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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 558/2001 vom 05.09.2001
Bundesverwaltungsgericht zur Aufgabe der militärischen Nutzung
Eine für militärische Zwecke im Außenbereich errichtete bauliche Anlage genießt nach der endgültigen Aufgabe der Nutzung keinen Bestandsschutz. Das gilt auch, wenn die Anlage auf Grund einer Zustimmung gemäß § 37 BauGB oder eines die Zustimmung ersetzenden Verfahrens nach § 1 Abs. 2 des Landbeschaffungsgesetzes errichtet worden ist.
Aus Bundesrecht ergibt sich nicht, daß die Rechtmäßigkeit einer bauaufsichtlichen Beseitigungsanordnung bei ehemals militärisch genutzten Anlagen - auch im Hinblick auf die Ermessensausübung - nach anderen Regeln und Grundsätzen zu beurteilen ist als bei sonstigen baulichen Anlagen, deren Nutzung endgültig aufgegeben worden ist. Der ursprünglich öffentliche Nutzungszweck wirkt nicht über die Beendigung der Nutzung fort.
BVerwG, Beschluß vom 21. November 2000 - 4 B 36.00
Aus den Gründen:
I. Die klagende Bundesrepublik Deutschland pachtete im Jahre 1967 in einem Waldgelände bei G. vom Land Niedersachsen das Flurstück 5/2 der Gemarkung Z. und stellte es den französischen Streitkräften zur Verfügung. Diese errichteten auf dem Außenbereichsgrundstück, das in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, eine Nachrichtenstation mit zahlreichen Bauten, u. a. einen 60 m hohen Fernmeldeturm. Wegen Wegfalls des militärischen Bedarfs gaben die französischen Streitkräfte die Liegenschaft einschließlich sämtlicher Baulichkeiten 1993 an die Klägerin zurück. Mit der streitgegenständlichen Verfügung gab der beklagte Landkreis der Klägerin auf, sämtliche baulichen Anlagen zu beseitigen. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wurde in beiden Instanzen mit der Begründung abgewiesen, die baulichen Anlagen seien formell und materiell baurechtswidrig. Letzteres ergebe sich auf Grund der eingetretenen Entprivilegierung nach endgültiger Nutzungsaufgabe. Dagegen richtet sich die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin.
II. Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
... Wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - (BVerwGE 47, 185) zutreffend ausgeführt hat, geht der Bestandsschutz einer baulichen Anlage mit der endgültigen Aufgabe ihrer Nutzung verloren; denn für den Bestandsschutz ist kennzeichnend, daß er die bauliche Anlage nur in ihrer jeweiligen Funktion deckt. Dementsprechend führt beispielsweise der Verlust der Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 BauGB nach ständiger Rechtsprechung zum Verlust des Bestandsschutzes der baulichen Anlage; eine Jagdhütte wird nach Beendigung des Jagdpachtvertrags, sofern sie nicht vom neuen Jagdpächter übernommen wird, materiell illegal (BVerwG, Beschluß vom 21. Juni 1994 - BVerwG 4 B 108.94 - BRS 56 Nr. 76). Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerde hat sich diese Rechtslage im Grundsatz auch nicht durch § 35 Abs. 4 BauGB verändert. Die Vorschrift geht vielmehr gerade davon aus, daß eine Nutzungs- oder Funktionsänderung von baulichen Anlagen im Außenbereich regelmäßig deren Fortbestand gefährdet, weil jedenfalls die bisherige baurechtliche Rechtsgrundlage mit der Änderung entfällt. Indem § 35 Abs. 4 BauGB bestimmte Nutzungs- und bauliche Änderungen unter erleichterten Voraussetzungen für zulässig erklärt, vergrößert er lediglich die rechtlichen Möglichkeiten, eine unzulässig gewordene bauliche Nutzung durch ein anderes zulässiges Vorhaben zu ersetzen.
Diese Grundsätze gelten auch für militärische Anlagen. Allein der Umstand, daß es hier um bauliche Anlagen geht, die ausschließlich für öffentliche Zwecke errichtet wurden, kann eine abweichende Behandlung nicht rechtfertigen. Das Gesetz knüpft die Privilegierung nach § 37 BBauG/BauGB und damit die "Legalisierungswirkung" einer Zustimmung oder des sie ersetzenden Verfahrens nach § 1 Abs. 2 LBG ausdrücklich an die "besondere öffentliche Zweckbestimmung"; weder dem Baugesetzbuch (bzw früher dem Bundesbaugesetz) noch anderen Gesetzen, etwa dem Landbeschaffungsgesetz oder dem Wertausgleichsgesetz, läßt sich entnehmen, daß solche Vorhaben nach Wegfall der besonderen Zweckbestimmung anders als sonstigeVorhaben zu behandeln wären.
Ob die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung einer ehemaligen militärischen Anlage verlangen darf, hängt allerdings von weiteren Voraussetzungen ab. So wäre eine Beseitigungsanordnung beispielsweise rechtswidrig, wenn die Anlage einer neuen, planungsrechtlich zulässigen Nutzung zugeführt wird; im vorliegenden Fall macht dies aber die Klägerin selbst nicht geltend. Der Erlaß einer Beseitigungsanordnung steht ferner nach dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht im pflichtgemäßen Ermessen derAufsichtsbehörde. Wenn bisher z. B. noch niemand auf den Gedanken verfallen ist, von der klagenden Bundesrepublik Deutschland die Beseitigung der Bunkeranlagen des ehemaligen Westwalls zu verlangen, wie die Beschwerde vorträgt, so dürfte dies nicht an der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Bunkeranlagen liegen, sondern möglicherweise daran, daß das Verlangen, sie (vollständig) zu beseitigen, ohne Hinzutreten weiterer Umstände unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft sein könnte. Hinsichtlich der hier streitigen Beseitigungsanordnung hat das Berufungsgericht allerdings das Vorliegen eines Ermessensfehlers verneint.
Az.: II/1 620-01