Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 346/2023 vom 25.05.2023

Bundesverwaltungsgericht zur Verpackungssteuer

Mit Urteil vom 24.05.2023 (Az: 9 CN 1.22) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die kommunale Verpackungssteuer der Stadt Tübingen im Wesentlichen als rechtmäßig angesehen (vgl. hierzu die Pressemitteilung Nr. 40/2023 vom 24.05.2023, abrufbar unter: www.bundesverwaltungsgericht.de). Die Vorinstanz, der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg, hatte mit Urteil vom 29.03.2022 (Az: 2 S 3814/20) die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen noch als rechtswidrig und damit unzulässig verworfen.

Seit Januar 2022 gilt in Tübingen materialunabhängig eine Steuer auf Einwegverpackungen. Damit sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbildes durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackung verringert und ein Anreiz für Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck, sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares „Take-Away-Gericht“ oder "Getränk" verkauft werden. Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 Euro, für jedes Einwegbesteck (-set) 0,20 Euro. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf max. 1,50 Euro begrenzt.

Laut dem BVerwG handelt es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchssteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als Take-Away verkauften Speisen und Getränken sei der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum- und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebietes stattfinde. Damit sei zugleich - so das BVerwG - der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt. Die kommunale Verpackungssteuer stehe deshalb als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Diese bezwecke die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolge damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie die Europäische Union und der Bundesgesetzgeber. Die Abfallvermeidung stehe in der Abfallhierarchie an oberster Stelle, wie sich aus der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Einweg-Kunststoffrichtlinie, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG = Bundesabfallgesetz) und dem Verpackungsgesetz (VerpackG) ergebe. Erst danach folgten - so das BVerwG - in der 5-stufigen Abfallhierarchie (§ 6 Abs. 1 KrWG) die Vorbereitung zur Wiederverwendung, die Verwertung und die Beseitigung des Abfalls.

Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern, werden – so das BVerwG – durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen.

Soweit das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren seine gegenteilige Ansicht zur damaligen Verpackungssteuer in der Stadt Kassel fixiert habe (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 07.05.1998 – 2 B vE 1991/95 u.a.), soll diese Argumentationslinie - so das BVerwG - auf der Grundlage des heutigen Abfallrecht nicht mehr tragend sein.

Gleichzeitig weist das BVerwG in seiner Pressemitteilung Nr. 40/2023 darauf hin, dass die Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro pro „Einzelmahlzeit“ und dass der Stadtverwaltung ohne zeitliche Begrenzung gewährte Betretungsrecht im Rahmen der Steueraufsicht rechtswidrig sei. Diese punktuellen Verstöße lassen aber – so das Bundesverwaltungsgericht – die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt.

Die Geschäftsstelle kann zurzeit ergänzend nur auf Folgendes hinweisen:

Im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 07.05.1998 (Az: 2 BvR 199/95 u.a.) ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.05.2023 (Az. 9 CN 1.22) als überraschend anzusehen, denn das Bundesverfassungsgericht hat damals die kommunale Einwegverpackungssteuersatzung der Stadt Kassel für unzulässig erklärt. Insbesondere stand danach den Städten und Gemeinden kein kommunales, abfallrechtliches Nachbesserungsrecht zu, wenn entsprechende abfallrechtliche Bundesregelungen erlassen worden sind.

Hinzu kommt, dass seit dem 16.05.2023 das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) des Bundes grundsätzlich in Kraft getreten ist (BGBl. 2023 Nr. 124 vom 15.05.2023). Mit dem Einwegkunststofffondgesetz sollen die Hersteller von bestimmten Kunststoff-Einwegprodukten zukünftig ebenfalls an den Entsorgungskosten beteiligt werden. Die Einwegkunststoffabgabe soll ab dem 01.01.2024 von den Herstellern bestimmter Einwegkunststoffprodukte entrichtet werden und wird erstmals im Jahr 2025 für das Jahr 2024 von diesen zu zahlen sein. Die Einwegkunststoffabgabe soll auf der Grundlage des Entwurfes für eine Einwegkunststofffondsverordnung insbesondere für Lebensmittelbehälter, Tüten- und Folienverpackungen nicht bepfandete Getränkebehälter, bepfandete Getränkebehälter, Getränkebecher, leichte Kunststoff-Tragetaschen, Feuchttücher, Luftballons und Tabakprodukte mit Filtern und Filter für Tabakprodukte gelten.

Es wird seitens der Geschäftsstelle deshalb zurzeit davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht erneut angerufen wird. Deshalb kann zurzeit nur empfohlen werden, eine Einwegverpackungssteuer nicht einzuführen. Außerdem liegen die Urteilsgründe zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.05.2023 noch nicht vor. Sobald diese vorliegen, muss zunächst eine sorgfältige Auswertung erfolgen.

Außerdem ist zu beachten, dass gemäß § 2 Abs. 2 KAG NRW eine Satzung über eine kommunale Verpackungssteuer der Genehmigung des Kommunal- und des Finanzministeriums bedarf, wenn eine Steuer erstmalig erhoben oder erneut eingeführt werden soll.

Az.: 25.02.1-011/007

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