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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 284/2023 vom 24.04.2023
BVerwG zur Abwassergebühr
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 07.03.2023 (Az.: 9 B 15.22) das Beschwerdeverfahren gegen das Urteil des OVG NRW vom 17.05.2022 (Az.: 9 A 1019/20) eingestellt, weil die beklagte Stadt die angefochtenen Gebührenbescheide aufgehoben hat. Dadurch hat die beklagte Stadt – so das BVerwG - das erledigende Ereignis für das Beschwerdeverfahren herbeigeführt und die beklagte Stadt hat durch die Aufhebung der Bescheide zu erkennen gegeben, dass sie von der Rechtswidrigkeit der Bescheide ausgeht, so dass ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen waren.
Zugleich führt das BVerwG in seinem Beschluss aus, dass das Urteil des OVG NRW vom 17.05.2022 und das Urteil des VG Gelsenkirchen vom 13.02.2020 wirkungslos sind.
In der Folge hierzu kann zurzeit auf Folgendes hingewiesen werden:
Durch die Beendigung des Beschwerdeverfahrens vor dem BVerwG ändert sich für Gebührenbescheide - die das Jahr 2021 betreffen und die mit einem Widerspruch angegriffen worden sind – nichts. Dieses gilt jedenfalls dann, wenn die Abwassergebühren antizipiert erhoben werden, d. h. die Abwassergebühren zum 1.1 eines Kalenderjahres entstehen, denn die Änderung des KAG NRW gilt erst seit dem 15.12.2022 und der Rechtstandpunkt des OVG NRW für die Zeit davor bekannt ist (vgl. Queitsch KStZ 2023, S. 27 ff.). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Verwaltungsgerichte und in der Nachfolge das OVG NRW keine andere Entscheidung treffen werden, als am 17.05.2022 in dem Urteil des OVG NRW fixiert worden ist.
Wenn für das Jahr 2022 bei der Erhebung der Abwassergebühren mit Vorausleistungen gearbeitet wurde, muss im Jahr 2023 ein Endabrechnungsbescheid erlassen werden, welcher den endgültigen Gebührenbescheid für das Jahr 2022 darstellt. Für das Jahr 2022 kann sicherlich eine Anpassung der Gebührensätze auf der Grundlage der Vorgaben des OVG NRW in seinem Urteil vom 17.05.2022 erfolgen. Denkbar ist auch eine Neukalkulation auf der Grundlage des seit dem 15.12.2022 geänderten § 6 Abs. 2 KAG NRW. Wichtig ist, dass das Jahr 2022 vorbei ist und deshalb auf der Grundlage der gebührenrechtlichen Rechtsprechung nach tatsächlichen Ist-Kosten neu kalkuliert werden muss, weil es einer Kostenprognose nicht mehr bedarf. Ob dieses nach Ablauf des Jahres 2022 möglich ist, ist unklar und mit einem Prozessrisiko belegt. Fraglich ist insbesondere, ob der Gebührensatz bei der Erhebung von Vorausleistungen nur noch vor dem 31.12.2022 (Entstehung der Gebühr) geändert werden konnte (vgl. Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 KAG NRW Rz. 251). Insoweit hätte der Gebührensatz für das Jahr 2022 noch nach dem 15.12.2022 durch Ratsbeschluss vor dem 31.12.2022 noch geändert werden können. Das VG Magdeburg hat allerdings mit Urteil vom 19.09.2022 (Az. 7 A 660/20MD) anerkannt, dass eine Abfallgebührensatzung rückwirkend in Kraft gesetzt werden kann und dieses unbedenklich ist, wenn sich die gebührenerhebende Körperschaft im Vergleich zu der wirksamen Vorgängersatzung mit der neuen Satzung keine Mehreinnahmen verschaffen kann. Es ist allerdings zu beachten, dass sich das Urteil des VG Magdeburg auf den § 2 Abs. 2 KAG Land Sachsen-Anhalt (KAG-LSA) stützt. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA kann eine rückwirkende Satzung dann erlassen werden, wenn durch diese neue Satzung die Gesamtheit der Abgabenpflichtigen nicht ungünstiger gestellt wird als durch die ersetzte Vorgänger-Satzung. Eine entsprechende Regelung gibt es im KAG NRW nicht, so dass ein Prozessrisiko nicht ausgeschlossen werden kann.
Möglich ist auch, dass die Endabrechnung für das Jahr 2022 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt (§ 12 KAG NRW i. V. m. § 164 Abgabenordnung) und nach einer Neukalkulation auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten die Gebührenbescheide für das Jahr 2022 noch einmal korrigiert werden. Dieses bedeutet aber auch einen zusätzlichen Personal- und Sachaufwand, so dass alternativ auch erst dann die Endabrechnung vorgenommen werden kann, wenn die Neukalkulation auf der Grundlage der Ist-Kosten durchgeführt worden und der Gebührensatz angepasst worden ist. Welcher Weg beschritten wird, ist vor Ort zu entscheiden, wobei insgesamt Prozessrisken nicht ausgeschlossen werden können, weil NRW-Rechtsprechung hierzu nicht existiert.
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW (MHKBD NRW) hat in seinem Schreiben vom 08.12.2022 anlässlich der Änderung des § 6 Abs. 2 KAG NRW jedenfalls dargestellt, dass ab dem 15.12.2022 (Inkrafttreten des geänderten § 6 KAG NRW) eine gesicherte örtliche Beschlussfassung für die Gebührensätze bezogen auf das Jahr 2023 möglich ist. Vor dem 15.12.2022 galt zwar die alte Rechtslage. Wurde unter Bezugnahme auf das neue Gesetz ein Beschluss gefasst, liegt nach dem Inkrafttreten der Satzung (01.01.2023) laut dem MHKBD NRW hierfür jedenfalls die Rechtsgrundlage (ab dem 15.12.2022) dafür vor, so dass keine unzulässige Rückwirkung vorliegt. Eine Abrechnung von Vorausleistungen für das Jahr 2022 im Frühjahr 2023 auf der Grundlage des neuen § 6 Abs. 2 KAG NRW stellt laut dem MHKBG NRW einen Fall der zulässigen tatbestandlichen Rückanknüpfung dar. Es ist allerdings als offen anzusehen, wie die Verwaltungsgerichte hierzu zukünftig entscheiden werden.
Bestandskräftige Gebührenbescheide müssen nicht aufgehoben werden, weil gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b KAG NRW i. V. m. § 130 Abs. 1 Abgabenordnung im Rahmen einer Ermessensausübung dem Prinzip der Bestandkraft eines Verwaltungsaktes der Vorrang vor dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit gegeben werden kann (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.05.2022 – 9 E 117/20 –; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2020 – 15 A 734/19 – zum Erschließungsbeitrag). § 130 Abs. 1 AO dient nicht dazu, die Folgen eines nicht eingelegten Widerspruchs auszugleichen (so: OVG NRW, Beschluss vom 20.05.2022 – 9 E 117/20 – ; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2020 – 15 A 734/19 - Rz. 25 der Beschlussgründe).
Az.: 24.1.2.1 qu