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StGB NRW-Mitteilung 103/1996 vom 05.03.1996
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze
Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze vorgelegt (Drs. 13/3475), parallel wurde der Entwurf als Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. (Drs. 13/2746) im Bundestag eingebracht.
Der Gesetzesentwurf enthält in seinem ersten Teil die Regelungen zu den Leistungen an Ausländer bei vorübergehendem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 1-6), in seinem zweiten Teil die Regelung zum Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe (Artikel 7-10), im dritten Teil Regelungen zur Kostentragung für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr (Artikel 11 und 12) und entsprechende Schlußvorschriften im vierten Teil (Artikel 13-15).
Der Änderungsgesetzesentwurf enthält in seinem ersten Teil insbesondere folgende Neuregelungen:
- Der Kreis der Leistungsberechtigten wird mit dem Ziel konkretisiert, vom Grundsatz her die Ausländer zusammenzufassen, die sich typischerweise nur vorübergehend, d.h. ohne Verfestigung ihres ausländerrechtlichen Status, im Bundesgebiet aufhalten.
Ausländer mit einer Aufenthaltsgenehmigung sind nicht nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach § 120 BSHG leistungsberechtigt.
Die Leistungen nach §§ 3 ff. des Änderungsgesetzes erhalten Asylbewerber bis zum Abschluß des Asylverfahrens oder bis zu einer positiven Entscheidung, Ausländer mit einer Duldung von insgesamt bis zu 2 Jahren und andere vollziehbar Ausreisepflichtige.
Höhere Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes erhalten Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge und Ausländer mit einer Duldung von insgesamt 2 und mehr Jahren.
- Das Zusammenwirken der Leistungsbehörden und der Ausländerbehörden wird durch die Verankerung von Mitteilungspflichten über die Erteilung von Arbeitserlaubnissen an Leistungsberechtigte näher geregelt.
- Wird aufgrund einer Erklärung nach § 84 AuslG eine Verpflichtung zur Übernahme von Kosten für den Lebensunterhalt über längere Zeit erfüllt, kann bei Vorliegen besonderer Umstände eine Unterstützung gewährt werden. Landesrecht kann dabei vorsehen, daß trotz der umfassenden Verpflichtung Kosten im Krankenheitsfall, bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit übernommen werden.
- Das Leistungsverfahren der zuständigen Behörden wird geregelt, so insbesondere bei der örtlichen Zuständigkeit und der Kostenerstattung zwischen zuständigen Behörden, den Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten, der Überleitung von Ansprüchen des Leistungsberechtigten gegen andere und beim Datenabgleich entsprechend § 117 BSHG.
Der Ausschuß für Gesundheit führte am 20.11.1995 zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze eine öffentliche Anhörung durch.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat für diese vor dem Ausschuß für Gesundheit des Deutschen Bundestages stattfindende öffentliche Anhörung folgende schriftliche Stellungnahme abgegeben:
"Bevor wir zu den einzelnen Änderungen Stellung beziehen, möchten wir vorab auf folgende wesentliche Punkte hinweisen:
- Die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe ist als weiterer Versuch, zusätzliche Lasten auf die Träger der Sozialhilfe abzuwälzen, entschieden abzulehnen. Sie steht in engem Zusammenhang mit der geplanten Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe, mit der die Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit weiter betrieben wird. Angesichts der kürzlich vom Statistischen Bundesamt noch einmal skizzierten dramatischen Haushaltslage der Kommunen sind weitere Lastenverschiebungen dieser Art nicht hinnehmbar.
- Der Gesetzentwurf verspricht sich durch die Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz Einsparungen in Höhe von 886 Mio. DM. Entgegen anderslautender Äußerungen von Regierungsmitgliedern in der Öffentlichkeit kämen diese Einsparungen nicht, wie behauptet den Kommunen, sondern in erster Linie den Ländern zugute, die grundsätzlich die Aufwendungen für Asylbewerber erstatten. Als Kompensation für zusätzliche Belastungen der Sozialhilfe taugen die Einsparungen nicht, da nicht zu erwarten ist, daß die Länder diese Einsparungen zur Kompensation der Mehrbelastungen durch die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe auch tatsächlich an die Kommunen weiterleiten werden.
- Die größten Belastungen für die Kommunen entstehen durch die Aufwendungen für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, für die weder der Bund noch die Länder in ausreichendem Umfang Erstattungen vorsehen. Für diesen Personenkreis ergibt sich durch die Novelle keine Veränderung, die zu einer wirksamen Entlastung der Kommunen führen könnte.
