Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 758/2016 vom 24.11.2016
Erfahrungsaustausch „Anstalt des öffentlichen Rechts“
Der 27. Erfahrungsaustausch „Anstalt des öffentlichen Rechts“ fand am 9. November 2016 auf Einladung des stellvertretenden Vorstands Jürgen Becker, Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR, in Köln statt. Die Sitzung verlief sehr konstruktiv und war mit über 50 Teilnehmern gut besucht. Nach der Begrüßung durch Hauptreferentin Anne Wellmann, Städte- und Gemeindebund NRW, stellte Herr Becker die Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) vor.
Thema des ersten Vortrags war die „Ausgestaltung von Vorstandsverträgen“. Rechtsanwalt Christoph Janning, PKF-Fasselt Wirtschaftsprüfung & Beratung, gab einen Überblick über die wichtigsten Regelungen, die ein Vorstandsvertrag enthalten sollte. Zunächst wies er auf die Wichtigkeit einer einheitlichen und von den Begrifflichkeiten gesetzlich richtigen Vertragsgestaltung hin. Sodann ging er auf Vergütungsfragen ein. Die Vergütung sei grundsätzlich frei verhandelbar, wobei das Kriterium der Angemessenheit (§ 114 a Abs. 11 i. V. m. § 75 Abs. 1 GO NW) zu berücksichtigen sei, und könne sich aus einem Jahresfestgehalt und einem leistungsbezogenen Anteil zusammensetzen.
Als Nebenleistungen seien denkbar ein Dienstwagen - hier sei insbesondere an eine Regelung über die Rückforderung bei Freistellung bzw. Krankheit des Vorstands zu denken -, ein Krankengeldzuschuss, die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen/Sitzungsgeldern, Zahlung von Versicherungsprämien für eine Lebensversicherung während der Dauer des Dienstvertrags (5 Jahre, § 114 Abs. 7 GO) sowie eine Vermögensschadenshaftpflicht-Versicherung. Ebenso müsse die Altersversorgung geregelt werden.
Eine weitere Regelung könne das Rückkehrrecht in ein altes Arbeits- bzw. Dienstverhältnis bei der Gemeinde betreffen. Schließlich ging der Vortrag auf die Frage der Haftung der Mitglieder des Vorstands ein. § 3 Abs. 1 Satz 2 KUV NW regele, dass die Mitglieder des Vorstands von Unternehmen oder Einrichtungen der Gemeinde in der Rechtsform einer AöR entsprechend den Vorschriften des § 48 des Beamtenstatusgesetzes und § 81 des Landesbeamtengesetzes haften. Danach hafte der Vorstand in vollem Umfang bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
In der anschließenden Diskussion wurden insbesondere die Möglichkeiten eines Rückkehrrechts zur Gemeinde kontrovers diskutiert. Dies sei insbesondere dann problematisch, wenn das Gehalt des Vorstands höher sei als die mögliche Besoldung in der Gemeinde. Hingewiesen wurde auf die Möglichkeit eines „Gewährleistungsbescheids“ im Einvernehmen mit dem Innenministerium.
In einem zweiten Vortrag stellte Geschäftsführer RA WP StB Markus Esch, Dr. Heilmaier & Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, den Entwurf des BMF-Schreibens vom 28.09.2016 zu § 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG) vor. Die Möglichkeit zur Nutzung der vierjährigen Übergangsvorschrift sei auf Antrag bis spätestens 31.12.2016 zulässig. Allerdings sei wohl ein rückwirkender Widerruf der Optionserklärung nach Auffassung der Finanzbehörden in NRW zulässig. Der Entwurf des BMF-Schreibens enthalte hierzu jedoch bedauerlicherweise keine Aussage.
Insgesamt bleibe das BMF-Schreiben eher allgemein und wenig differenziert, auch wenn einige Fragen geklärt würden. Schön wäre insbesondere gewesen, wenn eine Privilegierung von hoheitlichem Handeln auch auf privatrechtlicher Grundlage vorgesehen, das grundsätzliche Verhältnis des UStG zum Vergaberecht geklärt, mehr Beispiele aus der Praxis sowie Aussagen zu weiteren Ausnahmefällen aufgenommen worden wären. In der anschließenden Diskussion wird deutlich, dass alle AöRs entweder bereits ihre Optionserklärungen abgegeben haben oder es tun werden. Herr Esch weist auf die Möglichkeit hin, durch eine verbindliche Auskunft eine gewisse Rechtssicherheit herbeizuführen.
Im Anschluss daran referierte Anne Wellmann, Städte- und Gemeindebund NRW, über die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes - Auswirkungen auf die AöR. Ziel der Reform sei die Beseitigung der strukturellen Unterrepräsentanz in Führungspositionen und Gremien sowie die Stärkung der Position der Gleichstellungsbeauftragten. Das Landesgleichstellungsgesetz gelte bereits nach jetziger Rechtslage für die AöRs und würde nun auch auf juristische Personen des Privatrechts ausgeweitet (§ 2 Abs. 2 LGG). Die bestehende Quotenregelung werde in Anlehnung an das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz weiterentwickelt mit dem Ziel, die beruflichen Entwicklungschancen von Frauen zu verbessern.
