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StGB NRW-Mitteilung 409/2021 vom 29.07.2021
Corona: Auswirkungen im Friedhofsbereich IX
Die Entwicklung der COVID-19-Pandemie zeichnet aktuell ein heterogenes Bild: Einerseits hat die – inzwischen bis auf weiteres außer Kraft getretene – bundeseinheitliche „Corona-Notbremse“ aus § 28b des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – InfG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 28.05.2021 – abrufbar unter https://is.gd/3k3OfU – flächendeckend zu einer erheblichen Absenkung der Inzidenzwerte geführt. Andererseits sind die Inzidenzwerte über mehrere Wochen hinweg kontinuierlich wieder angestiegen. Angesichts des Fortschritts der Impfkampagne stellt sich allerdings zunehmend die Frage, inwieweit die Inzidenzwerte für sich genommen Grundrechtseingriffe noch zu rechtfertigen vermögen. Das pandemiebezogene Verordnungsrecht der Länder, welches in Nordrhein-Westfalen durch das Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS NRW) fortlaufend aktualisiert wird, soll die widerstreitenden Interessen weiterhin zu einem angemessenen Ausgleich bringen. Die „Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO)“ liegt aktuell in der ab dem 30.07.2021 gültigen Fassung – abrufbar unter https://is.gd/usMo0f – vor, die zunächst bis zum 19.08.2021 einschließlich gilt. Aufgrund der Geltung unterschiedlicher Regelungen je nach sogenannter Inzidenzstufe ist es nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten; eine Übersicht über die jeweils geltenden Verordnungsregelungen ist abrufbar unter https://www.kommunen.nrw/mitgliederbereich/fachinfoservice/fachgebiete/schule-kultur-und-sport/kategorie/friedhofswesen.html.
Vor diesem Hintergrund sieht die Geschäftsstelle des StGB NRW im Einvernehmen mit der Geschäftsstelle des Bestatterverbandes NRW Veranlassung zu einer weiteren Aktualisierung der ausgesprochenen Empfehlungen zur Eindämmung der weiteren Verbreitung der COVID-19-Pandemie im Friedhofsbereich. Daher werden die zuletzt vorausgegangenen Empfehlungen in der Mitteilung vom 30.04.2021 (Mitteilungsnotiz VIII) – abrufbar unter https://is.gd/IeswJK – insgesamt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
- Sofern die Möglichkeit besteht, dass die verstorbene Person selbst mit SARS-CoV-2 infiziert gewesen sein könnte, sind zwingend die Vorgaben in § 7 Abs. 3 BestG NRW zu beachten: Die untere Gesundheitsbehörde ordnet im Rahmen der Leichenschau Schutzvorkehrungen an, die vor Ort umzusetzen sind. Die aktuellen Merkblätter des Robert Koch-Instituts (RKI) – abrufbar unter https://is.gd/4RrQkl – betreffend den „Umgang mit SARS-CoV-2-infizierten Verstorbenen“ (Stand: 03.03.2021) beanspruchen weiterhin Geltung. Es wird darauf hingewiesen, dass nach den dort enthaltenen Ausführungen eine Erdbestattung möglich ist; die Verwendung von Leichenhüllen aus Kunststoff („Bodybags“) wird dort demgegenüber nicht vorgegeben. Nach Mitteilung des MAGS NRW vom 26.04.2021 sollen in Nordrhein-Westfalen keine „Bodybags“ mehr verwendet werden. Die beteiligten Geschäftsstellen empfehlen, dementsprechend zu verfahren.
- Es wird weiterhin empfohlen, Anträgen auf Verlängerung der Beisetzungsfrist für Totenasche nach § 13 Abs. 3 S. 3 BestG NRW zunächst für die Zeit bis zum 31.12.2021 großzügig zu entsprechen; die Aschekapsel sollte solange im unmittelbaren Besitz des Friedhofsträgers oder des Bestattungsunternehmens verbleiben.
- Die Nutzung von Räumlichkeiten auf den Friedhöfen (Trauerhallen) oder bei den Bestattungsunternehmen zum Zwecke der Durchführung einer Trauerfeier ist bis auf weiteres nicht ausdrücklich verboten und folglich erlaubt. Anders als in vorausgegangenen Fassungen existiert im Verordnungsrecht nunmehr auch für Räumlichkeiten bei den Bestattungsunternehmen keine flächenbezogenen Nutzungseinschränkungen mehr, da § 18 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 CoronaSchVO „Bestattungen einschließlich der vorangehenden Trauerfeier“ ohne weitere Einschränkung auch auf der höchsten Inzidenzstufe 3 zulässt; für Räumlichkeiten auf den Friedhöfen sind flächenbezogene Nutzungseinschränkungen ohnehin zu keinem Zeitpunkt verordnet gewesen. Die beteiligten Geschäftsstellen empfehlen allerdings, rein vorsorglich bei der Planung und Durchführung von Trauerfeiern jedenfalls auf der Inzidenzstufe 3 die Vorgaben aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 CoronaSchVO als Orientierungshilfe zu berücksichtigen: Danach darf in den dort geregelten Fällen die Anzahl von gleichzeitig anwesenden Personen eine Person pro angefangene zehn Quadratmeter der ersten 800 Quadratmeter der Nutzungsfläche zuzüglich jeweils einer Person pro angefangene 20 Quadratmeter der über 800 Quadratmeter hinausgehenden Nutzungsfläche nicht übersteigen.
