Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 148/2003 vom 21.01.2003

Druckentwässerungssystem und Freispiegelkanal

Aufgrund vermehrter Anfragen von Städten und Gemeinden weist die Geschäftsstelle auf folgendes hin:

Das OVG NRW hat mit Urteil vom 10.10.1997 (Az.: 22 A 2742/94, NWVBl. 1998, S. 198) entschieden, dass es allgemeinen rechtlichen Grundsätzen entspricht und keiner besonderen Regelung in der Abwasserentsorgungssatzung (Entwässerungssatzung) einer Gemeinde bedarf, dass ein Grundstückseigentümer, der sich im eigenen Interesse an die öffentliche Abwasserleitung anschließen will oder muss, den Anschluss grundsätzlich selbst und auf eigene Kosten herzustellen und zu unterhalten hat. Grundsätzlich kann aus dieser Rechtsprechung abgeleitet werden, das alles was sich auf privaten Grundstücken abwassertechnisch abspielt in die Verantwortung des Grundstückseigentümers fällt. Alles was sich im öffentlichen Verkehrsraum (Straße, Radweg, Bürgersteig bis zur privaten Grundstücksgrenze), also nicht auf privaten Grundstücken abwassertechnisch abspielt, fällt in den abwasserrechtlichen Verantwortungsbereich der Städte und Gemeinden. Gleichwohl sind letzten Endes für die Schnittstelle zwischen der privaten und der gemeindlichen Entwässerungsanlage die Regelungen in der Entwässerungssatzung der Gemeinden von maßgeblicher Bedeutung. Denn die Gemeinde trifft in der Entwässerungssatzung die in ihrem Organisationsermessen stehende Entscheidung, ob Grundstücks- und/ oder Hausanschlüsse zur gemeindlichen Abwasseranlage gehören oder nicht (vgl. § 2 der Muster-Entwässerungssatzung des StGB NRW, Mitt. StGB NRW 1995, Nr. 508, S. 317ff.). Diese Entscheidungs- und Regelungsbefugnis der Gemeinden findet sich unter anderem in § 10 Abs. 3 KAG NRW ausdrücklich wieder. Für den Bereich der Abwasserbeseitigung trägt diese Vorschrift dem Umstand Rechnung, daß die gemeindlichen Abwasserkanäle in der Regel in der öffentlichen Straße verlegt sind und deshalb die Notwendigkeit besteht, eine (Grundstücks-)Anschlussleitung zwischen den Grundstücken und dem gemeindlichen Abwasserkanal in der öffentlichen Straße herzustellen.

Im Rahmen ihres Organisationsermessen können die Städte und Gemeinden entscheiden, ob sie die Grundstücks- und Hausanschlüsse überhaupt nicht oder alle beide oder nur die Grundstücksanschlüsse zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmen. In der Praxis werden Grundstücksanschlüsse und Hausanschlüsse entweder überhaupt nicht zum Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage erklärt oder es werden lediglich die Grundstücksanschlüsse, d.h. die Anschlussleitungen vom Hauptkanal bis zur privaten Grundstücksgrenze zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmt, während die Hausanschlussleitungen, d.h. die Anschlussleitungen auf dem Privatgrundstück nicht zur öffentlichen Einrichtung gehören (vgl. Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 10 Rz. 16; Queitsch in: Hamacher/Lenz/Queitsch/Stein/ Schneider/ Thomas, Kommunalabgaben-gesetz NRW, Losblatt-Kommentar, § 10 Rz. 2). Hierbei wird regelmäßig auch bestimmt, dass der Prüfschacht (Revisionsschacht) zur Hausanschlussleitung zählt und damit nicht Bestandteil der gemeindlichen Abwasseranlage ist.

Hintergrund für die letztere Variante ist unter anderem, dass Gemeinden „private Kanalverlegungsarbeiten“ im öffentlichen Verkehrsraum (Straße, Radweg, Bürgersteig) wegen der damit einhergehenden Gefahrentatbestände (z.B. unkontrollierte Verkehrsbehinderungen, unbeabsichtigte Kappung von Versorgungsleitungen) vermeiden möchten und deshalb für diesen Bereich über die alleinige Koordinierungsfunktion und Bauzuständigkeit verfügen möchten. Denkbar ist aber auch, dass die Grundstücksanschlüsse nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört, die Gemeinde sich aber gleichwohl satzungsrechtlich den Bau vorbehält und den getätigten Kostenaufwand über den Kostenersatzanspruch nach § 10 Abs. 1 KAG NRW gegenüber dem Grundstückseigentümer geltend macht.