Kern sei die Bevorzugung von Frauen bei Beförderungen und Höhergruppierungen bei „wesentlich gleicher“ Eignung, wenn der Frauenanteil in der Vergleichsgruppe (Entgeltgruppe) unter 50 Prozent liege. Eine weitere wesentliche Änderung sei die Einführung einer 40-Prozentquote für sog. wesentliche Gremien, sprich Aufsichts- und Verwaltungsräte kommunaler Unternehmen und anderer Gremien von tatsächlicher und rechtlicher Bedeutung. Bei den sog. Wahlgremien wie dem Verwaltungsrat der AöR solle der Frauenanteil auf den Kandidatenlisten i. S. d. § 50 Abs. 4 GO 40 Prozent betragen. Frau Wellmann kritisierte, dass die Regelung des § 12 EGG unverständlich sei durch viele unbestimmte Rechtsbegriffe und die Länge der Norm. Schließlich würden die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt insbesondere durch ein eigenständiges Klagerecht der Gleichstellungsbeauftragten bei Verstößen gegen ihre Rechte.
Die Novellierung des Landeswassergesetzes LWG - Schwerpunkt Abwasser war anschließend Thema des Vortrags von Sachbereichsleiterin Claudia Koll-Sarfeld, Kommunal Agentur NRW. Sie gab einen Überblick über die abwasserrelevanten Änderungen des am 16.07.2016 in Kraft getretenen Landeswassergesetzes. Dabei ging sie insbesondere auf die Änderungen bei der Niederschlagswasserbeseitigung und die Erstellung eines Abwasserbeseitigungskonzepts der Straßenbaulastträger ein. Bezüglich der interkommunalen Zusammenarbeit wies sie darauf hin, dass diese nur für benachbarte Städte und Gemeinden zulässig sei, wobei benachbart i. S. v. angrenzend zu verstehen sei.
Auf Antrag der Kommune und mit Zustimmung des Verbandes sei des Weiteren eine Kanalnetzübernahme durch sondergesetzliche Wasserverbände zulässig. Die Gebührenfähigkeit sei erweitert worden auf Sicherstellungsaufgaben, Kompensationsmaßnahmen in Gewässern und Maßnahmen der Klimafolgenanpassung (Überflutungsschutz). Die Benutzungsgebühr solle einen schonenden und sparsamen Umgang mit Wasser und Nutzung von Regenwasser fördern. Die AbwAG NRW sei als eigene gesetzliche Regelung aus dem Landeswassergesetz herausgelöst worden.
Schließlich weist Frau Koll-Sarfeld auf die FAQs der Energiekartellbehörde NRW zu Wasserkonzessionsverträgen und die Neuregelung bei der Löschwasserversorgung hin, die in Verbindung mit der leitungsgebundenen Wasserversorgungsanlage gebührenfähig seien, so z. B. zusätzliche Hydranten, größere Durchmesser von Leitungen, nicht hingegen die Löschwasserlieferung, die Löschwasserentnahme sowie separate Löschteiche. Eine vergleichbare Abrechnung könne wohl auch bei privaten Entgelten oder durch private Wasserversorger erfolgen.
Im Anschluss stellte stellvertretender Vorstand Jürgen Becker das bei den Stadtentwässerungsbetrieben seit einigen Jahren eingesetzte Instrument des Lean Management vor. Dabei gehe es um eine fortlaufende Betrachtung/Analyse des Einsatzes von Ressourcen und deren Beitrag zum Produkt/Kundennutzen. Hindernisse bzw. Störungen in den Arbeitsprozessen sollen beseitigt werden und nur die wertschöpfenden Ressourcen bleiben erhalten. Lean sei kein Instrument, sondern eine Philosophie, bei der es um Nachhaltigkeit gehe in dem Sinne, dass nur die absolut notwendigen Ressourcen zur Herstellung des Kundennutzens eingesetzt werden. Alles andere sei Ressourcenverschwendung.
Ziel sei es, nicht härter, sondern intelligenter zu arbeiten. Beispiele für Verschwendung seien z. B. nicht genutzte Mitarbeiterkompetenz, eine brachliegende oder falsche Software, unnötiger Verbrauch von Energie und Wasser, Nichteinhalten von Terminen, fehlerhafte Arbeiten, vermeidbares Nachfragen und Nacharbeiten sowie unvorbereitete Sitzungen. Ziel sei es, in kleinen Schritten unter Einbindung der Mitarbeiterschaft zur Optimierung der Abläufe zu kommen.
Der Verlauf der Sitzung zeichnete sich unter Moderation von Hauptreferentin Anne Wellmann durch eine intensive und pragmatische Diskussion aus, die gezeigt hat, dass sowohl rechtliche als auch organisatorische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen bei der Führung der AöR nach wie vor aktuell sind. Die Präsentationen der Vortragenden sind für StGB NRW-Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des StGB NRW-Internetangebots unter Fachinfo und Service > Fachgebiete > Finanzen und Kommunalwirtschaft > Mitgliederbereich > Anstalt des öffentlichen Rechts abrufbar. Der nächste Erfahrungsaustausch findet auf Einladung von PKF-Fasselt, Wirtschaftsprüfung & Beratung, am 26.04.2017 in Duisburg statt.
Az.: 28.0-003/002 we