Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 292/2014 vom 14.04.2014

Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei Kartellverstößen aus Sicht der EU

Am 15.04.2014 wird das Europäische Parlament über den Kompromisstext der EU-Richtlinie über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union abstimmen. DieEU-Kommission hatte den vorgenannten Richtlinienvorschlag am 11.06.2013 vorgelegt.

Richtlinieninhalt

Die oben genannte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (COM(2013)404final) soll dazu beitragen, zum einen das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung zu verbessern und zum anderen Kartellgeschädigten die effektive Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu ermöglichen. Dabei versucht die Richtlinie zu berücksichtigen, dass die Effektivität der Kronzeugenprogramme nicht unterminiert und die Kartellaufdeckung nicht insgesamt geschwächt wird.

Bislang haben Schadensersatzklagen gegen Kartellanten EU-weit mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Beispielhaft sei auf das mangelnde Akteneinsichtsrecht Dritter in Kartellverfahrensakten oder auf das Problem der Bezifferung eines Kartellschadens hingewiesen. Dem will der Richtlinienentwurf mit Modifizierungen des allgemeinen Zivil- und Zivilprozessrechts abhelfen. Gleichzeitig sollen drohende Schadensersatzklagen Unternehmen allerdings nicht davon abhalten, Kronzeugenanträge zu stellen. Dieses Spannungsverhältnis berücksichtigend enthält die aktuelle Richtlinie nur punktuelle Änderungen des Status Quo. Sie umfasst vor allem prozessuale Vorgaben zur Akteneinsicht, zum Umfang der Haftung von Kronzeugen und zur Beweislastverteilung. Folgende Regelungen sind aus Sicht des DStGB hervorzuheben:

  • Gerichtliche Einzelfallabwägung bei der Offenlegung von Beweismitteln durch Kartellanten oder Dritte (Art. 5)
  • Keine Offenlegung von Kronzeugenunternehmenserklärungen und Vergleichsausführungen (Art. 6 Abs. 2a)
  • Bindungswirkung von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden für die Gerichte des jeweiligen Mitgliedsstaats; Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedsstaaten gelten mindestens als Anscheinsbeweis (Art. 9)
  • Beweiserleichterungen für Schadensersatzkläger auf der zweiten (oder weiter entfernten) Abnehmerstufe (Art. 13)
  • Befugnis des Richters, den Schaden zu schätzen (Art. 16 Abs. 1 S. 2 — vgl. auch § 187 ZPO)
  • Vermutung, dass Kartelle einen Schaden verursachen (Art. 16 Abs. 2a)
  • Im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung gezahlte Beträge sind bei Schadensersatzklagen anzurechnen (Art. 18)

Gesetzgebungsverfahren

Am 11.06.2013 ist der oben genannte Richtlinienvorschlag durch die EU-Kommission vorgestellt worden. Der Richtlinienvorschlag ist anschließend sowohl im Rat als auch im Europäischen Parlament erörtert worden und es ist am 02.12.2013 eine allgemeine Ausrichtung festgelegt worden. Von Januar bis März 2014 haben schließlich die informellen Trilogverhandlungen stattgefunden, bei denen die griechische Ratspräsidentschaft, die EU-Kommission und das Europäische Parlament Einigung über einen Kompromisstext erzielen konnten. Das EU-Parlament wird nun abschließend am 15.04.2014 über den Kompromisstext im Plenum abstimmen, so dass es danach lediglich noch der Zustimmung des Rates bedarf. Nach Inkrafttreten der Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten diese innerhalb von zwei Jahren umsetzen. Es ist zudem vorgesehen, dass vier Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist die Kommission die Richtlinie überprüfen und dem EU-Parlament und Rat dazu Bericht erstatten wird.

Anmerkung des DStGB

Die Zielrichtung des Richtlinienvorschlags, Kartellgeschädigten die effektive Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern, wird seitens des DStGB grundsätzlich begrüßt. Der DStGB hatte bereits im Jahr 2012 anlässlich des so genannten Feuerwehrbeschaffungskartells das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zu einer Verbesserung des Rechtsrahmens zur vereinfachten Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei Kartellverstößen aufgefordert. Der DStGB hat diese Forderung im Zuge der Diskussion um die vorgenannte EU-Richtlinie erneut vorgetragen und die Bundesregierung gebeten, auf eine entsprechende Umsetzung im Richtlinientext zu achten.

