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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 230/2015 vom 30.03.2015
Bundesverwaltungsgericht zur Miterfassung von Altpapier
Seit der Einführung des Dualen Systems zur Erfassung und Verwertung von gebrauchten Einweg-Verkaufsverpackungen auf der Grundlage der Verpackungsverordnung (VerpackV) im Jahr 1991 werden die Einweg-Verkaufsverpackungen aus Papier/Pappe/Karton (sog. PPK-Fraktion) gemeinsam mit dem sonstigen Altpapier (u.a. Zeitungen, Zeitschriften, Werbeprospekte, Schreibpapier) in der kommunalen Altpapiertonne erfasst.
Dieses gemeinsame Erfassung erfolgt unter anderem deshalb, weil die Städte, Gemeinden und Kreise für die Erfassung des Altpapiers, welches keine Einweg-Verkaufsverpackungen sind (u.a. Zeitungen, Zeitschriften, Werbeprospekte, Schreibpapier), abfallentsorgungspflichtig sind (§ 20 Abs. 1 KrWG i.V.m. § 5 Abs. 2 und Abs. 6 LAbfG NRW) und eine einheitliche Erfassung für die Bürgerinnen und Bürger unter anderem den großen Vorteil hat, dass z.B. nur ein Altpapier-Abfallgefäß für die gesamte Altpapier-Fraktion auf einem Grundstück aufgestellt werden muss.
Rechtsgrundlage für diese gemeinsame Erfassung war zuletzt § 6 Abs. 4 Satz 5 der Verpackungsverordnung 2008. Nach dieser Regelung konnten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (in NRW: Stadt, Gemeinde, Kreis) die Mitbenutzung ihrer öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtungen gegen ein angemessenes Entgelt verlangen.
Das BVerwG hat nunmehr mit Urteil vom 26.03.2015 (Az.: 7 C 17.12) entschieden, dass diese Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 5 der Verpackungsverordnung (VerpackV 2008) unwirksam ist (siehe hierzu: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 24/2015 — abrufbar unter www.bundesverwaltungsgericht.de). Im dem Gerichtsverfahren ging es darum, dass der Landkreis Böblingen festgestellt wissen wollte, dass das ein Systembetreiber nach § 6 Abs. 3 VerpackV (hier: die Duales System Deutschland GmbH) verpflichtet ist, für die Erfassung von Einweg-Verkaufsverpackungen aus Papier/Pappe/Karton (sog. PPK-Fraktion) die kommunale Altpapiertonne mitzubenutzen und hierfür ein angemessenes Entgelt entrichten muss.
Nach dem BVerwG ist die Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV 2008 aber unwirksam, weil sie dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit von Rechtsvorschriften nicht entspricht, welches in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankert ist. § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV soll dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch u.a. auf Entrichtung eines angemessenen Entgelts vermitteln und muss deshalb — so das BVerwG - den Bestimmtheitsanforderungen genügen, die für abgabenrechtliche Tatbestände — etwa Gebühren und Beiträge — gelten.
Diese müssen so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen kann. Dieses sei bei der Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV nicht der Fall, weil die Vorschrift keine Vorgaben enthält, wie das angemessene Entgelt zu bestimmen sei. Dieses führt nach dem BVerwG zur Nichtigkeit der gesamten Regelung, weil der geregelte Mitbenutzungsanspruch und der geregelte Entgeltanspruch untrennbar miteinander verbunden seien.
Die StGB NRW-Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin: Bislang liegt nur die Pressemitteilung Nr. 24/2015 des Bundesverwaltungsgerichts vor, so dass die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten sind. Die gemeinsame Erfassung des Altpapiers in den kommunalen Erfassungsverhältnissen (u.a. durch Altpapiertonnen, dezentrale aufgestellte Altpapier-Container) kann daher - rein praktisch gesehen - fortgesetzt werden, weil der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger durch den Einwurf der Einweg-Verkaufsverpackungen aus Papier/Pappe/Karton (z.B. Nudel-Karton, Pizza-Karton) nach der bislang ergangenen Rechtsprechung Eigentum an diesen erwirbt (so: OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.02.2015 — Az.: VI-U 16/14 - ; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.10.2014 — Az.: 12 U 28/14 — Vorinstanz: LG Ravensburg, Urteil vom 30.01.2014 — Az.: 4 O 260/12).
Deshalb kann der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auch die gesamte Altpapierfraktion einer Verwertung zuführen. Gleichwohl ergibt sich nach dem BVerwG insoweit kein Anspruch auf angemessenes Entgelt (Vergütung für die Miterfassung) aus § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV, weil diese Regelung unwirksam ist.
Zu beachten ist allerdings, dass die Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.02.2015 — Az.: VI-U 16/14 — Vorinstanz: LG Köln, Urteil vom 06.03.2014 — Az.: 8 O 65/13 ; VG Köln, Urteil vom 02.08.2012 — Az.: 13 K 3234/11 und) einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 670 BGB) anerkannt hat, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger Einweg-Verkaufsverpackungen aus Papier/Pappe/Karton in seinem öffentlichen (kommunalen) Erfassungssystem für einen privaten Systembetreiber nach § 6 Abs. 3 VerpackV mit erfasst.
Insbesondere hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 04.02.2015 — Az.: VI-U 16/14 — Rz. 21 der Urteilsgründe - abrufbar unter: www.nrwe.de) darauf hingewiesen, dass es ein in hohem Maße ungerechtes und unredliches Ergebnis wäre, wenn die (Mit)Erfassung der gebrauchten Einweg-Verkaufsverpackungen aus Papier/Pappe/Karton für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unentgeltlich bliebe.
Der Bundes-Verordnungsgeber ist aufgefordert, den vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Rechtsmangel alsbald zu beheben. Insgesamt sollte der Bundesgesetzgeber dabei prüfen, ob die Reglungen in der Verpackungsverordnung überhaupt noch zeitgemäß sind. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob es nicht zielführender ist, den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern die Organisationsverantwortung für die Erfassung von gebrauchten Einweg-Verpackungen insgesamt zurückzugeben.
Az.: II/2 32-01 qu-qu