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Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 228/2007 vom 21.03.2007
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des ÖPNVG NRW
Das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes hat den kommunalen Spitzenverbänden noch vor etwaigen Entscheidungen im Landeskabinett Gelegenheit gegeben, zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen Stellung zu nehmen.
Auf der Grundlage des Beschlusses unseres Präsidiums vom 31.10.2006 kommt die Geschäftsstelle in Bezug auf die zentralen Regelungen des Gesetzentwurfs zu folgenden grundlegenden Einschätzungen:
Die Bekräftigung der kommunalen Aufgabenträgerschaft für den straßengebundenen ÖPNV wie auch für den SPNV sowie die beabsichtigte Zusammenführung von Aufgaben- und Ausgabenzusammenführung (Pauschalierung) unter Wahrung der Eigenständigkeit der Finanzierung von straßengebundenem ÖPNV und SPNV werden begrüßt. Die intendierte Schwächung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden wird nachdrücklich abgelehnt.
Zu einzelnen Änderungsvorhaben vertritt die Geschäftsstelle folgende Positionen:
Die Aufgabenträgerschaft auch durch kreisangehörige Kommunen hat sich in NRW bewährt. Attraktive und effiziente Orts-, Stadt- und Bürgerbussysteme sowie Anrufsammeltaxiverkehre sind Beispiele, die belegen, dass das Innovationspotenzial gerade in diesem Bereich außerordentlich hoch ist. Es ist aus kreisangehöriger Sicht unverständlich, wenn durch Änderungen der §§ 4 und 9 ÖPNVG eine Landespolitik, die vor dem Hintergrund zurückgehender Finanzmittel flexible und situationsgerechte Bedienungsformen und ÖPNV-Angebote vorantreiben will, künftig intelligenten Lösungsansätzen vor Ort Riegel vorschiebt, indem sie die Kompetenzen der kreisangehörigen Städte weiter reduziert.
Der Städte- und Gemeindebund lehnt deshalb die Änderungsvorschläge in § 4 des Gesetzentwurfs strikt ab, die den Anspruch kreisangehöriger Kommunen, im Ortsverkehr wie im Nachbarortsverkehr auf Aufgabenübertragung beseitigen, wenn die beteiligten Gemeinden dies verlangen und überörtliche Belange nicht entgegenstehen. Schon die bestehenden Regelungen sind – wie der Verband von Anfang an unmissverständlich klargestellt hat - völlig unzureichend für ein verkehrspolitisches und finanzielles Engagement kreisangehöriger Städte und Gemeinden. Sie haben bei der Mehrzahl kreisangehöriger Kommunen denn auch vielfach dazu geführt, dass sie den ÖPNV vor Ort nicht zu „ihrer Sache“ gemacht haben, sondern sich eher in ihrer Rolle als Schulträger mit der Thematik befassen. Dies wird seitens des Städte- und Gemeindebundes bedauert. Es ist auch in der Verkehrswissenschaft herrschende Auffassung, dass gerade in Gebieten außerhalb der Ballungsräume und vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung flexible Bedienungs- und Angebotsformen dringend einer größeren Verbreitung bedürfen. Hierzu kann es aber nur kommen, wenn Räte und Verwaltungen vor Ort über Entscheidungskompetenzen verfügen.
Lokale Angebote und Verkehrskonzepte strahlen in aller Regel auf die Umgebung aus und machen nur Sinn mit als integrierter Bestandteil des regionalen SPNV- und ÖPNV-Angebots. Aufgabenübertragung (§ 4 des Entwurfs) sowie Beteiligung engagierter Städte und Gemeinden bei der Nahverkehrsplanung (§ 9 des Entwurfs) können daher nicht allein in das Ermessen des Kreises gestellt werden. Nicht zuletzt die Änderung des § 9 , nach der das Einvernehmen der Aufgabenträger-Gemeinden nur noch zu den ihr Aufgabengebiet betreffenden Inhalten des Plans erforderlich sein soll, sehen die kreisangehörigen Städte und Gemeinden angesichts eines Engagements für den örtlichen und regionalen ÖPNV als völlig kontraproduktiv an. Zunächst ist festzustellen, dass dann in dieser Norm gar keine Aussage mehr getroffen wird, weil sich das darin Geregelte ohnehin aus der kommunalen Planungshoheit ergibt. Zudem macht sie ein qualitativ hochwertiges gemeindliches Nahverkehrsangebot unmöglich, weil dieses immer in ein regionales, vernetztes Angebot eingebunden sein wird.
Es sollte inzwischen Allgemeingut sein: Nahverkehrsplanung wird durch das Engagement lokaler Verkehrspolitik belebt und nicht behindert. Ideen und Interessen müssen diskutiert und nach dem Gegenstromprinzip einer Lösung zugeführt, nicht hingegen unter den Zuständigkeitsteppich gekehrt werden.
