissionen
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg wird zu klären haben, ob nach europäischem Gemeinschaftsrecht ein von Feinstaubpartikel-Immissionen Betroffener von der zuständigen Behörde die Aufstellung eines "Aktionsplans" verlangen kann. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 29.03.2007 (Az.: BVerwG 7 C 9.06) beschlossen, eine entsprechende Vorabentscheidung des Europäischen Gerichthofes einzuholen.
Der Kläger verlangte die Verurteilung des Freistaats Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans, der Maßnahmen gegen gesundheitsschädliche Feinstaubpartikel-Immissionen festlegt. Bei seiner Wohnung am Mittleren Ring in der Stadt München wurde der maßgebliche Grenzwert in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überschritten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte das Land Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans verpflichtet, der die Einhaltung des Grenzwerts soweit wie möglich sicherstellt. Den weitergehenden Antrag, mit dem der Kläger die Aufstellung eines zur unbedingten Einhaltung des Grenzwerts geeigneten Aktionsplans beanspruchte, wurde abgelehnt. Gegen das Urteil des BayVGH hatten der Kläger und der Freistaat Bayern Revision beim BVerwG eingelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger nach nationalem Recht keinen Anspruch auf Erstellung eines Aktionsplans hat. Die zuständige Behörde ist nach deutschem Recht und nach europäischem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, in einem Aktionsplan geeignete Maßnahmen zur Verringerung der Gefahr einer Überschreitung des Immissionsgrenzwerts festzulegen. Ein Aktionsplan kann insbesondere ein koordiniertes System von Beschränkungen des Straßenverkehrs sowie der Emissionen von Industriebetrieben und Heizungsanlagen vorsehen. Ein Aktionsplan dieser Art besteht für die Stadt München bisher nicht. Ein Drittbetroffener kann aber nicht verlangen, dass die Behörde ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Aktionsplans nachkommt.
Das deutsche Recht unterscheidet zwischen der Aufstellung eines Aktionsplans und der Durchsetzung der darin festgelegten Maßnahmen. Nach diesem zweistufigen Konzept wird die Luftqualität noch nicht durch den Aktionsplan, sondern erst durch die Verwirklichung der vorgesehenen Maßnahmen verbessert. Solange ein Aktionsplan nicht aufgestellt ist, kann der Drittbetroffene sein Recht auf Abwehr gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Feinstaubpartikel im Wege der Klage auf Durchführung planunabhängiger Maßnahmen wie zum Beispiel Straßenverkehrsbeschränkungen durchsetzen. Bei gesundheitsrelevanten Grenzwertüberschreitungen muss die Behörde regelmäßig einschreiten. Damit steht dem Drittbetroffenen unabhängig von einem Aktionsplan effektiver Rechtsschutz zur Verfügung. Demgegenüber dient ein Aktionsplan eher dem Behördeninteresse an einer kohärenten Bündelung der Maßnahmen unter Vermeidung einer Vielzahl von Einzelansprüchen. Das EU-Gemeinschaftsrecht gewährt dem Drittbetroffenen einen Anspruch auf Schutz vor grenzwertüberschreitenden Feinstaubemissionen und auf effektive Durchsetzung dieses Rechts. In welcher Weise der Drittbetroffene sein Recht wahrnehmen kann, überlässt das EU-Gemeinschaftsrecht der verfahrensautonomen Regelung des jeweiligen Mitgliedstaats der EU. Allerdings werfen die einschlägigen Vorschriften des EU-Gemeinschaftsrechts Auslegungszweifel auf. Deshalb sieht sich das Bundesverwaltungsgericht gehalten gemäß Art. 234 des EG-Vertrags eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.
Az.: II/2 70-11 qu/ko