Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit
StGB NRW-Mitteilung 737/2007 vom 06.11.2007
Drogen- und Suchtpolitik in Nordrhein-Westfalen
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat jüngst namens der Landesregierung die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Drogen- und Suchtpolitik in Nordrhein-Westfalen beantwortet. Die 101 Seiten umfassende Landtagsdrucksache 14/5124 kann unter www.mags.nrw.de und dort unter der Rubrik Gesundheit heruntergeladen werden.
In ihrer Vorbemerkung zur Beantwortung der Großen Anfrage stellt die Landesregierung dar, dass der Schwerpunkt ihrer Sucht- und Drogenpolitik auf den drei Säulen Prävention, Hilfen und Repression ruht und auf den Maßnahmen zur frühzeitigen Suchtprävention und –hilfe liegt, die grundsätzlich suchtmittelübergreifend und zielgruppenspezifisch auszurichten seien. Folgende Daten aus der Antwort mit Hinweis auf Fundstellen anderer Fachstellen erscheinen besonders interessant:
• Es ist davon auszugehen, dass in Nordrhein-Westfalen mehr als 4 Mio. Suchtkranke leben, die sich wie folgt verteilen:
2.900.000 Tabak-Abhängige
400.000 Alkohol-Abhängige
300.000 Medikamenten-Abhängige
31.000 von illegalen Drogen Abhängige
30.000 Glücksspiel-Abhängige
400.000 Personen mit Essstörungen
• Beim Tabakkonsum Jugendlicher ergibt sich in NRW folgendes Bild beim Rückgang des Tabakkonsums:
- bei Jungen von 32 % in 2002 auf 18 % im Jahre 2006
- bei Mädchen von 32 % in 2002 auf 22 % im Jahre 2006
Das durchschnittliche Einstiegsalter beim Tabakkonsum liegt derzeit bei 12,8 Jahren gegenüber 12,4 im Jahr 2002.
• Der Pro-Kopf-Konsum an Bier in NRW betrug 2005 ca. 25,9 Liter (gegenüber 28,2 l im Jahr 2000). Es wurden 2005 ca. 5,3 l Wein und Schaumwein konsumiert (2000 waren es 5,2 l). Der Spirituosen-Konsum in NRW belief sich 2005 auf ca. 1,3 l und war damit gegenüber 2000 nahezu unverändert. Der nordrhein-westfälische Pro-Kopf-Verbrauch reinen Alkohols sank von 2000 auf 2005 um ca. 4,7 % auf 2,25 l. Beim Alkoholkonsum von Jugendlichen besteht ein Rückgang
- bei Jungen von 36 % in 2002 auf 22 % im Jahre 2006
- bei Mädchen von 22 % in 2002 auf 12 % im Jahre 2006.
• Für den Medikamentenmissbrauch liegen geeignete Zahlen für einen Fünf-Jahres-Vergleich nicht vor. 2005 wurden in NRW ca. 335 Mio. Arzneimittelpackungen verkauft, davon ca. 150 Mio. ohne Rezept in Selbstmedikation. 4 – 5 % aller verordneten Arzneimittel besitzen Abhängigkeits- bzw. Missbrauchspotenzial.
• Valide Zahlen zur Entwicklung der Abhängigkeit von illegalen Drogen liegen ebenfalls nicht vor. Die Zahl der erfassten Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz sank von 58.510 im Jahr 2001 auf 56.725 im Jahr 2006. Die Zahl der Drogentodesfälle sank von insgesamt 498 im Jahr 2000 auf 350 im Jahr 2006.
• Die Anzahl der patologischen Glücksspieler in NRW wird auf aktuell 30.000 geschätzt. Hinweise auf ein Ansteigen der Problematik ergeben sich aus der steigenden Nachfrage ambulanter Beratung und Behandlung sowie der Verdoppelung der stationären Behandlung dieser Klientel.