Eine Reduzierung der bestehenden neun Kooperationsräume auf wenige große Einheiten kann nicht per se als gegenüber dem bisherigen Recht als effizienter angesehen werden. Etwaigen Synergieeffekten müssen erwartbare Kostensteigerungen aus folgenden Erwägungen gegenüber gestellt werden:
• Erhöhte Planungs-, Abstimmungs- sowie Personalkosten aufgrund größerer Ortsferne
• Effizienzverluste durch stärkere vertikale Hierarchiestrukturen
• Risiken nicht orts- bzw. situationsgerechter ÖPNV-Produkte und –Dienstleistungen
• Nachteile durch die Zusammenführung strukturell völlig unterschiedlicher Gebiete und Räume.
Der StGB NRW unterstützt die gesetzgeberische Intention, neben den großen Verkehrsverbünden im Rheinland und im Ruhrgebiet einen gleichgewichtigen dritten Kooperationsraum zu schaffen, der insbesondere die ländlichen Bereiche umfasst, die bislang in ihrer ÖPNV-Bedienung hinter den anderen Regionen des Landes zurückstehen. Allerdings sollte dies nicht einseitig vom Land auferlegt werden, sondern das Ergebnis eines kommunalen Willensbildungsprozesses sein. Der Verband geht davon aus, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren über eine Straffung der Organisationsstrukturen Einvernehmen hergestellt werden kann, soweit bei einzelnen Zweckverbänden bislang noch Vorbehalte bestehen.
Das derzeit geltende Finanzierungssystem mit seiner kaum überschaubaren Zahl von Förderinstrumenten und Fördertatbeständen, deren Umsetzung durch Fachministerium, Bezirksregierungen, Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen äußerst verwaltungsaufwendig ist, steht einer Weiterentwicklung des ÖPNV entgegen. Die beabsichtigte Pauschalierung der Fördermittel für den Bereich des SPNV und des straßengebundenen ÖPNV ist somit zu begrüßen. Davon erwarten wir uns eine nachhaltige Verwaltungsvereinfachung, Schaffung von mehr Transparenz, Gewährleistung eines effektiveren Mitteleinsatzes und Erweiterung des kommunalen Gestaltungsspielraums.
Von besonderer Bedeutung für den kreisangehörigen Raum sind bekanntlich die Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr gemäß § 45a PBefG und § 6a AEG. Dass auch diese Leistungen nach einem Übergangszeitraum in die Pauschalierung einbezogen werden sollen, findet unsere uneingeschränkte Unterstützung. Dem hierzu in § 10 Abs. 3 E-ÖPNVG NRW vorgeschlagenen Verfahren kann aus unserer Sicht zugestimmt werden, wobei wir davon ausgehen, dass es möglich ist, trotz der für das Jahr 2006 festgesetzten Werte für die Gewährung von Ausgleichsleistungen neue Linienverkehre aufzubauen bzw. freigestellte Verkehre zu integrieren und somit zusätzliche Schülerzeitfahrausweise ausgeben zu können, die dann auch vergütet werden.
Dieses Instrumentarium kann der in den §§ 10 – 14 ÖPNVG-Entwurf formulierten pauschalierten Betriebs- sowie Investitionsförderung weichen, wenn diese auf der Grundlage nachvollziehbarer, objektiver, dauerhafter und eine auskömmliche Finanzierung in allen Landesteilen sichernder Kriterien erfolgt. Insofern kann die im Gesetzentwurf angelegte Einfrierung der Mittelverteilung nur übergangsweise für einen Zeitraum akzeptiert werden, der für die Umstrukturierung der Kooperationsräume notwendig ist. Bei der ÖPNV-Förderung müssen zukünftig neben den verkehrlichen Zielen einer angemessenen Flächenversorgung die strukturpolitischen Auswirkungen besonders beachtet werden.
Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden erwarten, dass nicht in einzelnen Landesteilen bedingungslose Qualitätsansprüche aus vorgeschobenen Wettbewerbsgründen (u.a. modal split) finanziert werden und in anderen Landesteilen ÖPNV-entleerte Resträume entstehen. Ein zukünftiger Verteilungsschlüssel für die angestrebte Investitions- und Betriebsmittelpauschale muss daher berücksichtigen, dass
• gerade auch im ländlichen Raum eine umsatz- und arbeitsmarktintensive mittelständische Unternehmerstruktur existiert
• die demographische Entwicklung vielfach zur Verlängerung der Fahrtstrecken insbesondere im Schülerverkehr führen wird und
• die verkehrlichen Relationen in den Teilräumen des Landes vielfach nicht lediglich durch Pendlerströme in die Oberzentren, sondern durch stark vernetzte, disperse Verkehre in der Region selbst gekennzeichnet sind
Nicht akzeptabel wäre es demgegenüber, wenn pauschalierte Finanzmittel lediglich als Restdurchfluss bei den kommunalen Aufgabenträgern ankommen, nachdem übergeordnete Ebenen ohne korrespondierende kommunale Einflussmöglichkeiten Zugriff nehmen konnten. Für die Festlegung eines Kern-SPNV-Netzes im Landesinteresse, das vorab aus der ÖPNV-Pauschale zu finanzieren ist, besteht daher seitens der kreisangehörigen Städte und Gemeinden keine Veranlassung.
Az.: III/1 441-50