Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 232/1996 vom 05.05.1996

Energiepolitik für die Europäische Union

I. Weißbuch der Kommission: Strategie für eine gemeinschaftliche Energiepolitik

In seiner Sitzung vom 20.12.1995 hat der EU-Energieministerrat das Weißbuch der Kommission "Eine Energiepolitik für die Europäische Union" (KOM 95/682) zur Kenntnis genommen. Vor dem Hintergrund der Schlüsselrolle der Energiepolitik innerhalb der Europäischen Gemeinschaft beinhaltet das Weißbuch ein Arbeitsprogramm der Kommission für die nächsten 5 Jahre, eingebettet in den bestehenden vertraglichen und auch finanziellen Rahmen bei gleichzeitiger Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität.

Nach Auffassung der Kommission stellt die Energiewirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft, die sich politisch und wirtschaftlich zunehmend integriert und deren geopolitische Verantwortung wächst, einen Schlüsselsektor dar. Die Verträge enthalten bereits eine Grundlage für das Tätigwerden der Gemeinschaft im Energiesektor, doch ist die Kommission aufgrund von Erfahrungen und im Lichte der Energietrends zu der Überzeugung gelangt, daß nur innerhalb eines festgefügten und kohärenten gemeinschaftlichen energiepolitischen Rahmens das Optimum aus der Aktion auf Gemeinschafts-Mitgliedstaatsebene herausgeholt werden kann. Das Erfordernis eines solchen Rahmens ergibt sich insbesondere aus der strategischen Bedeutung des Energiepreises als Wirtschaftsfaktor für die Industrie, besonders die energieintensiven Branchen, die Lebensqualität und die Schaffung von Arbeitsplätzen, darüber hinausgehend für den notwendigen Abgleich zwischen Energiewirtschaft und Umweltschutz. Dabei muß sich die Energiepolitik in die allgemeinen Ziele der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft einfügen, also in die Integration des Marktes, die Deregulierung, die Begrenzung der Interventionen der öffentlichen Hand auf das strikt Notwendige für die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit und das Wohlergehen, die Gewährleistung einer zukunftsfähigen Entwicklung, dem Verbraucherschutz und die wirtschaftliche und soziale Kohäsion. Über diese allgemeinen Ziele hinausgehend muß die Energiepolitik die Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und den Umweltschutz miteinander versöhnen und Rücksicht auf die zentralen Anliegen der Gemeinschaft nehmen, nämlich die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Streben nach einer effizienteren Wirtschaftsweise der Unternehmen sowie dem Schutz der Umwelt.

Im einzelnen geht die Kommission bei den im Weißbuch vorgeschlagenen Orientierungen von folgenden Prämissen aus:

- Die Integration des Marktes bildet das entscheidende Anliegen der Energiepolitik der Gemeinschaft.

- Die Anliegen Wettbewerbsfähigkeit und Schutz der Umwelt erfordern auf Gemeinschaftsebene ein mittel- oder langfristig angelegtes abwägendes Vorgehen, Internalisierung der Kosten und Nutzen.

- In der außenwirtschaftlichen Dimension wird allgemein das wichtigste Aktionsinstrument gesehen, weil zum einen die Versorgung der Gemeinschaft zu einem großen Teil von auswärtigen Produzenten stammt, vor allem aber, weil die Entwicklung des Verbrauchs in dritten Ländern in den kommenden Jahren die Hauptquelle der Beunruhigung bilden wird.

- Die Sicherheit der Versorgung muß ein ständiges Anliegen der Politiker sein.

Insgesamt sieht die Kommission unter Berufung auf die volle Unterstützung durch das Europäische Parlament, den Rat und die Mitgliedsstaaten eine aktuelle Notwendigkeit, die Debatte über die Ausrichtung der gemeinschaftlichen Energiepolitik neu zu entfachen und eine globale Strategie zur Verwirklichung zukünftiger energiepolitischer Zielsetzungen vorzulegen.

