Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 264/2006 vom 16.03.2006

Bundesverwaltungsgericht zur Mindestgebühr

Die Erhebung einer Mindestgebühr führt nach dem BVerwG (Urteil vom 01.12.2005 - Az.: 10 C 4/04 - ) nicht dazu, dass ein gewerblicher Abfallbesitzer/-erzeuger angehalten wird, seiner vorrangigen Pflicht zur Abfallverwertung (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG) nicht nachzukommen. Vielmehr fördert eine Mindestgebühr mit ihrer Lenkungswirkung lediglich die ordnungsgemäße Erfüllung der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 KrW-/AbfG, wenn sie sich an der untersten Grenze dessen bewegt, was an durchschnittlichem Abfallaufkommen erfahrungsgemäß erwartet werden kann. Das Risiko, dass es in Ausnutzung eines überschüssigen Volumens der Pflicht-Restmülltonne in Einzelfällen zu „Fehlwürfen“ kommt, ist nach dem BVerwG hierdurch zwar nicht ausgeschlossen. Die Gebührenerhebung für eine Pflicht-Restmülltonne kann aber nach dem BVerwG nicht daran scheitern, dass bei der Nutzung dieses Entsorgungswegs rechtswidriges Fehlverhalten der Abfallerzeuger/-besitzer denkbar ist. Ein Anreiz zu einem solchen Fehlverhalten ist unerwünscht und dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger als Satzungsgeber nicht zuzurechnen. Schließlich kann der gewerbliche Abfallerzeuger/-besitzer – so das BVerwG - im Hinblick auf die Behälterbenutzungspflicht nach § 7 Satz 4 GewAbfV den Gegenbeweis führen, dass bei ihm – auch bei Einhaltung der Trennungspflichten nach der GewAbfV - kein überlassungspflichtiger Abfall zur Beseitigung anfällt, so dass er seiner vorrangigen Pflicht zur Abfallverwertung im vollem Umfang gerecht werden und nachkommen kann.

Die Erhebung einer Mindestgebühr von einem gewerblichen Abfallerzeuger/-besitzer für eine Pflicht-Restmülltonne verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Leistungsproportionalität. Dieser Grundsatz, der auch als Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit bezeichnet wird, ist nach dem BVerwG eine landesrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der in Art. 3 Abs. 1 GG geregelt ist. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt jedoch nach dem BVerwG kein striktes Gebot der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbiete auch insoweit eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung nur, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt sei. Verfassungsrechtlich geboten sei es nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen genau Rechnung getragen werde, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe.

Die Gebühr setzt nach dem BVerwG als zwingendes Merkmal auch nicht voraus, dass der Gebührenschuldner aus der öffentlichen Leistung tatsächlich einen als proportional einzustufenden Nutzen zieht. Zum einen genügt die Anknüpfung an die Gegenleistungsfunktion der Gebühr für eine begriffliche Abgrenzung zur Steuer. Zum anderen reicht nach dem BVerwG ein individualisierter Zurechnungsgrund etwa die Veranlassung der öffentlichen Leistung aus. Eine derartige Veranlassung sei bei einer Pflicht-Restmülltonne, die dem Gebührenschuldner zur Verfügung gestellt worden sei, auch dann anzunehmen, wenn dieser die Pflicht-Restmülltonne unter Verstoß gegen die abfallrechtliche Behälterbenutzungs-Pflicht nicht nutze. Schließlich werden nach dem BVerwG auch die Grenzen zwischen „Gebühr“ und „Beitrag“ durch eine Mindestgebühr nicht verletzt. Richtig sei, dass der Beitrag dadurch gekennzeichnet sei, dass mit ihm im Unterschied zur Gebühr nicht die tatsächliche Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung ausgeglichen werden solle, sondern der Vorteil, der durch die Möglichkeit der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung vermittelt werde, so dass Beiträge für die mögliche Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben würden. Wenn das Landesrecht aber gewissermaßen eine Abgabe – wie hier die Mindestgebühr – als Mischform zwischen Gebühr und Beitrag zulasse, so kann nach dem BVerwG dem Bundesrecht gleichwohl ein „Reinheitsgebot“ oder ein „Typenzwang“ nicht entnommen werden, zumal der Begriff der „Gebühr“ und der Begriff des „Beitrags“ bundesrechtlich nicht vorgegeben sei. Letzten Endes kann dieses nach dem BVerwG auch dahin gestellt bleiben, weil allein der Umstand, dass der Abgabenschuldner die Inanspruchnahme einer ihm angebotenen öffentlichen Leistung rechtswidrig verweigert aus bundesrechtlicher Sicht ungeeignet ist, einer als Benutzungsgebühr konzipierten Abgabe ihren Gebührencharakter zu nehmen.