Zu den Gesetzen im einzelnen haben wir folgende Anmerkungen zu machen:
Erster Teil:
Leistungen an Ausländer bei vorübergehendem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
Mit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und den damit einhergehenden Einsparungen sollen nach Vorstellung der Bundesregierung die Mehrbelastungen, die sich aus der Streichung der originären Arbeitslosenhilfe für die Sozialhaushalte der Kommunen ergeben werden, mehr als ausgeglichen werden. Bei der Kostenschätzung im Gesetzesentwurf wurden die jährlichen Einsparungen für Länder und Kommunen mit 886 Mio. DM beziffert, die entstehenden Mehrausgaben mit 763 Mio. DM angegeben. Bezeichnenderweise erfolgte keine differenzierte Kostenschätzung für die Kommunen ohne Einbeziehung der Länder. Wäre eine differenzierte Schätzung vorgenommen worden, so hätte man unschwer erkennen können, daß das Gesetzespaket den Bundeshaushalt und die Länderhaushalte spürbar entlastet und bei den kommunalen Haushalten zu erheblichen Mehraufwendungen führen wird.
Grundsätzlich alle Bundesländer erstatten nach den jeweiligen Landesausführungsbestimmungen den Kommunen die Aufwendungen für Asylbewerber, die sich im Verfahren befinden. Von den laut Gesetzentwurf 256.700 Personen, die im Vergleich zur jetzigen Rechtslage künftig gekürzte Leistungen erhalten, sind 218.000 Personen Asylbewerber im Verfahren. Minderausgaben für diesen Personenkreis werden sich daher nicht in den kommunalen, sondern in den Länderhaushalten niederschlagen. Lediglich bei Ausländern mit einer Duldung kann es zu geringfügigen Einsparungen auf kommunaler Seite kommen, wenn die einzelnen Landesgesetze keine Erstattung der Aufwendungen für diese Gruppe vorsehen.
Eine spürbare Entlastung könnte dann erzielt werden, wenn wie in der Vergangenheit von den kommunalen Spitzenverbänden immer wieder gefordert, ein umfassendes Flüchtlings- und Asylbewerberleistungsgesetz geschaffen würde, in dem sich der Bund zur Hälfte an den Kosten für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge beteiligt.
Mit der Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes in der vorgeschlagenen Form ist dieses Ziel jedenfalls nicht zu erreichen. Der Bund ist auch weiterhin nicht bereit, sich an den Kosten für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge zu beteiligen, für die die Kommunen die Kosten größtenteils alleine tragen.
Die bedeutendste Änderung im Entwurf zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes besteht in der Aufhebung der Unterscheidung zwischen Asylbewerbern, deren Verfahren noch keine 12 Monate dauert und solchen, die sich bereits über 1 Jahr im Verfahren befinden. Erhalten nach der geltenden Rechtslage nur die Erstgenannten gekürzte Leistungen in der Regel in Form von Sachleistungen, so sollen künftig alle Asylbewerber unabhängig von der Verfahrensdauer gekürzte Leistungen beziehen. Die Sachleistungsgewährung soll dabei auch weiterhin Vorrang haben.
Grundsätzlich ist sehr zu begrüßen, daß alle Asylbewerber gleich behandelt werden, unabhängig davon, wie lange sie sich im Verfahren befinden. Dadurch kann vermieden werden, daß in den Unterbringungseinrichtungen verschiedene Arten von Leistungen erbracht werden. Es ist davon auszugehen, daß etwa 75-80 % der Asylbewerber in den Kommunen zum Personenkreis gehören, der Leistungen entsprechend BSHG bezicht. Während in einigen Bundesländern die Rechtsprechung es für zulässig erachtete, auch die sogenannten "privilegierten" Flüchtlinge mit Sachleistungen zu versorgen, wurden in anderen Bundesländern die Kommunen verpflichtet, Geldleistungen zu gewähren. In der überwiegenden Anzahl der Fälle werden Geldleistungen an die sogenannten "privilegierten" Leistungsberechtigten erbracht.
In vielen Städten wäre eine erneute Umstellung von der Sachleistung auf die Geldleistung mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden. Es wird daher angeregt, die Leistungsart nicht definitiv festzuschreiben, sondern die Sachleistungsgewährung als Soll-Regelung auszugestalten, damit ein entsprechender Entscheidungsspielraum bei der Kommune verbleibt. Denkbar wäre auch, die Art der Leistungsgewährung durch Landesrecht regeln zu lassen. Zumindest sollten Ausnahmevorschriften, nach denen bei Vorliegen besonderer Umstände auf Wertgutscheine oder Bargeld ausgewichen werden kann, auch für die Leistungsgewährung in Einrichtungen und nicht nur wie bisher außerhalb von Einrichtungen geschaffen werden.
Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung der Leistungen in besonderen Fällen, nach der für Bürgerkriegsflüchtlinge und für geduldete Ausländer das Bundessozialhilfegesetz entsprechend Anwendung findet, führt wieder zu einer Differenzierung zwischen Leistungsberechtigten innerhalb des Asylbewerberleistungsgesetzes. Damit entstehen Schwierigkeiten in der Praxis, da wieder verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Leistungen in Einrichtungen zusammen kommen. Von Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens kann diesbezüglich keine Rede sein.