II. Allgemeine Rahmenbedingungen

Bei der Festlegung energiepolitischer Ziele bedarf es zunächst der Abstimmung mit dem allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Gesamtrahmen der Gemeinschaft. Nach Auffassung der Kommission läßt sich dieser Gesamtrahmen durch vier Schlüsselkonzepte charakterisieren:

1. Globalisierung der Märkte

Der in den letzten Jahrzehnten stetig anhaltende Trend zur Globalisierung der Märkte läßt die regionalen Märkte mit ihren spezifischen Eigenschaften (Verbraucherverhalten und -bedarf) an Gewicht verlieren. Dabei wird die Globalisierung von verschiedenen Kräften vorangetrieben, darunter vor allem tiefgreifende Veränderungen in Kommunikation, Verkehr und Technologie.

2. Wachsende Umweltprobleme

Der Energiesektor muß in die Umweltschutzpolitik einbezogen werden, denn alles energiewirtschaftliche Tun hat Folgen für die Umwelt, örtlich, regional oder global. Nur ein integrierter Energie-/Umweltrahmen trägt - zum Beispiel mit Blick auf die Zunahme der Immissionen von CO 2 und anderer Treibhausgase - zu einer zukunftsfähigen Entwicklung bei.

3. Technologische Entwicklung

Die Technologie und ihre Weiterentwicklung wirken sich unmittelbar auf die Wettbewerbsfähigkeit und letzten Endes auf die Beschäftigung aus. Ferner trägt die Technologie zur Erreichung anderer energiepolitischer Ziele bei, z. B. Versorgungssicherheit und Verbesserung der Energieeffizienz und Energieeinsparung.

4. Zuständigkeiten der Gemeinschaftsorgane

Wesentlich ist die Bestimmung der Rolle, welche die Gemeinschaft, die Mitgliedsstaaten, die Regionen und die Kommunen zu spielen haben. Fest steht nach Auffassung der Kommission, daß der Grundsatz der Proportionalität gelten muß und daß im Lichte des derzeitigen Deregulierungstrends nur ein Minimum an Vorschriften aufgestellt werden sollte, und zwar auch nur dort, wo der Markt selbst die erforderlichen Änderungen nicht herbeiführen wird.

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III. Leitlinien für die Umsetzung der Energiepolitik

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1. Integration des Marktes

Das erste Ziel besteht nach Auffassung der Kommission in der Liberalisierung des Binnenmarktes für Erdgas und Elektrizität. Dabei müssen im Energiebinnenmarkt die Wettbewerbsregeln eingehalten werden. Ausnahmen hiervon darf es nur in begründeten Einelfällen geben, wobei unnötige Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden müssen. Insbesondere wo Energieunternehmen öffentliche Dienstleistungsverpflichtungen zur Wahrung der Verbraucherinteressen auferlegt werden, kommt es vor allem darauf an, daß volle Transparenz herrscht. Unbeschadet der Ergebnisse der jetzt laufenden Verhandlungen über den Binnenmarkt für Elektrizität und Gas wird in der Zukunft geprüft werden müssen, ob allgemeine Kriterien aufgestellt werden müssen, mit denen sich solche Fälle beurteilen lassen, wo die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages die Durchführung der öffentlichen Dienstleistungspflicht verhindern würde, um die Anwendung der Vertragsregeln in kohärenter und vorhersagbarer Weise zu gewährleisten.

2. Bewältigung der Einfuhrabhängigkeit

Die wachsende Energieabhängigkeit der Gemeinschaft sollte angesichts der politischen Risiken in einigen wichtigen Lieferländern und des wachsenden Weltenergieverbrauchs ein Brennpunkt der Sorge sein. Zwar sieht die Kommission zur Zeit keine Notwendigkeit für neue Krisenmaßnahmen; dennoch plädiert sie für eine Verbesserung der Versorgungssicherheit durch effiziente politische Korrekturen, z. B. durch die Förderung der Diversifizierung der Energieträger und Vergrößerung der Wahlmöglichkeiten (Energieeffizienz, Förderung der erneuerbaren Energiequellen und sorgfältige Beobachtung der Energiesituation).