Die Erhebung einer jährlichen Mindestgebühr von 114 DM für eine 60 l Pflicht-Restmülltonne stellt nach dem BVerwG auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gestattet es dem Gebührengesetzgeber nicht, ungleiche Sachverhalte in einer Gebührenklasse gleichmachend zusammenzufassen. Allerdings ist er bei der Bestimmung der Merkmale, nach denen die Sachverhalte im Wesentlichen gleich anzusehen sind, innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit frei. Die Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die unterlassene Differenzierung nicht mehr erkennbar ist.

Vor diesem Hintergrund steht nach dem BVerwG der Nachteil, der dem Gebührenschuldner entsteht, wenn er unter Verstoß gegen den Anschluss- und Benutzungszwang einen ihm zur Verfügung gestellten Abfallbehälter nicht nutzt, mit dem legitim verfolgten Zweck der Gebührenerhebung im Einklang. Denn mit der undifferenzierten Gebührenerhebung solle hinsichtlich des gewerblichen Siedlungsabfalls ein Anreiz erzeugt werden, der abfallrechtlichen Abfallüberlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG und § 7 der GewAbfV nachzukommen. Dieses Ziel würde vereitelt, wenn ein Verhalten des Abfallerzeugers, mit dem er die Abfallüberlassungspflicht rechtwidrig umgeht, mit einer Gebührenbefreiung oder auch nur mit einer Gebührenermäßigung belohnt würde. Schließlich sei nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz ( OVG Koblenz, Urteil vom 15.3.2004 – Az.: OVG 12 A 11962/03) eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes deshalb abgelehnt habe, weil anderenfalls diejenigen Gebührenschuldner, die ihrer gesetzlich geregelten Abfallüberlassungspflicht Folge leisten, schlechter gestellt würden als diejenigen, die ihrer Abfallüberlassungspflicht rechtswidrig nicht nachkommen würden.

In diesem Zusammenhang erkennt das BVerwG ausdrücklich an, dass bei einer Müllabfuhr das unterschiedliche Nutzerverhalten, das bis hin zur Nichtnutzung reichen kann, es immer erschwert, ein unter dem Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit optimales Gebührenmodell zu entwickeln. Da derjenige aber, der den ihm zur Verfügung gestellten Abfallbehälter nicht füllt, immerhin die Vorhalteleistung der Müllabfuhr ganzjährig uneingeschränkt in Anspruch nimmt, und der regelmäßige Abholdienst den Wert der Leistung bestimmt, weil er garantiert, dass der Abfallerzeuger/-besitzer sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen kann, ist nach dem BVerwG eine Sonderregelung, die zu einer Gebührenermäßigung führt, wenn und solange die Nutzungsintensität im Einzelfall atypisch gering ausfällt, vom Gleichbehandlungsgrundsatz nicht geboten. In diesem Zusammenhang billigt das BVerwG für die Müllabfuhrgebühr einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu, der allenfalls einen sehr lockeren Bezug zu der tatsächlichen Benutzung der Abfallgefäße aufweist. Zumindest bei einer Mindestgebühr, die sich bei der Entsorgung gewerblicher Siedlungsabfälle am Abfallvolumen eines Kleinhaushaltes orientiert, ist nach dem BVerwG eine weitere Differenzierung des Gebührenmaßstabs im Interesse der angezeigten Belastungsgleichheit nicht zwingend zu fordern, weil hier bereits die Sachgerechtigkeit der einheitlichen Gebühr durch ihren Bagatellcharakter gewährleistet wird.

Az.: II/2 31-02 qu/g

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