Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 737/2016 vom 17.10.2016

Bundesverwaltungsgericht zum Schutz vor gewerblichen Abfallsammlungen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte bereits mit Urteil vom 30.06.2016 (Az. 7 C 4.15) dazu entschieden, wann eine wesentliche Beeinträchtigung der kommunalen Abfallentsorgung einer Gemeinde durch gewerbliche Abfallsammlungen angenommen werden kann mit der Folge, dass eine gewerbliche Sammlung untersagt werden kann. Inzwischen liegen die Urteilsgründe des BVerwG vor.

Nach dem BVerwG kann eine gewerbliche Abfallsammlung nicht bereits dann untersagt werden, wenn das Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) erfüllt ist. Danach ist eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Abfallerfassungssystems der Gemeinde anzunehmen, wenn diese für eine bestimmte Abfallfraktion bereits ein Erfassungssystem im Rahmen ihrer kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung eingeführt hat.

Bei diesem Regelbeispiel in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KrWG handelt es sich — so das BVerwG — unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Rechts lediglich um eine widerlegliche Vermutung. Dieses bedeutet, dass eine gewerbliche Abfallsammlung von nicht gefährlichen Abfällen zur Verwertung nicht bereits automatisch dann unzulässig ist, wenn eine Gemeinde für die in Rede stehende Abfallfraktion (z. B. für Altpapier, Bioabfälle, Alttextilien) bereits ein Erfassungssystem aufgebaut hat.

Gleichwohl weist das BVerwG ausdrücklich darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber zur Vermeidung eines „Rosinenpickens“ zu Lasten des öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungssystems der Städte und Gemeinden berechtigt ist, deren hochwertige Erfassungs- und Verwertungssysteme zu schützen. Die Kernfrage ist dabei — so das BVerwG - ob durch den Marktzutritt von gewerblichen Sammlern die Grundstruktur der öffentlich-rechtlichen Entsorgung beeinträchtigt wird.

Bei der Abschätzung der Folgen von gewerblichen Sammlungen für das öffentlich-rechtliche Erfassungssystem der Gemeinden sind dabei nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG nach dem BVerwG alle Sammlungen (auch die gemeinnützigen Sammlungen) auf dem Gebiet des jeweiligen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu betrachten und nicht nur die konkrete, einzelne in Rede stehende gewerbliche Sammlung. Sodann sind die gewerblichen und gemeinnützigen Sammelmengen den tatsächlichen Sammelmengen bzw. den auf der Grundlage konkreter Planungen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 3 Satz 4 am Ende KrWG) zu erwartenden Sammelmengen gegenüber zu stellen. Aufbauend darauf sind dann die Rückgänge bzw. die verminderten Steigerungspotenziale zu prognostizieren und zu bewerten.

Nach dem BVerwG liegt die „Irrelevanz-Schwelle“ bei circa 10 bis 15 Prozent, d. h. werden durch gewerbliche und gemeinnützige Sammlungen lediglich 10 bis 15 Prozent der Sammelmengen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entzogen, so liegt keine wesentliche Beeinträchtigung des öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungssystems vor. Weiterer Betrachtungsstufen bedarf es nach dem BVerwG allerdings nicht. Insoweit folgt das BVerwG ausdrücklich nicht dem OVG NRW (Urteile vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 318/14 und 20 A 319/14 und vom 21.09.2015 - Az.: 20 A 2021/14).

In diesen Urteilen hatte das OVG NRW entschieden, dass erst ab 50 Prozent definitiv eine wesentliche Beeinträchtigung des öffentlich-rechtlichen Erfassungssystems angenommen werden kann und in der Spanne von 10 bis 50 Prozent im Wege einer weiteren Einzelfallbeurteilung eine wesentliche Beeinträchtigung durch die Gemeinde plausibel gemacht werden musste. Das BVerwG geht hingegen davon aus, dass eine wesentliche Beeinträchtigung ab einem Überschreiten der „Irrelevanz-Schwelle“ von 10 bis 15 Prozent grundsätzlich angenommen werden kann.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin, dass eine Stadt bzw. Gemeinde darauf achten sollte, dem gebührenpflichtigen Anschlussnehmern an die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung ein möglichst hochwertiges Erfassungs- und Verwertungssystem anzubieten, um damit Einfallstore für gewerbliche Sammler zu schließen (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 30.06.2016 - Az. 7 C 4.15 - ; OVG NRW, Urteil vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 318/14 - , OVG NRW, Urteil vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 319/14 - ; OVG NRW, Urteil vom 21.09.2015 - Az.: 20 A 2021/14).

Jedenfalls ist nach dem OVG NRW (Beschluss vom 15.08.2013 — Az.: 20 A 2798/11 und 20 A 3033/11 und 20 A 3033/11) eine Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger dann nicht schutzwürdig, wenn sie das „Feld“ den gewerblichen Sammlern überlässt oder kein hochwertiges Erfassungssystem anbietet (so: OVG NRW, Urteil vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 318/14 - , OVG NRW, Urteil vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 319/14).

Vor diesem Hintergrund sollte eine Gemeinde auch darauf achten, dass ein hochwertiges Erfassungssystem für Sperrmüll angeboten wird. Sperrmüll sollte an der Grundstücksgrenze entweder in einem festen Abfuhrturnus oder nach Anmeldung in einem überschaubaren Zeitraum abgefahren werden, d. h. eine Sperrmüllentsorgung sollte nicht nur einmal im Jahr erfolgen, weil damit gewissermaßen gewerblichen Sammlern wiederum „ das Feld überlassen wird“.

In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das BVerwG demnächst dazu entscheiden wird, ob Sperrmüll im Rahmen von gewerblichen Sammlungen überhaupt erfasst werden darf. Das OVG NRW (Urteil vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 318/14 - , OVG NRW, Urteil vom 26.01.2016 — Az.: 20 A 319/14 -) hat diese Frage zwar verneint. Das OVG Sachsen (Beschluss vom 18.02.2015 — Az.: 4 B 53/14) hat dagegen entschieden, dass gewerbliche Sperrmüllsammlungen zulässig sein sollen. Nunmehr muss das BVerwG entscheiden, ob gewerbliche Sperrmüllsammlungen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG unzulässig sind oder nicht.

Wird dem gebührenpflichtigen Benutzer der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung ein hochwertiges Abfallentsorgungssystem angeboten, so wird er keine Veranlassung dafür haben, gewerbliche Abfallsammlungen zu benutzen. Unabhängig davon muss auch darauf geachtet werden, dass wegen der hohen Fixkosten im Bereich der öffentlichen Abfallentsorgung es wesentlich zur Stabilität der Abfallgebühren beiträgt, wenn die Gemeinde durch ihre Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Abfallerfassungssystems dafür Sorge trägt, dass ihr die Abfälle in Erfüllung der Abfallüberlassungspflicht (§ 17 Abs. 1 KrWG) angedient werden. Hinzu kommt, dass durch die Sammlung von erlösträchtigen Abfällen zur Verwertung die Möglichkeit besteht, mit den Erlösen, einen Teil der Kosten der Abfallentsorgung zu refinanzieren. Damit wird zugleich der Gebührenbedarf gesenkt und die Höhe der Abfallgebühr kann begrenzt werden.

Az.: 25.0.2.1 qu

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