• In den vergangenen Jahren ist die Internet-Abhängigkeit bzw. Online-Sucht verstärkt in den Blickpunkt der Fachöffentlichkeit gerückt. Das Verhalten von Online-Süchtigen ist vergleichbar mit Alkohol- und Glücksspielsüchtigen. Online-Süchtige finden sich vor allem in sog. Chatrooms und anderen Internet-Kommunikationsforen, bei Internet-Spielen und Online-Shops oder –Auktionen. Nach Studien verbringen Online-Süchtige durchschnittlich wöchentlich 35 Std. im Netz. Wegen der steigenden Zahl der Internet-Nutzer ist auch mit einer weiteren Zunahme der Online-Süchtigen zu rechnen.
Zur Finanzierung von Maßnahmen der Drogen- und Suchthilfe verweist die Landesregierung darauf, dass der Haushaltsansatz für die Landesförderung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Sucht im Rahmen der Haushaltskonsolidierung in den vergangenen beiden Jahren um ca. 28 % reduziert wurde, und zwar von 15.844.400 Euro im Jahr 2005 auf 11.408.000 Euro im Jahr 2007. Seit 2007 erfolge die Landesförderung von Sucht- und Drogenhilfeeinrichtungen nicht mehr auf der Grundlage von Förderrichtlinien, sondern im Wege einer fachbezogenen Pauschale an die Kommune. Über die Höhe der finanziellen Aufwendungen der einzelnen Kommunen und Kreise für das Drogenhilfesystem liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Im Regelfall gewährt das Land einen anteiligen Zuschuss in Höhe von 20 – 30 % der Gesamtkosten des Suchtpräventions- oder Hilfeangebots bzw. der betreffenden Personalstelle.
Ziel der Kommunalisierung der Landesförderung ist nach Angaben der Landesregierung die Stärkung der kommunalen Planungs-, Handlungs- und Steuerungsfähigkeit, um die bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Weiterentwicklung der bestehenden Präventions- und Hilfestruktur vor Ort zu erleichtern. Die Kommunen könnten unter Beachtung der im Haushaltsgesetz festgeschriebenen Ziele und Aufgaben eigenverantwortlich über den zweckentsprechenden Einsatz der Landesmittel entscheiden. Die Kommunalisierung der Landesförderung berühre zunächst weder den Leistungsumfang noch die Höhe der Landesförderung für die bislang geförderten Einrichtungen und Angebote. Das Land habe bei der Festlegung der fachbezogenen Pauschale für das Jahr 2007 die Förderbeträge des Jahres 2006 zugrunde gelegt. Die Kommunen hätten sich ihrerseits grundsätzlich bereit erklärt, die Förderbeträge in unveränderter Höhe an die im Jahr 2006 geförderten Einrichtungsträger weiterzuleiten. Für das Jahr 2008 sei eine vergleichbare Übergangsregelung geplant.
Künftig sollte die Festlegung der fachbezogenen Pauschalen an die Kommunen auf der Grundlage von objektivierbaren Kriterien erfolgen, die derzeit entwickelt werden. Diese Kriterien sollten den besonderen regionalen wie auch überregionalen Anforderungen und Besonderheiten Rechnung tragen. Bei ihrer Festlegung sollten neben der Bevölkerungszahl und sozialraumbezogenen Daten auch die Ergebnisse einer Analyse des bestehenden Suchthilfesystems sowie krankenspezifische Aspekte und die unterschiedlichen strukturellen Anforderungen im Suchtbereich Berücksichtigung finden. Zur Unterstützung von Kommunen und Einrichtungsträgern bei der Umsetzung der Kommunalisierung sollten die wesentlichen Grundsätze zu Zielen, Aufgaben, fachlichen Mindeststandards sowie zum Qualitätsmanagement und Berichtswesen in einer Rahmenvereinbarung zwischen Land, Kommunen und freien Trägern festgeschrieben werden.
Az.: III 541