Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 663/2004 vom 18.08.2004

BVerfG zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds

Das Bundesverfassungsgericht hat die am 17. Dezember 1999 eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen die Einrichtung des gesetzlichen Klärschlamm-Entschädigungsfonds mit Beschluss vom 18. Mai 2004 (2 BvR 2374/99, veröffentlicht am 10. August 2004) als unbegründet zurückgewiesen.

Der gesetzliche Klärschlamm-Entschädigungs-Fonds beruht auf § 9 Düngemittelgesetz. Nach dieser Vorschrift wird ein gesetzlicher Entschädigungsfonds eingerichtet. Dieser hat die durch die landbauliche Verwertung von Klärschlämmen entstehenden Schäden an Personen und Sachen sowie sich daraus ergebende Folgeschäden zu ersetzen (§ 9 Abs. 1 Düngemittelgesetz). Die Beiträge zu diesem gesetzlichen Entschädigungs-Fonds sind von allen Herstellern von Klärschlämmen zu leisten, soweit diese den Klärschlamm zur landbaulichen Verwertung abgeben (§ 9 Abs. 2 Düngemittelgesetz). Auf der Grundlage des § 9 Abs. 3 Düngemittelgesetz ist mit der Klärschlamm-Entschädigungsfonds-Verordnung (KlärEV; BGBl. I 1998, S. 1048ff.) der gesetzliche Klärschlamm-Entschädigungsfonds ab dem 1.1.1999 gegründet worden. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung verwaltet den Klärschlamm-Entschädigungsfonds, führt dessen Geschäfte und vertritt ihn nach außen.

Die Beschwerdeführer hatten unter anderem geltend gemacht, dass § 9 Düngemittelgesetz gegen die Rechtsinstitute der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Durch den gesetzlich angeordneten Klärschlamm-Entschädigungsfonds habe der Gesetz- und Verordnungsgeber das berechtigte Vertrauen der Beschwerdeführer in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage enttäuscht. Sie hätten seit Jahren in den freiwilligen Klärschlammfonds eingezahlt und dadurch im Vertrauen auf den gesetzlichen Zustand Vermögensdispositionen getroffen, die durch den gesetzlichen Entschädigungsfonds entwertet würden. Das Bundesverfassungsgericht weist diese Rechtsauffassung ausdrücklich zurück. Bei § 9 Düngemittelgesetz und der Klärschlamm-Entschädigungsfondsverordnung handele es sich nicht um rückwirkende Rechtsvorschriften. Diese Rechtsvorschriften würde keine Anwendung auf Rechtsgeschäfte oder Lebenssachverhalte finden, die vor ihrem In-Kraft-Treten am 01. Januar 1999 liegen würden. Auch wirke der ab dem 1.1.1999 geltende gesetzliche Fonds nicht auf den Bestand der den freiwilligen Fonds begründenden privatrechtlichen Verträge ein. Vielmehr blieben diese unberührt. Darüber hinaus – so das Gericht weiter – habe der freiwillige Fonds keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der der Einrichtung eines öffentlich-rechtlich organisierten Fonds entgegenstehe. Die Gründung des freiwilligen Klärschlammfonds beruhe auf privatautonomer Grundlage und nicht auf speziellen Rechtsvorschriften, auf deren Fortbestand die Vertragsbeteiligten vertraut hätten.

Die Beschwerdeführer hatten weiterhin einen Verstoß gegen die Finanzverfassung geltend gemacht, weil die Beitragspflicht eine Sonderabgabe darstelle, die nicht den verfassungsrechtlichen Ansprüchen genüge. So würden die Beiträge materiell nicht die Klärschlammproduzenten bzw. -abgeber belasten, sondern die Abwassergebührenschuldner. Die kommunalen Beschwerdeführer seien gesetzlich gezwungen, kostendeckende Gebühren zu erheben, weshalb die Beiträge auf die Abwassergebührenpflichtigen umgelegt werden müssten. Auch dieser Rechtsauffassung folgte das Gericht nicht. Zwar handele es sich bei der als „Beitrag“ bezeichneten Abgabe zum gesetzlichen Klärschlamm-Entschädigungsfonds um eine Sonderabgabe, diese erfülle jedoch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen. Insbesondere sei es unerheblich, ob die Klärschlammabgeber letztlich auch wirtschaftliche Träger der Abgabe seien. Die marktabhängige Möglichkeit der Abgabenschuldner, die Abgabenlast durch Erhöhung der Abwassergebühren ganz oder teilweise wirtschaftlich abzuwälzen, verändere die maßgebliche Perspektive nicht. Sie habe auf die verfassungsrechtliche Voraussetzung der „Inanspruchnahme einer homogenen Gruppe“ (hier: Klärschlammabgeber) in der Regel keinen Einfluss.

Schließlich liegt nach dem Bundesverfassungsgericht auch kein unzulässiger Eingriff in das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) vor. Indem der Gesetzgeber dem überwiegend von Gemeinden getragenen freiwilligen Klärschlammfonds durch den gesetzlichen Klärschlamm-Entschädigungsfonds faktisch seine Funktion genommen habe, berühre er zwar nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und würde dann in das Recht der Gemeinden eingreifen, diese Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung – und nur dann liegt ein Verstoß gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG vor – wäre dadurch jedoch nicht berührt.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf folgendes hin:

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 18. Mai 2004 (2 BvR 2374/99) klargestellt, dass der freiwillige Klärschlammfonds und der gesetzliche Klärschlammfonds auch weiterhin nebeneinander bestehen bleiben. An der derzeit geltenden Rechts- und Sachlage wird sich nichts ändern. Insbesondere wird der freiwillige Klärschlammfonds nicht aufgelöst oder ist überflüssig. Dieses ist aus (haftungs-)rechtlichen Gründen nicht möglich, weil der gesetzliche Klärschlammentschädigungs-Fonds nach dem Bundesverfassungsgericht erst für Lebenssachverhalte ab dem 1.1.1999 (Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 9 Düngemittelgesetz und der Klärschlammentschädigungs-Verordnung) gilt. Der freiwillige Klärschlammfonds und der gesetzliche Klärschlamm-Entschädigungsfonds regeln somit unterschiedliche Tatbestände: So tritt der gesetzliche Fonds nur für Schäden ein, die ab dem 01. Januar 1999 entstanden sind. Eine Rückwirkung des gesetzlichen Fonds besteht nicht. Nur der freiwillige Klärschlammfonds ersetzt Schäden, deren Ursache vor dem 01. Januar 1999 gesetzt worden sind. Die durch den freiwilligen Fonds gesicherten Landwirte können in diesen Fällen nicht auf den gesetzlichen Klärschlammfonds verwiesen werden.

Es muss nunmehr davon ausgegangen werden, dass die von zahlreichen Städten und Gemeinden eingelegten Widersprüche im Hinblick auf ihre Beitragszahlungen an den gesetzlichen Klärschlamm-Entschädigungsfonds (§ 5 Klärschlamm-Entschädigungsfonds-Verordnung) zurückgewiesen werden, weil das Bundesverfassungsgericht die Einrichtung des gesetzlichen Klärschlamm-Entschädigungsfonds als verfassungsgemäß bestätigt hat. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich zunächst abzuwarten, wie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, welche den gesetzlichen Klärschlamm-Entschädigungs-Fonds verwaltet und dessen Geschäfte führt, reagieren wird.


Az.: Az.: II/2 24-091 qu/g

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