Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 396/2012 vom 23.07.2012
Diskussion um Zeitplan und Ziele der Energiewende
Nachdem Bundesumweltminister Peter Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Rösler gegenüber der Presse Zweifel an der Einhaltbarkeit des Zeitplans der Energiewende geäußert hatten, haben Umweltexperten wie der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer davor gewarnt, die Energiewende insgesamt infrage zu stellen. Töpfer machte deutlich, dass die Bundesregierung die Probleme nicht nur beschreiben dürfe, sondern lösen müsse. Der DStGB hat in der Diskussion gefordert, das Projekt Energiewende nicht gleich wieder grundsätzlich in Frage zu stellen. Stattdessen sollte bei den Bürgern noch mehr für die Bereitschaft geworben werden, die Lasten der Energiewende mitzutragen.
Kernaussagen der Diskussion
Bundesumweltminister Altmaier hatte am vergangenen Wochenende in einem Presseinterview bezweifelt, dass alle Ziele der Energiewende tatsächlich erreicht werden können. So stelle sich beispielsweise die Frage, „ob es tatsächlich gelingt, den Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 um 10 Prozent zu senken.“ Im Übrigen hatte Altmaier vor den sozialen Folgen steigender Strompreise gewarnt. Kurze Zeit später hat auch Bundeswirtschaftsminister Rösler den Zeitplan der Energiewende infrage gestellt.
Rösler betonte gegenüber der Presse, die Zeitachse und die Ziele der Energiewende seien zwar vereinbart worden, „aber wir müssen nachsteuern, wenn Jobs und unsere Wettbewerbsfähigkeit bedroht sein sollten“. Die Bezahlbarkeit von Strom für Verbraucher und Betriebe habe für ihn „oberste Priorität“. In der Folge kam es zu Verlautbarungen aus Regierungskreisen, wonach sämtliche Ziele der Energiewende - u. a. der Atomausstieg bis 2022, die drastische Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch und die angestrebten Energieeinsparvolumina - weiter gültig seien und dies ohne Abstriche. Die Minister hätten nur einen nüchternen und notwendigen Blick auf die Größe der Aufgabe geworfen.
Gleichwohl sorgen sich Umweltexperten wie der der frühere Umweltminister Klaus Töpfer in Pressestatements, dass die Bundesregierung die Energiewende zunehmend infrage stellt. Töpfer sagte, es sei „unumstritten, dass große Aufgaben zu bewältigen sind, aber die Entscheidung für die Energiewende ist im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit gefallen.“ Jetzt müsse die Politik die Probleme nicht nur beschreiben, sondern lösen, alles andere wäre ein Verzicht auf Gestaltung. So sei es beispielsweise „sehr unerfreulich“, dass die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung bislang versandet sei.
Ähnlich äußerten sich auch der Chef des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth, und der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber. Flasbarth räumte zwar ein, dass „wir beim Energieeinsparen noch nicht gut genug sind.“ Bis 2020 seien es aber noch einige Jahre und auch das 10-Prozent-Stromsparziel könne noch erreicht werden. Schellnhuber wies darauf hin, dass die Energiewende grundsätzlich machbar sei, räumte aber auch ein, dass es ein technisches Spannungsfeld gebe: „Wir brauchen einen Energiemix, der bezahlbar ist, klimaneutral und Fluktuation ausgleicht; das ist eine hochkomplexe Aufgabe.“ Diese Aufgabe biete der Wirtschaft zugleich aber auch die Chance auf viele Innovationen.
Kommunale Positionen
Dass die praktische Umsetzung der Energiewende mit großen Herausforderungen verbunden ist, hat die kommunale Seite wiederholt ebenso betont wie die soziale und standortpolitische Bedeutung der Verbraucher- und Industriestrompreise. Vor diesem Hintergrund ist es die Aufgabe der für den Erfolg der Energiewende verantwortlichen Bundesminister, konstruktive Strategien zu entwickeln, um die vor gut einem Jahr aufgrund eines breiten gesellschaftlichen Konsenses gesetzgeberisch festgelegten energiepolitischen Ziele zu erreichen.
Das so genannte Nachsteuern - wie es die Politik jetzt ankündigt - ist ein sinnvolles Zeichen für Realpolitik. Anderseits darf das Projekt nicht gleich wieder grundsätzlich infrage gestellt werden. Politische und rechtliche Vorgaben, die Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen der Kommunen darstellen und bislang nicht ernsthaft infrage standen, müssen auch in Zukunft Bestand haben.
Die Berücksichtigung der kommunalen Investitions- und Planungssicherheit ist seitens der Städte und Gemeinden wiederholt im Hinblick auf konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende geltend gemacht. Kritikwürdig sind beispielsweise die rückwirkende Kürzung der Einspeisevergütung für Solarstrom oder das „Stopp and Go“ bei wichtigen Förderinstrumenten wie etwa dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Wünschenswert wäre daher die konstruktive Suche nach und das Werben für tragfähige Ansätze zur Begrenzung der mit dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen verbundenen Kosten, ohne die energiewirtschaftlichen Grundsatzentscheidungen in Frage zu stellen.
Potenziale zur Begrenzung der Stromkosten bietet etwa ein stärker am tatsächlichen Bedarf orientierter Ausbau des Stromnetzes, der nicht auf die Übertragungsleitungen beschränkt ist, sondern das Verteilnetz mit einbezieht, in das schon jetzt über 97 Prozent des aus erneuerbaren Quellen erzeugten Stroms dezentral eingespeist wird. Der DStGB hat in diesem Sinne zum Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber Stellung genommen (vgl. dazu StGB NRW-Mitteilung vom 16.07.2012). Auch die preissenkenden Effekte eines verstärkten Wettbewerbs auf dem Strommarkt sind noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere steht das vom Bundeswirtschaftsministerium seit langem angekündigte Kraftwerksförderprogramm zugunsten von Stadt- und Gemeindewerken noch aus.
Nicht zuletzt sind erhebliche Potenziale zur Dämpfung der Energiekosten durch eine forcierte Energieeinsparung und durch eine Steigerung der Energieeffizienz, vor allem im Gebäudebereich, ungenutzt. Hier ergibt sich die Möglichkeit, die Belastung von Privathaushalten und Unternehmen bei steigenden Energiekosten zu begrenzen.
Die Bundesregierung hat eine zentrale kommunale Forderung aufgegriffen, indem sie durch Gründung entsprechender Plattformen beim BMU und dem BMWI dem durch die Energiewende ausgelösten Koordinationsbedarf Rechnung trägt. Der DStGB, der in diesen Koordinationsgremien vertreten ist, wird auch in diesem Rahmen deutlich machen, dass die Koordination der Energiewende nur gelingen kann, wenn die grundsätzlichen Ziele nicht in Frage gestellt werden.
Az.: II/3 811-00/8