Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 790/2013 vom 04.11.2013

Energiewende auf dezentralem Kurs

Die Energiewende ist durch dezentrale Strukturen geprägt. Insgesamt leisten die Bürger durch ihr Engagement einen erheblichen Beitrag an der bis Ende 2012 installierten Leistung aus erneuerbaren Energien. Sie betreiben knapp die Hälfte der Solar- und Windenergie und einen großen Teil der Bioenergie. Dies führt auch zu positiven Effekten im Hinblick auf Beschäftigung und Wertschöpfung in einer Vielzahl von Kommunen. Hiervon profitieren auch die Bürger und die lokale Wirtschaft. Hierdurch angetrieben wird auch die Wirtschaft in strukturschwachen ländlichen Regionen.

Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Studien. Zum einen die vom Marktforschungsinstitut trend: research und der Leuphana Universität Lüneburg veröffentlichte Studie „Definition und Marktanalyse von Bürgerenergie in Deutschland“ und zum anderen die vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) für Greenpeace erstellte Studie „.Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte durch den Ausbau Erneuerbarer Energien“.

Bürger als Treiber der Energiewende

Die Studie über Bürgerenergie in Deutschland kommt zu dem Ergebnis, dass die Energiewende bisher stark durch das finanzielle Engagement der Bürgerinnen und Bürger geprägt ist und diese Verantwortung für die dezentrale Energiewende übernehmen.

Fast jede zweite Kilowattstunde des Stroms aus erneuerbaren Energien stammt danach aus Anlagen, die Bürgern gehören. Insgesamt sind 47 Prozent der bis Ende 2012 installierten Leistung aus erneuerbaren Energien in der Hand der Bürger. Bürgerenergie kommt damit auf einen fast viermal so großen Anteil wie die Energieversorger, die 12 Prozent der Anlagen zur Erzeugung erneuerbaren Energie besitzen. Bürgerenergie ist außerdem der Marktführer bei der Erzeugung von Ökostrom: Über 56.000 Gigawattstunden wurden in Erneuerbare-Energie-Anlagen erzeugt, die Bürgern gehören. Das sind 43 Prozent des produzierten Ökostroms und immerhin über 10 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland.

Die einzelnen Akteure unterscheiden sich in Beteiligungsgrad und Regionalität. Die Studie differenziert daher bei der Bürgerenergie zwischen drei Akteursgruppen: den Einzeleigentümern, den Bürgerenergiegesellschaften und der Bürgerenergie im weiteren Sinne. Auf die Einzeleigentümer entfällt etwas mehr als die Hälfte der installierten Bürgerenergie.

Um die Vielfalt der Marktteilnehmer darzustellen, wurden in der Studie die unterschiedlichen Arten der Bürgerenergie untersucht. Danach zählen zur Bürgerenergie nicht nur der Hausbesitzer mit Solardach oder ein Landwirt mit einer Biogasanlage, sondern auch die Mitglieder einer Energiegenossenschaft, die gemeinschaftlich Anteile an einem Windrad halten, oder Bürger, die zusammen mit Unterstützung der örtlichen Sparkasse eine Solaranlage auf einer Schule installieren. Bürger schultern dabei auch große Projekte. Sie betreiben nicht nur 48 Prozent der Solarleistung, sondern auch die Hälfte der installierten Windenergie und einen großen Teil der Bioenergie.

Die Untersuchung ist gemeinsam von der Initiative „Die Wende - Energie in Bürgerhand“ und der Agentur für Erneuerbare Energien in Auftrag gegeben worden.

Alle Grafiken sowie die vollständige Studie sind unter http://www.unendlich-viel-energie.de/de/detailansicht/article/226/buergerenergie-eigentuemerstruktur-und-installierte-leistungen-der-anlagen abrufbar.

