Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 324/2011 vom 24.06.2011

Bundesverwaltungsgericht zur optischen Einwirkung von Windenergieanlagen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 23.12.2010 (4 B 36.10) zur Zulassung von Windenergieanlagen folgendes festgestellt:

1. Die Prüfung der optisch bedrängenden Wirkung einer Windenergieanlage erfordert stets eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

2. Allgemeine Erfahrungssätze, die keine Ausnahmen zulassen, sind einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich. Hiervon zu unterscheiden sind die nicht mit der Revision angreifbaren Erfahrungstatsachen.

3. Um eine Erfahrungstatsache handelt es sich, wenn ein Gericht eine optisch erdrückende Wirkung vermutet, wenn der Abstand das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage unterschreitet, dies aber der Einzelfallprüfung unterstellt.

Sachverhalt:

Ein Nachbar klagte gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von rund 150 m. Der Standort liegt ca. 270 m entfernt von seinem Wohnhaus, das mehrere zur Anlage hin ausgerichtete Fenster hat. Auf die Klage, mit der der Nachbar eine rücksichtslose optisch bedrängende Wirkung geltend machte, hob das Verwaltungsgericht die Genehmigung auf. Das OVG Nordrhein-Westfalen wies die Berufung des Vorhabensträgers zurück, da der Genehmigungsbescheid gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Bei der Prüfung eines solchen Verstoßes sei stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände erforderlich, wobei sich aber grobe Anhaltswerte anhand des Verhältnisses der Anlagengröße zum Abstand zum Nachbarn prognostizieren ließen. So sei eine optisch erdrückende Wirkung zu vermuten, wenn der Abstand das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage unterschreite. Der Abwehranspruch bestehe auch im Außenbereich. Gegen die Nichtzulassung der Revision erhob der Vorhabenträger Beschwerde.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das BVerwG weist die Beschwerde zurück, da die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht bestehe. Das OVG habe nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass eine Windenergieanlage mit einem Abstand zu einer Wohnnutzung, der weniger als das Doppelte ihrer Gesamthöhe betrage, regelmäßig gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Es sei vielmehr davon ausgegangen, dass die Prüfung der optisch bedrängenden Wirkung stets eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfordere, und habe eine solche durchgeführt. Es habe folglich auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz aufgestellt. Nur ein solcher sei aber einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich; er unterscheide sich von der hier gegebenen Erfahrungstatsache dadurch, dass er keine Ausnahme zulasse. Hinsichtlich der Frage, ob eine optisch bedrängende Wirkung auch im Außenbereich angenommen werden könne, führt das BVerwG aus, dass ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben gegenüber einer dort bereits ausgeübten, genehmigten Nutzung auch dann rücksichtslos sein könne, wenn diese ihrerseits keinen Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 BauGB für sich in Anspruch nehmen könne.

Praxishinweis

Das BVerwG bekräftigt die Rechtsprechung, wonach das Vielfache der Anlagengröße nur als Anhaltspunkt für erforderliche Abstände zwischen Windenergieanlagen und anderen Anlagen dienen können. Bestimmte Verhältnisse von Größe und Abstand werden auch dort als Daumenregel herangezogen, wo es um Einflüsse durch Windturbulenzen bei benachbarten Windparks geht. [Quelle: IBR 2011, 369]

Az.: II/1 620-50

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