3. Umweltschutz

Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit muß nach Bewertung der Kommission nicht unbedingt mit dem Schutz der Umwelt in Kollision geraten. Mit Blick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung ist davon auszugehen, daß die Einbeziehung der Umweltbelange am besten und effizientesten durch Internalisierung der externen Kosten und Nutzen erfolgt, weil dies den klaren Vorteil bietet, daß mit dem Markt, statt gegen ihn, gearbeitet werden kann. In vieler Hinsicht werde bereits die Internalisierung externer Kosten schrittweise durch Festsetzung von Immissionsgrenzen, über freiwillige Vereinbarungen, private Haftpflicht usw. erreicht, die den Verursachern der Umweltschädigung einen Teil der gesellschaftlichen Kosten aufbürden. Darüber hinaus sollte die Einführung wirtschaftlicher Instrumente erwogen werden, wie z. B. die Verabschiedung der von der Kommission vorgeschlagenen CO 2 -/Energiesteuer.

Besondere Bedeutung mißt die Kommission den erneuerbaren Energien zu, die wenig verdeckte Kosten verursachen, die Umwelt kaum belasten und vielfach unmittelbar verfügbar sind. Langfristig bilden sie die wichtigste umweltgerechte Energiequelle. Dabei ist die Förderung der erneuerbaren Energiequellen besonders bei der heutigen Energiemarktlage auf unterstützende Maßnahmen angewiesen, damit diese Investitionen konkurrenzfähig werden können.

4. Rolle der Regionen, Städte und ländlichen Gebiete

Insoweit trifft das Weißbuch folgende Aussagen:

"Die Energie ist die Grundvoraussetzung für alles lokale Wirtschaften. Die wichtige Rolle der lokalen Behörden als Vertreter der Energieverbraucher muß in der nationalen und gemeinschaftlichen Energiepolitik größere Anerkennung finden. Die Verbraucher sollten in der Lage sein, aus eigener Entscheidung an der Erhaltung der Energie und ihrer umweltfreundlicheren Nutzung mitzuwirken. Hierbei fällt den erneuerbaren Energiequellen eine besondere Rolle zu, denn diese Energieformen werden normalerweise nicht weit vom Ort ihrer Entstehung genutzt. In diesem Zusammenhang spielen erneuerbare Energien eine Rolle bei der Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion in der Gemeinschaft. Die Kommunen sollten sich das Konzept der Energiedienstleistungen (Lieferung von Wärme, Beleuchtung usw.) zu erschwinglichem Preis zu eigen machen. Auch die ländlichen Gebiete spielen als Energieproduzenten aus Biomasse eine wichtige Rolle, und sie tragen damit abgesehen vom reinen wirtschaftlichen Aspekt auch zur Erreichung der energiepolitischen Ziele das ihre bei.

Auf europäischer Ebene kann der Austausch von Know-how und Technologie zwischen Regionen und Kommunen zum kräftigen Katalysator werden, bedenkt man die Vielfalt der europäischen Regionen und Städte. Die Gemeinschaft sollte diesen Austausch im Rahmen der Subsidiarität erleichtern und dafür das SAVE-Programm einsetzen, namentlich zugunsten derjenigen entwickelten Regionen und Städte, die nicht für die Förderung im Rahmen der Regionalfonds in Frage kommen."

5. Energietechnologie und Forschung

Forschung und technologische Entwicklung sind wesentlich für die Verbesserung der wissenschaftlichen Kenntnisse und fortgeschrittene technologische Programme. Gerade im Energiebereich stellen Forschung und technologische Entwicklung ein wichtiges Instrument zur Unterstützung anderer Gemeinschaftspolitiken dar. Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf die von ihr initiierten forschungs- und technologischen Entwicklungsprogramme JOULE/THERMIE sowie SAVE/ALTENER.

IV. Arbeitsprogramm 1996

Als sofortige Maßnahmen beabsichtigt die Kommission 1996 folgende Initiativen zu ergreifen, ohne die Ergebnisse der kommenden Regierungskonferenz präjudizieren zu wollen:

- Aufstellung eines Programms zur Überwachung der Energietrends gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten, der Industrie und anderen Institutionen;

- Konstituierung eines beratenden Energieausschusses, in dem unter der Federführung der Kommission die wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Akteure im Energiebereich vertreten sein sollen;

- Organisation der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten auf gemeinsam vereinbarte Energieziele hin.

Az.: V/2-817-03

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