Die vorgeschlagenen Ergänzungen zur örtlichen Zuständigkeit, zu den Leistungen bei Verpflichtung Dritter und zu den Kostenerstattungsregelungen sind ausdrücklich zu begrüßen. Das Fehlen dieser Vorschriften hat in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von Problemen geführt. Grundsätzlich werden die geplanten Regelungen zur Verbesserung des Informationsflusses gleichfalls begrüßt. Jedoch ist darauf hinzuwirken, daß die Umsetzung zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand führen dürfte. Insbesondere kann die Ausländerbehörde nicht Mitteilungspflichten, die in erster Linie die Arbeitsverwaltung betreffen, übernehmen.
Zweiter Teil:
Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe
Durch die vorgesehene Streichung der originären Arbeitslosenhilfe würden die Träger der Sozialhilfe nicht nur mit Mehrkosten von 400 Mio. DM im Jahre 1996 und ca. 600 Mio. DM in den Folgejahren durch zu leistende Hilfe zum Lebensunterhalt für diesen Personenkreis belastet, sondern das System der Arbeitslosenversicherung würde durch diese Streichung einschließlich der Kürzungen nach dem Arbeitslosenhilfereformgesetz eine grundlegende Änderung erfahren. Als seinerzeit die Arbeitslosenhilfe ins AFG aufgenommen wurde, sah man hierin die notwendige Arrondierung der Arbeitslosenversicherung und der Absicherung des Risikos der längerfristigen Arbeitslosigkeit. Diese soziale Errungenschaft soll jetzt scheibchenweise zu Lasten der Sozialhilfeträger rückgängig gemacht werden. Hiergegen werden die Kommunen erbitterten Widerstand leisten.
Die Streichungen und Kürzungen der Arbeitslosenhilfe stehen auch im Gegensatz zu den Bemühungen des Bundesgesundheitsministers, der mit einer Reform des Bundessozialhilfegesetzes den Kostenanstieg in der Sozialhilfe begrenzen will.
Hinsichtlich der von der vorgesehenen Streichung zahlenmäßig größten betroffenen Personengruppe der Referendare ist darauf hinzuweisen, daß der Staat im Rahmen seines Ausbildungsmonopols den Erwerb eines Versicherungsanspruchs verhindert, verbunden mit der Einsparung von Versicherungsleistungen.
Für den Fall, daß gleichwohl die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe erfolgen soll, wird vorgeschlagen, für Arbeitnehmer, die noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben, vorzusehen, daß entsprechend der Zeit, in der Beitragszahlungen geleistet wurden, Arbeitslosenhilfe gewährt wird. Mit dem Ziel der finanziellen Absicherung von Beamten im Fall der Arbeitslosigkeit wird vorgeschlagen, in Anlehnung an die in Artikel 8 und 9 enthaltenen Regelungen Änderungen im Beamtenrecht vorzunehmen. Des weiteren meinen wir, daß zumindest in den Fällen, in denen nach Krankheit und Bezug von Krankengeld ohne volle Ausschöpfung des erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld eine Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wurde und der Anspruch auf Arbeitslosengeld entfallen ist, der noch nicht ausgeschöpfte Anteil des Anspruchs gewährt werden sollte.
Dritter Teil:
Kostentragung für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr
Der Bund übernimmt nicht mehr die Kosten, die durch die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten im Personennahverkehr entstehen. Die Regelungen im Schwerbehindertengesetz verpflichten Verkehrsunternehmen, im Nahverkehr bestimmte Gruppen von Schwerbehinderten unentgeltlich zu befördern. Entstehende Fahrgeldausfälle wurden bislang von Bund und Ländern getragen. Zukünftig sollen dafür bis auf wenige Ausnahmen allein die Länder zuständig sein. Der Rückzug des Bundes aus der Finanzierung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr ist ein weiterer Versuch der Bundesregierung, Aufgaben und Kosten auf andere zu übertragen, um den eigenen Haushalt zu entlasten. Auch wenn die Kommunen durch die neue Regelung nicht unmittelbar betroffen sind, ist einer zu befürchtenden weiteren Verlagerung von den Ländern auf die Kommunen vorzubeugen."
Mittlerweile hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 08.02.1996 die zweite und dritte Beratung des Entwurfs des Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und anderer Gesetze vorgenommen. Der von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachte Entwurf zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Drs. 13/2746 und 13/3720 Nr. 1) wurde in der Fassung des Ausschusses für Gesundheit angenommen. Gleichzeitig wurde die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit angenommen, den inhaltsgleichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung auf Drs. 13/3475 für erledigt zu erklären.
Der Gesundheitsausschuß des Bundesrates hat mittlerweile seine Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf verweigert.
Die Geschäftsstelle wird über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahren unaufgefordert berichten.
Az.: I/3-807