Erneuerbare Energien und kommunale Wertschöpfung

Laut der Studie des IÖW über Wertschöpfungseffekte summierte sich die für das Jahr 2012 ermittelte direkte Wertschöpfung durch erneuerbare Energien in Deutschland bundesweit auf rund 16,9 Mrd. Euro. Die Wirtschaftskraft stieg damit trotz der Krise in der Solarindustrie gegenüber 2011 um rd. 10 %. Die kommunale Wertschöpfung beträgt davon rund 11,1 Mrd. Euro, so dass 66 % der gesamten Wertschöpfung verteilt über das Bundesgebiet den Kommunen zugutekommen. Mit rund 16 Mrd. Euro und 68 % an der gesamten Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien trugen Solarstrom und Windenergie den weitaus größten Teil bei. Die Herstellung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen und Komponenten ist mit einer Wertschöpfung von rund 6,6 Mrd. Euro die größte. Bis zum Jahr 2030 könnte die Wirtschaftsleistung durch erneuerbare Energien bei gleichbleibendem Ausbautempo um weitere 50 Prozent zunehmen.

Erstmalig erhob das IÖW auch die indirekte Wertschöpfung durch erneuerbare Energien und kam zu einem Gesamtwert von 25 Milliarden Euro. Hier flossen die Vorleistungen der Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen mit ein. Sie generierten weitere 8,5 Milliarden Euro an bundesweiter Wertschöpfung. Der Ausbau erneuerbarer Energien führt somit zu höheren Steuereinnahmen, Unternehmensgewinnen und Einkommen für eine Vielzahl von Beschäftigten in Bund, Ländern und Kommunen. Darüber hinaus sparte der Einsatz von Wind und Sonne die Kosten für importiertes Öl, Kohle und Gas im Umfang von 6 Milliarden Euro. Trotz einzelner Rückschläge wie zuletzt in der Solarbranche steigerte sich die Wirtschaftskraft von 2011 auf 2012 um rund zehn Prozent. Aufgrund der Krise in der Solar- und Biogasbranche sank jedoch die Zahl der direkt Beschäftigten verglichen mit dem Jahr 2011 um zehn Prozent auf 166.000. Rund zwei Drittel der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze entstanden in den Bereichen Installation, Planung und Betrieb regenerativer Anlagen. Die Arbeitsplätze verteilen sich über das ganze Bundesgebiet. Anlagenbau, der auf wenige Kommunen konzentriert ist, stellt ein Drittel der direkt Beschäftigten. Die Gesamtzahl der Arbeitsplätze beziffert das Bundesumweltministerium sogar mit 377.800, einschließlich der Zuliefer- und Dienstleistungsbetriebe, die Vorleistungen für die Erneuerbaren Energien-Branchen bereitstellen.

Anders bei zentralen Großkraftwerken, von denen nur wenige Energieversorger und Standorte profitieren würden, biete eine dezentrale Energieerzeugung den Vorteil, dass Beschäftigung und Wertschöpfung in einer Vielzahl von Kommunen stattfindet. Die erneuerbaren Energien treiben laut der Studie auch die Wirtschaft in strukturschwachen ländlichen Regionen an.

Die Studie ist unter http://www.greenpeace.de/themen/energie/presseerklaerungen/artikel/erneuerbare_energien_sind_wirtschaftsmotor_fuer_kommunen/ abrufbar.

Anmerkung

Die Ergebnisse der beiden Studien heben die Bedeutung der dezentralen Strukturen in der Energiewende hervor und unterstreichen die besondere Rolle von Bürgern und Kommunen darin. Die erneuerbaren Energien entstehen vor Ort und eröffnen neue Möglichkeiten für den ländlichen Raum, stärken die Wirtschaft in den Regionen und bieten eine Vielzahl von Kooperationsmöglichkeiten mit Bürgern und Stadtwerken. In Form von gemeinsamen Konzepten der Bürger wird dadurch auch die nötige Akzeptanz geschaffen. Die Vielzahl an dezentral angesiedelten erneuerbaren Energien stellt Kommunen und Bürger gleichzeitig vor große Herausforderungen. Sie erfordert nicht nur den Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur, sondern auch neue, intelligente Technologien sowie einen modernen und umweltfreundlichen Kraftwerkspark, der Versorgungssicherheit garantiert. Damit sowohl Bürger, Kommunen und lokale Wirtschaft diese Aufgaben meistern können, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt noch stärker auf die ihre Belange und örtliche Infrastruktur angepasst werden. Die künftige Bundesregierung ist daher gefordert bei allen anstehenden Reformschritten eine enge Einbindung von Kommunen und Bürgern zu garantieren.

Az.: II/3 811-00/8

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