Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation
StGB NRW-Mitteilung 294/2023 vom 22.05.2023
Ergebnisse des Sondergipfels des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder
Bundeskanzler Olaf Scholz und die Länder haben im Rahmen des Sondergipfels am 10. Mai 2023 zur Flüchtlingspolitik erste Ergebnisse erzielt: Der Bund will den Ländern in diesem Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich als Pauschale für die Flüchtlinge bereitstellen. Die Grundsatzentscheidung darüber, wie die Finanzierung dieser Aufgabe in Zukunft geregelt werden soll, wurde dagegen erneut verschoben. Darüber hinaus will der Bund vor allem den Zugang des Migrationsgeschehens auf EU-Ebene besser steuern, gegen illegale Migration vorgehen und Rückführungen voranbringen. Dabei setzt sich der Bund für verpflichtende Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen ein und zeigt seine Bereitschaft, auch lageangepasste Binnengrenzkontrollen einzuführen. Bund und Länder haben sich dazu bekannt, die Kommunen aktiv bei der Unterbringung der Geflüchteten und bei der Entlastung der Ausländerbehörden zu unterstützen. Der Bund plant zudem, die Asylverfahren zu beschleunigen und die migrationsspezifische Beratung, Erstorientierungs- und Integrationskurse des BAMF auszubauen.
Die Ergebnisse des Sondergipfels können wie folgt zusammengefasst werden:
Finanzierung – Einmalige Pauschale statt einer dauerhaften und verlässlichen Finanzierung
Der Bund wird die derzeitige Flüchtlingspauschale, die Zahlung von Bürgergeld an hilfsbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine und an anerkannte Asylsuchende sowie durch die mietzinsfreie Überlassung von Gebäuden und Grundstücken des Bundes auch in den kommenden Jahren fortführen. Zusätzlich wird der Bund für das Jahr 2023 einmalig die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen. Damit sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren.
Länder und Kommunen haben sich dagegen für ein dauerhaft und verlässliches „atmendes System“ ausgesprochen, bei dem sich die finanzielle Unterstützung des Bundes an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert. Neben einer Dynamisierung sollten die Elemente des sogenannten 4-Säulen-Modells enthalten sein (vollständige Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung für Geflüchtete im SGB II, monatliche pro-Kopf-Pauschale, Integrationskosten, Kosten für unbegleitete Minderjährige).
Steuerung des Zugangs und Bekämpfung der illegalen Migration – Hinwirken des Bundes auf die vorliegende Reform der EU-Migrationspolitik und verpflichtende Grenzverfahren
Um dies zu erreichen, soll die Kooperation mit zahlreichen Herkunftsländern verbessert werden und weitere Migrationsabkommen, wie aktuell mit Indien, über die Rücknahme ausreisepflichtiger Personen mit den Herkunftsländern geschlossen werden.
Die bereits seit langem vorliegenden Reformvorschläge zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik (inkl. Screening, Eurodac, Asylgrenzverfahren, Sichere-Staaten-Konzepte, Dublin-Reform, Solidaritätsmechanismus) soll bis Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments (Frühjahr 2024) mit diesem geeint werden. Die Bundesregierung will sich in den laufenden Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) für verpflichtende Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen für bestimmte Personengruppen einsetzen. Dabei geht es um Menschen, bei denen voraussichtlich eine geringe Chance auf Zuerkennung von internationalem Schutz besteht. Auch Rückführungen sollen dann direkt von dort erfolgen.
Der Schutz der EU-Außengrenzen soll durch eine Stärkung von Frontex verstärkt werden. Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.
Verteilung und Registrierung von neuankommenden Geflüchteten
An dem Verteilungsmechanismus des sog. „Königsteiner Schlüssels“ auf die Bundesländer soll festgehalten werden. Die Länder haben dagegen im Hinblick auf eine gleichmäßigere landesinterne Verteilung auf die Kommunen lediglich einen Prüfauftrag. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich dafür ausgesprochen, die Kriterien für die sog. Wohnsitzauflage wieder zu schärfen, so dass eine verpflichtende Zuweisung nach den Kriterien der Arbeitsmarktsituation, Verfügbarkeit von Sprachkursen, Kita- und Schulplätzen, aber auch der jeweilige Wohnsituation möglich ist.
Unterbringung von Geflüchteten – Ausbau Erstaufnahmeeinrichtungen, Bereitstellung von Bundesliegenschaften sowie bau- und vergaberechtliche Erleichterungen
Hier haben Bund und Länder ihre aktive Unterstützung der Kommunen wie folgt formuliert:
- Die Länder halten Erstaufnahmekapazitäten vor und werden sie weiter bedarfsgerecht
ausbauen.