- Bei COVID-19-Verstorbenen stehen der berührungslosen Abschiednahme am offenen Sarg mit entsprechendem Abstand keine Hindernisse entgegen. Eine religiöse Begleitung durch Geistliche ist zulässig. Auch zu einer Untersagung von Bestattungen nach muslimischem Ritus besteht bis auf weiteres grundsätzlich keine Veranlassung; der unmittelbare Kontakt mit dem Leichentuch ist den Angehörigen der verstorbenen Person vorbehalten.
- Veranstalter einer Beerdigung oder Beisetzung sind im Zweifelsfall immer die Angehörigen der verstorbenen Person. Das beauftragte Bestattungsunternehmen erfüllt lediglich ausführende Funktion. Maßnahmen gegen Trauergäste, die sich den notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen verweigern, können grundsätzlich nur durch die Angehörigen selbst veranlasst werden. Dabei ist es den Angehörigen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bestattungsunternehmen allerdings verboten, unmittelbaren (körperlichen) Zwang zur Durchsetzung von Maßnahmen gegen Ordnungswidrigkeiten einzusetzen. Das Gewaltmonopol ist der öffentlichen Hand vorbehalten. Die Durchsetzung jeglicher Zwangsmaßnahmen bei Verstößen gegen die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen kann und darf ausschließlich durch die zuständige örtliche Ordnungsbehörde – gegebenenfalls mit Amtshilfe der Polizei – erfolgen. Es wird daher empfohlen, dass die kommunalen Friedhofsträger den Angehörigen eine Telefonnummer mitteilen, an die Verstöße gemeldet werden können und bei der nach Anruf eine zeitnahe Durchsetzung der verordneten Verhaltensregeln, falls rechtlich geboten unter Anwendung von Zwangsmitteln, durch das Ordnungsamt bei Verstößen sichergestellt ist.
- Zur Durchführung von Bestattungen und Beisetzungen müssen geeignete Hygienevorkehrungen nach § 6 CoronaSchVO getroffen werden. Es muss zudem gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 CoronaSchVO grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen eingehalten werden. Für „nahe Angehörige“ (Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Ehegatten sowie Lebenspartnerinnen und Lebenspartner) gelten ausnahmsweise und im Ergebnis unabhängig von der Inzidenzstufe gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 12 CoronaSchVO keine Abstandsregelungen. Wird der Mindestabstand zwischen den vorgenannten Personen unterschritten, muss allerdings zwingend die einfache Rückverfolgbarkeit nach § 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 10 CoronaSchVO sichergestellt sein. Zudem sollte die Abstandsunterschreitung auf das im Rahmen von friedhofsrelevanten Vorgängen notwendige Maß beschränkt bleiben (Beispiel: Beileidsbekundung am Grab). Die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske besteht gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 CoronaSchVO nur für denjenigen Teil des Vorgangs, der in geschlossenen Räumen stattfindet. Unter freiem Himmel genügt rechtlich nach § 5 Abs. 4 Nr. 4 CoronaSchVO das Tragen einer Alltagsmaske; diese Pflicht besteht allerdings nur „einer Teilnehmerzahl von mehr als 25 Personen“, sodass Bestattungen und Beisetzungen mit weniger Trauergästen rechtlich vollständig ohne Maske durchgeführt werden dürften. Die beteiligten Geschäftsstellen empfehlen, dass durchgängig medizinische Masken getragen werden.
- Gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 CoronaSchVO sind „Bestattungen einschließlich der vorangehenden Trauerfeier“ im Ergebnis unabhängig von der Inzidenzstufe ohne Personenobergrenze erlaubt. Die beteiligten Geschäftsstellen empfehlen derweil auf der Inzidenzstufe 3 weiterhin eine Begrenzung auf 60 Trauergäste zuzüglich der professionell mit dem Vorgang befassten Personen unabhängig davon, ob der Vorgang unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen stattfindet.
Angesichts des weiterhin dynamischen Geschehens erscheint es weiterhin möglich, dass sich die hier ausgesprochenen Handlungsempfehlungen kurzfristig ändern könnten. Weitere diesbezügliche Mitteilungen würden auf gleichem Wege kommuniziert werden.
Az.: 46.6-030/001