Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 582/2007 vom 14.09.2007
Erhalt des Grundsteueraufkommens bei strukturell bedingtem Leerstand
In einem Schreiben an das Bundesministerium der Finanzen, die Finanzministerien der Länder und die im Bundestag vertretenen Fraktionen setzt sich der DStGB für eine gesetzliche Regelung zum Erhalt des Grundsteueraufkommens der Städte und Gemeinden auch in Fällen des strukturell bedingten Leerstandes ein. Hintergrund ist ein neuerer Beschluss des Bundesfinanzhofes (BFH), wonach ein Grundsteuererlass nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann. Die Initiative des DStGB für eine gesetzliche Regelung dieser Problematik erfolgte im Rahmen der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände.
Wie mit Schnellbrief Nr. 68 v. 03.05.2007 berichtet, hatte sich jüngst auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 24.04.2007, Az. GmS-OGB 1.07) der Rechtsauffassung des BFH (Beschluss vom 13.09.2006, Az. II R 5/05) angeschlossen. Das Schreiben der kommunalen Spitzenverbände wird im Folgenden wiedergegeben:
„... die jüngste Interpretation des Bundesfinanzhofs der als Ausnahmetatbestand konzipierten Erlassregelung des § 33 Grundsteuergesetz (GrStG), die ihren Anwendungsbereich auf Situationen strukturell bedingten Leerstandes ausweitet, trifft in den Kommunen aus steuersystematischer und fiskalischer Sicht auf große Bedenken und bedarf deshalb einer Korrektur durch den Gesetzgeber. Insbesondere in den Kommunen der neuen Bundesländer drohen infolge der sich abzeichnenden neuen Auslegungslinie Steuerausfälle von bis zu 10 %, was diese doppelt hart trifft, da der Grundsteuer in den neuen Bundesländern ein besonders hohes Gewicht im Kanon der gesamten kommunalen Steuereinnahmen zukommt. Bund und Länder werden deshalb dringend gebeten, die drohende Richtungsentscheidung im Wege einer klarstellenden Gesetzgebung zu entschärfen.
Bislang gewährt § 33 GrStG einen Steuererlass, falls sich die Ertragslage eines Grundstücks temporär und durch äußere Umstände deutlich verschlechtert hat. Diese Zielstellung wurde auch den Erlasskriterien der Grundsteuerrichtlinie (GrStR) zugrunde gelegt. Die GrStR berücksichtigt zum einen nur atypische Ertragsminderungen, welche beispielsweise aus Leerständen infolge von Brand- und Wasserschäden resultieren können. Zum anderen darf ein solcher Leerstand aber nur von temporärer Natur sein, denn ein langfristiger Leerstand – also das Unterlassen einer Sanierung oder gar eine unwirtschaftliche Bebauung von Grundstücken – sollte gerade nicht gefördert werden.
Die sich abzeichnende Rechtsprechung des BFH droht nun auf eine faktische Grundsteuerbefreiung für alle leerstehenden Gebäude hinauszulaufen, ohne genügend der Steuerungsfunktion des Marktes Rechnung zu tragen. In einer Marktwirtschaft tarieren sich Angebot und Nachfrage über den Preis aus. Findet das Angebot zu einem bestimmten Preis keine korrespondierende Nachfrage, muss der Preis – nötigenfalls bis zur Kostdeckungsgrenze – gesenkt werden. § 33 GrStG hebt allein auf vom Steuerschuldner nicht zu vertretene erhebliche Minderungen des Rohertrags ab. Auf dem relevanten Markt ist er jedoch wie der Nachfrager handelnder und damit gestaltender Akteur. Ein starker Nachfragerückgang müsste nach den Marktmechanismen mit sinkenden Mieten und Immobilienpreisen einhergehen, um zu einem neuen Gleichgewicht zu kommen. Doch selbst in den relativ stark von Leerstand betroffenen Städten und Gemeinden sind die Kaltmieten noch immer auf einem Niveau, das bei weitem nicht nur den notwendigen Erhaltungsaufwand deckt. Dazu passt ins Bild, dass sich auch die Immobilienpreise stabil entwickeln. Es kann deshalb nicht akzeptiert werden, dass die Kommunen ausgerechnet für künstlich hochgehaltene Mietniveaus, für Fehleinschätzungen des Marktes sowie für Anlagestrategien in Spekulationsobjekten und Steuersparmodellen finanziell gerade stehen sollen. Ein genereller Erlassanspruch bei Leerstand kann zudem einen erhöhten Flächenverbrauch, Modernisierungsstaus und steigende Mietniveaus befördern.
Auch vor dem Hintergrund des Realsteuercharakters der Grundsteuer ist ein nahezu vollständiger Grundsteuererlass bei Leerständen nicht zu rechtfertigen. Die Grundsteuerzahlungen sollen die – nicht bereits durch Beiträge und Gebühren abgedeckten – öffentlichen Allgemeinlasten der Grundstückserschließung und -nutzung abdecken. Auch unvermietete Gebäude verursachen solche Kosten und sind deshalb im Sinne des Äquivalenzprinzips ebenfalls einer Besteuerung zu unterwerfen.
Steuersystematisch steht der zu befürchtenden Ausweitung des Grundsteuererlasses weiter entgegen, dass die Höhe der Grundsteuer sich am Gebäudewert orientiert. Auch ein leerstehendes Gebäude ist aber nur selten auch tatsächlich wertlos. Insoweit droht die neue Auslegung des § 33 GrStG auch zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen zu führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Ertragsminderung zwar in der Regel auch mit einer Wertminderung einher geht, die Intensität der Verknüpfung aber maßgeblich von der Dauer des zu erwartenden Ertragsausfalls abhängt. Nach der neuen Rechtsauslegung durch den BFH würde bereits ein einjähriger totaler Mietausfall mit einem nahezu vollständigen Wertverlust (4/5 Regelung) des Grundstücks gleichgesetzt werden. Diese Fiktion tritt offenkundig in einen Konflikt mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Die neue Rechtsauslegung des BFH verstößt in systematischer Sicht schließlich ebenfalls gegen das steuerpolitische Grundprinzip der Korrespondenz. Wenn nämlich Ertragssteigerungen nicht zu einer höheren Steuerbelastung führen, dann dürfen Ertragsminderungen im Gegenzug auch keine Senkung der Steuerbelastung auslösen.
Der § 33 GrStG war bereits in seiner alten restriktiveren Auslegung steuersystematisch sehr umstritten, da die Regelung die bewährten allgemeinen Erlassbestimmungen der §§ 163, 227 Abgabenordnung (AO) verdrängt. Diese Billigkeitserlasse der AO sind deutlich zielgenauer, weil sie zum einen die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners berücksichtigen können und zum anderen eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Sachlage zulassen.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen möchten wir Sie deshalb bitten, die Erlassvorschriften des § 33 GrStG zugunsten der Erlassvorschriften der §§ 163, 227 AO außer Kraft zu setzen und damit einer Erosion des Aufkommens und der Akzeptanz der Grundsteuer entschieden entgegenzuwirken.“
Az.: IV/1 931-00