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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 110/2020 vom 07.01.2020
BVerwG zur Klagebefugnis von Umweltschutzvereinigungen
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19.12.2019 (Az.: BVerwG 7 C 28.18) entschieden, dass Umweltschutzvereinigungen befugt sind, immissionsschutzrechtliche Entscheidungen, mit denen die Frist zur Errichtung oder der Inbetriebnahme einer Anlage verlängert wird, vor Gericht anzufechten. Im zugrunde liegende Sachverhalt ging es um die Erweiterung einer Hähnchenmastanlage.
Die klagende Umweltschutzvereinigung hat sich im vorliegend gegen die Erweiterung einer Hähnchenmastanlage von 39 900 auf 173 200 Tierplätze gewandt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Genehmigung wegen fehlender FFH-Verträglichkeitsprüfung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Die Beigeladene bemüht sich gegenwärtig um die Nachholung dieser Prüfung. In dem Genehmigungsbescheid war eine Frist zur Inbetriebnahme der Anlage bis Anfang 2016 gesetzt worden.
Diese Frist ist zweimal verlängert worden, zuletzt bis zum 31. Januar 2020. Gegen diese zweite Fristverlängerung wendete sich der Kläger im hiesigen Verfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte indes Erfolg. Die Klagebefugnis ergibt sich vorliegend aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes. Diese Norm ist nach Auffassung des BVerwG weit auszulegen, sodass sie soweit wie möglich in Einklang mit den Zielen der Aarhus-Konvention steht, die u.a. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet haben.
Nach deren Art. 9 Abs. 3 ist Umweltschutzvereinigungen Zugang zu Gericht zu einzuräumen, um die Verletzung umweltschutzbezogener Vorschriften geltend machen zu können. Da die Voraussetzungen für die hier umstrittene Verlängerungsentscheidung nicht bloß formeller Natur waren, sondern hierbei überschlägig auch umweltschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten sind, wird diese von der genannten Klagemöglichkeit erfasst. Da das Oberverwaltungsgericht die Begründetheit der Klage noch nicht geprüft hat, war die Sache dorthin zurückzuverweisen.
Anmerkungen aus kommunaler Sicht
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verdeutlicht, dass Umweltschutzvereinigungen weiterhin ein umfassendes Klagerecht zusteht. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) ermöglicht es anerkannten Umweltvereinigungen, Fehler bei der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verstöße gegen sonstige umweltbezogene Vorschriften auch ohne Betroffenheit in eigenen Rechten geltend zu machen. Zudem ermöglicht es auch klagebefugten Dritten, die Verletzung umweltbezogener Vorschriften zu rügen. Das UmwRG hat seit seiner Verabschiedung im Jahre 2006 mehrere große Novellierungen erfahren – zuletzt im Sommer 2017. Mit dieser Novellierung wurden europa- und völkerrechtliche Vorgaben umgesetzt und dabei der Anwendungsbereich nochmals wesentlich erweitert. Im Zuge dessen wurde die sogenannte materielle Präklusion abgeschafft und stattdessen eine Missbrauchsklausel eingeführt.
Angesichts der großen Zahl der in Deutschland anstehenden dringend erforderlichen Infrastrukturprojekte ist eine Beschleunigung von Planungsverfahren allerdings unabdingbar. Die Wiedereinführung der Präklusion könnte für die Beschleunigung von Planungen von Infrastrukturvorhaben einen wesentlichen Beitrag leisten. Daher sollte der Rechtsrahmen dergestalt angepasst werden, dass die materielle Präklusion und die Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs auf unmittelbar umweltbezogene Rechtsvorschriften wieder umfassend in das UmwRG aufgenommen wird.
Az.: 23.0.16-002/001 gr