- Der Bund unterstützt Länder und Kommunen durch die mietfreie Überlassung von
Bundesliegenschaften. Außerdem erstattet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA)
die Herrichtungskosten, die zur erstmaligen Unterbringung von Geflüchteten und
Asylsuchenden aufgewendet worden sind. Er wird seine Zusage zur Bereitstellung von
weiteren nutzbaren Liegenschaften der BImA erfüllen.
- Erleichterungen von bau- und vergaberechtlichen Regelungen sowohl für
Flüchtlingsunterkünfte als auch für soziale Einrichtungen, Schulen und Kitas werden zeitnah
umgesetzt, insbesondere die Sonderregelungen für die Flüchtlingsunterbringung (§ 246
BauGB) werden nochmals um weitere drei Jahre bis zum 31. Dezember 2027 verlängert.
- Der Bund strebt darüber hinaus Vereinfachungen und Beschleunigungen im
Vergaberecht sowie eine befristete Erhöhung der Wertgrenzen zur Vergabe von
Bauaufträgen im Wohnungsbau unterhalb der Schwellenwerte der Europäischen Union (EU)
an. Bund und Länder streben an, die unterschiedlichen Wertgrenzen für
Vergabeerleichterungen anzugleichen und dabei auf höherem Niveau zu konsolidieren.
- Die gesetzlichen Regelungen im SGB II und ggf. auch für das SGB XII sollen zügig
angepasst werden, um eine Ungleichbehandlung, derjenigen Menschen, die aktuell in
Gemeinschaftsunterkünften mit Vollverpflegung untergebracht werden und einen Anspruch
auf den vollen Regelsatz in Geldleistung haben, gegenüber anderen Leistungsbeziehern zu
beenden.
Integration – Ausbau migrationsspezifische Beratung, Erstorientierungs- und Integrationskurse des BAMF
Der Bund wird migrationsspezifische Beratung, Erstorientierungs- und Integrationskurse des BAMF sowohl quantitativ als auch qualitativ bedarfsgerecht ausbauen. Die Anerkennung von Berufsqualifikationen soll vereinfacht werden. Bund und Länder setzen sich für eine zügige und einheitliche Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen sowie für eine Digitalisierung der Anerkennungsverfahren ein.
Entlastung der Ausländerbehörden und Ausbau der Digitalisierung
Der Bund und die Länder wollen die kommunalen Ausländerbehörden durch Änderungen im Aufenthaltsrecht wie insbesondere in der Mitwirkung im Visumsverfahren und bei der Geltungsdauer von Aufenthaltserlaubnissen stärker entlasten. Weitere Entlastungen sollen zügig durch Digitalisierung erreicht werden. Die Länder werden im kommunalen Bereich umgehend auf eine komplette Digitalisierung sämtlicher einschlägiger Verwaltungsverfahren hinwirken, wo dies noch nicht geschehen ist.
Beschleunigung der Asylverfahren in den Kommunen und im BAMF
Der Bund und die Länder setzen sich für zügige Registrierungen und eine anschließende schnelle Zuführung der Asylsuchenden zum BAMF ein. Es wird eine Asylantragstellung binnen zwei Wochen und eine Anhörung beim BAMF binnen vier Wochen angestrebt. Die Länder gewährleisten eine Mindestverweildauer der Asylantragstellerinnen und -antragsteller in der Erstaufnahmeeinrichtung innerhalb dieser Fristen. Es ist eine bessere Ausstattung der Verwaltungsgerichte für asyl- und aufenthaltsgerichtliche Verfahren vorgesehen.
Konsequente Rückführung
Die Durchsetzung der Ausreisepflicht für vollziehbar Ausreisepflichtige soll weiter vorangebracht werden. Dafür wollen die Länder weiterhin Abschiebungshaftplätze in ausreichender Zahl einrichten und vorhalten. Zudem soll der Informationsaustausch und -weitergabe zwischen Justizbehörden, Ausländerbehörden und BAMF sowie weitere betroffene Bundes- und Landesbehörden verbessert werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der Rückkehr
Konkret soll die Klärung der Identität frühzeitig mit Beginn des Asylverfahrens erfolgen, wobei alle Behörden noch enger als bisher zusammenarbeiten und etwaige rechtliche Hürden beseitigt werden müssen. Die Beschaffung von Passersatzpapieren wird zum rechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt eingeleitet.
Gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren, sollen angepasst werden. So soll insbesondere die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams im Einklang mit dem verfassungs- und europarechtlichen Rahmen von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Zudem soll gesetzlich klargestellt werden, dass Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote keine aufschiebende Wirkung haben. Schließlich sollen Wohnsitzauflagen und räumliche Beschränkungen künftig von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sein.
Quelle: DStGB Aktuell 1923 vom 12.05.2023
Az.: 16.4-019