Das vom Bundeskartellamt im Jahr 2011 aufgedeckte Preis- und Quotenkartell im Bereich von Feuerwehrfahrzeugen hat eindeutig aufgezeigt: Aus Sicht der von Kartellrechtsverstößen betroffenen Kommunen ist der Ausgleich erlittener Schäden von zentraler Bedeutung. In der Beschaffungspraxis sehen sich Städte und Gemeinden aber regelmäßig vor die Frage gestellt, ob sie die für eine Schadensschätzung erforderlichen Daten überhaupt beibringen oder ob sie erforderliche Schadensgutachten vorfinanzieren können. Mithin besteht für Kartellanten derzeit die Möglichkeit, kartellrechtswidrig erlangte Gewinne nicht an die Geschädigten auszahlen zu müssen. Dieses ist nach Auffassung des DStGB und seiner Mitgliedsverbände ein untragbarer Zustand. Der DStGB hat daher bereits im Jahr 2012 die Bundesregierung zu einer Anpassung des GWB-Rechtsrahmens auf nationaler Ebene sowie zu einer entsprechenden Interessenverfolgung auf europäischer Ebene aufgefordert.

Daher ist es erfreulich, dass nunmehr sowohl die EU-Richtlinie über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union als auch die am 28.03.2014 im EU-Amtsblatt veröffentlichen EU-Vergaberichtlinien (insbesondere die „Allgemeine“ Vergaberichtlinie 2014/24/EU vom 26.02.2014) die vorstehend beschriebenen kommunalen Forderungen aufgegriffen haben.

Art. 16 Abs. 2a der EU-Richtlinie über Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht sieht eine Vermutungsregelung dahingehend vor, dass Kartelle einen Schaden verursachen. Demnach müssen die Mitgliedsstaaten zukünftig gewährleisten, dass bei Zuwiderhandlungen in Form von Kartellen vermutet wird, dass die Zuwiderhandlung einen Schaden verursacht hat. Das zuwiderhandelnde Unternehmen hat das Recht, diese Vermutung zu widerlegen. Die Mitgliedsstaaten müssen zudem gewährleisten, dass die für die Ermittlung des Schadensumfangs getroffene Regelung, wer in welchem Umfang beweispflichtig ist und Tatsachen vortragen muss, dem Geschädigten die Ausübung seines Rechts auf Schadensersatz nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

Es bleibt abzuwarten, welche konkrete Formulierung der vorgenannten Regelung vom EU-Parlament Mitte April 2014 angenommen wird. Als Erfolg des DStGB kann zudem die neue Formulierung der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG — hier: Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie — gewertet werden.

Gemäß Art. 57 Abs. 4 Ziffer d) können öffentliche Auftraggeber Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an (kommunalen) Vergabeverfahren ausschließen, wenn der Auftraggeber über plausible Anhaltspunkte dafür verfügt, dass der Bieter / das Unternehmen mit anderen Wirtschaftsteilnehmern Vereinbarungen getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen. Hiervon sind Kartellabsprachen zulasten der Städte und Gemeinden, wie etwa im Bereich des Feuerwehrbeschaffungskartells geschehen, umfasst.

Wichtig: Eine Wiederherstellung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit im Wege einer so genannten „Selbstreinigung“ ist gemäß Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie nur dann möglich, wenn der betreffende Bieter nachweist, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch eine Straftat oder Fehlverhalten (zum Beispiel Kartellverstoß) verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder Verfehlungen zu vermeiden.

Die vorstehende Richtlinienvorgabe greift somit die vom DStGB bereits im Rahmen des Feuerwehrbeschaffungskartells verlangte Verpflichtung der Unternehmen zu einer vergaberechtlichen „Selbstreinigung“ sowie zu einer dauerhaften Überprüfung und Zertifizierung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit auf. Auf Druck des DStGB hatten sich im Feuerwehrbeschaffungskartell die beteiligten Unternehmen zu einer umfassenden Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit in zukünftigen Vergabeverfahren verpflichtet. Diese „Selbstreinigung“ basiert auf einer vom DStGB erarbeiteten Checkliste. Darin ist den Unternehmen insbesondere die Durchführung personeller Maßnahmen als auch strukturell-organisatorischer Maßnahmen verpflichtend vorgegeben worden. Zudem wurde den Unternehmen die Pflicht auferlegt, umfassend an der Schadensaufklärung und der Schadensbeseitigung mitzuwirken.

Az.: II/1 608-00

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