Auch die bislang ergangene Rechtsprechung des OVG NRW zum Druckentwässerungs-System unterstreicht die Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers für die Abwasserleitungen auf seinem (privaten) Grundstück (vgl. hierzu auch : Dedy, Abwasser-Report 2/97; S. 8 f.). Bei einem Druckentwässerungs-System umfaßt die Herstellung der Anschlußleitung auch die Installation der Druckpumpe, wenn dieses in der gemeindlichen Entwässerungssatzung vorgesehen ist (vgl. die Alternativ-Regelung zu § 12 der Muster-Entwässerungssatzung des StGB NRW, MItt. StGB NRW 1995 Nr. 508, S. 317 ff.). Denn die Druckpumpe auf dem Grundstück dient allein der Einleitung des Abwassers von diesem Grundstück in die gemeindliche Druckleitung. Dabei liegt die Herstellung der Druckpumpe nicht im öffentlichen Interesse, weil das Druckentwässerungsnetz auch ohne die Druckpumpe auf dem Grundstück betrieben werden könnte, aber die Druckpumpe auf dem Grundstück betrieben werden muß, solange dort Abwasser anfällt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.6.1997 - 22 A 1406/96 - StGRat 1997, S. 284; OVG NRW, Beschluß vom 2.7.1997 - 22 A 1331/96, StGRat 1997, S. 259; OVG NRW, Beschluß vom 6.3.1998 - 22 A 758/98 -).

Vor diesem Hintergrund ist die Gemeinde befugt, in der Entwässerungssatzung für Druckentwässerungsnetze zu regeln, dass die Grundstückseigentümer die Druckpumpe auf ihrem privaten Grundstück herzustellen, zu unterhalten, zu warten und zu betreiben haben. Auch das Urteil des OVG NRW vom 10.10.1997 (Az.: 22 A 2742/94, NWVBl. 1998, 198) geht – in diese Richtung. In dem entschiedenen Fall begehrte die Klägerin von der beklagten Stadt die Erstattung von Kosten, die ihr durch die Erneuerung ihrer Grundstücksanschlussleitung an den Abwasserkanal entstanden waren. In der Entwässerungssatzung der Stadt war bestimmt, daß der Grundstücksanschluss nicht zur öffentlichen Abwasseranlage, sondern zu den privaten Grundstücksentwässerungsanlagen gehört. Gleichzeitig war in der Entwässerungssatzung geregelt, daß die Unterhaltung des Anschlusses allein dem Anschlussnehmer obliegt, der damit auch für etwaige Reparaturen an der Leitung zuständig sei. Nach dem OVG NRW bringt eine solche satzungsrechtliche Regelung nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, daß derjenige, der sich im eigenen (Sonder-) Interesse - wie etwa zur Erfüllung seiner Anschluß- und Benutzungspflicht - an den öffentlichen Abwasserkanal anschließen will oder muß, grundsätzlich selbst (auf eigene Kosten) den Anschluß herzustellen und instand zuhalten hat.

Nach dem OVG NRW (Urteil vom 18.6.1997 - 22 A 1406/96 - StGRat 12997, S. 284; Urteil vom 2.7.1997 - 22 A 1331/96 - StGRat 1997, S. 259) ist außerdem das zumutbare Maß für einen Grundstückseigentümer selbst bei einem Wohngrundstück dann nicht überschritten, wenn die Kosten für die Anschließung des Grundstücks (ohne Kanalanschlussbeitrag) 50.000 DM erreichen. Dieser Betrag wird auch bei einem Druckentwässerungssystem regelmäßig nicht erreicht. Weiterhin liegt auch keine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz bei Druckentwässerungsystemen und Freispiegelsystemen vor, weil etwa beim Druckentwäs-serungssystem für den Grundstückseigentümer höhere Anschlusskosten entstehen (Errichtung der Druckpumpe). Denn die maßgeblichen Sachverhalte sind bereits nicht gleich, weil die Grundstücke an Kanaltypen mit unterschiedlicher Technik angeschlossen werden. Nur eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte vermag aber ohne sachlichen Grund einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz zu begründen. Die unterschiedlichen Sachverhalte werden aber im übrigen schon nach denselben Kriterien behandelt, wenn jeweils nach § 10 KAG NW die für den Hausanschluss aufzuwendenden tatsächlichen Kosten im Wege des Ersatzanspruches geltend gemacht werden (so auch: Dietzel in: Driehaus, Kommunal-abgabenrecht, § 10 Rz. 42). Umgekehrt könnte sogar eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Anschlussnehmer an Frei-spiegelkanäle angenommen werden, wenn nur den Anschlussnehmern an Druckent-wässerungssystemen ein Abschlag oder Zuschuss auf die entstandenen Kosten gewährt wird ( so ausdrücklich: OVG NW, Urteil vom 2.7.1997 - 22 A 1331/96 - StGRat 1997, S. 259).


Az.: II/2 24-30 qu/g

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