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StGB NRW-Mitteilung 439/1997 vom 05.09.1997
Erhöhte Hundesteuer für Kampfhunde
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19.02.1997 (Az.: 13 L 521/95) eine erhöhte Hundesteuer für "Kampfhunde" unter bestimmten Voraussetzungen für rechtmäßig erklärt. Zu diesem Verfahren und zur Frage der Übertragbarkeit der Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes hat das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nunmehr mit Erlaß vom 15.07.1997 (Az. III B 4 - 4/170-6254/97) folgendes ausgeführt:
"Als Kampfhunde werden in der Hundesteuersatzung der Stadt Dannenberg definiert:
´Kampfhunde sind solche Hunde, bei denen nach ihrer besonderen Veranlagung, Erziehung und/oder Charaktereigenschaft die erhöhte Gefahr einer Verletzung von Personen besteht. Kampfhunde im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere Bull-Terrier, Pit-Bull-Terrier, Mastino Neapolitano, Fila Brasil, Dogue-Bordeaux, Mastino Espagniol, Staffordshire-Bull-Terrier, Dog Argentino, Römischer Kampfhund, Chinesischer Kampfhund, Bandog, Bulldog.´
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht stellt in seinem Urteil ausdrücklich fest, daß der Gedanke der Steuergerechtigkeit nicht schon deshalb verletzt sei, weil Kampfhunde gegenüber sonstigen Hunden höher besteuert werden.
Weiter führt das OVG aus: ´Wenn also tatsächlich festgestellt werden kann, daß einzelnen Hunderassen und Arten ein erhöhtes Gefährdungspotential aufgrund der in der Hundesteuersatzung der Stadt Dannenberg aufgeführten Kriterien - Veranlagung, Erziehung und/oder Charaktereigenschaft - typischerweise und nicht notwendig in jedem einzelnen Fall - zugeordnet werden kann, so erscheint auch die in der oben zitierten Satzungsregelung enthaltene unwiderlegbare Vermutung, daß es sich dabei um Kampfhunde handelt, die im besonderen Maße einer prohibitiven Besteuerung unterliegen dürfen, nicht sachwidrig.´
Dies hält das OVG nach der kynologischen Literatur bei den erwähnten Hunderassen Bull-Terrier, Pit-Bull-Terrier, Mastino Neapolitano und Fila Brasiliero für gegeben. Dafür, daß auch die übrigen in der Hundesteuersatzung als Kampfhunde bezeichneten Hunderassen und -arten die vorgenannten Aggressionsmerkmale aufweisen, bestehen nach Ansicht des OVG durchaus Hinweise in der Fachliteratur. Lediglich die Aufzählung des Bandog und Bulldog in der ´Kampfhundeliste´ hält das Gericht unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebotes (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) für bedenklich, weil diese Hunde keine international anerkannten Hunderassen darstellen. Desgleichen gelte für die Bezeichnung Römischer Kampfhund.
Offen bleiben kann nach Ansicht des Gerichts auch, ob es Satz 1 der Definition der Kampfhunde an der für eine Norm notwendigen Bestimmtheit mangelt, weil schwerlich vorhersehbar sei, welcher Hund im Einzelfall als für Personen erhöht gefährlich anzusehen sei und welcher nicht. Auch wenn diese Vorschrift nicht wirksam wäre, hätte Satz 2 der Definition wegen der Erfassung der häufigsten und bekanntesten Kampfhundearten entsprechend 139 BGB weiterhin Bestand.
Das OVG sieht auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) darin, daß Hunderassen wie Schäferhunde, Rottweiler, Deutsche Dogge und Riesenschnauzer sowie Mischlinge von der Definition nicht erfaßt seien, obwohl sie in besonderem Maß bei der Verletzung von Menschen repräsentiert seien. Insoweit mangelt es nach Ansicht des Gerichts an aussagekräftigen Statistiken, die die Beißzwischenfälle nach Art und Schwere sowie vor allem nach der Zahl der in Deutschland vorhandenen Population ins Verhältnis setzen. Darüber hinaus könne der Verordnungsgeber ohne Verfassungsverstoß aufgrund der langen Verwendung dieser Rassen und ihrer Mischlingsform als Gebrauchs- und Schutzhunde sowie des deshalb bei Züchtern und Haltern dieser Rassen bestehenden Erfahrungsschatzes bezüglich des Charakters und des möglichen Verhaltens der Hunde ohne Verfassungsverstoß den Gesichtspunkt, daß bei diesen Hunden möglicherweise eine ähnliche Aggressivität und Gefährlichkeit vorliegt, geringer gewichten und zurückstellen. Dabei habe der Senat berücksichtigt, daß dem Satzungsgeber bei komplexen, im Tatsächlichen in vieler Hinsicht ungeklärten Sachverhalten ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen sei, der die Befugnis einschließt, zunächst in angemessener Zeit Erfahrungen zu sammeln und sich während dieser Zeit mit größeren Typisierungen und Generalisierungen zu begnügen. Sollte die Gefährlichkeit weiterer Hunderassen - so das OVG - signifikant werden, seien diese zudem aufgrund der nur beispielhaften Aufzählung der Hunde ´Kampfhunde´ von der Definition der Kampfhunde in der Hundesteuersatzung gleichermaßen erfaßt.
Das Gericht hat auch einen Verstoß gegen das Übermaßverbot als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips verneint. Ebenso verwirft es den Einwand, bei der Besteuerung der Kampfhunde in der vorgesehenen Höhe von 1.200 DM handele es sich um eine Erdrosselungssteuer. Einen derartigen steuerrechtlich unzulässigen Formenmißbrauch stelle die Kampfhundesteuer bereits deshalb nicht dar, weil Anhaltspunkte dafür, daß dadurch die Kampfhundehaltung gänzlich eingestellt werde, nicht vorhanden seien.
Mit ähnlichen Argumenten hatte zuvor bereits der Bayerische VGH in seinem Urteil vom 29.07.1996 - 4B 95.1675 - eine erhöhte Steuer für Kampfhunde als verfassungsrechtlich zulässig erklärt.
Mit Erlaß vom 16.08.1991(111 B 4 - 41171 - 6261/91) habe ich gegen die Einführung
einer erhöhten Hundesteuer für ´Kampfhunde´ - insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Gleichheits- und Bestimmtheitsgrundsatzes - rechtliche Bedenken geäußert. Diese Bedenken sind durch obergerichtliche Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg und des OVG Bremen aus dem Jahr 1992 bestätigt worden. Vor diesem Hintergrund enthält auch die Hundesteuer-Mustersatzung des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes keine Bestimmungen über einen erhöhten Steuersatz für sogenannte Kampfhunde. Angesichts der Entwicklung in der neueren Rechtsprechung stelle ich meine im Erlaß vom 16.08.1991 geäußerten rechtlichen Bedenken vorerst zurück. Hundesteuersatzungen, die sich an den Vorgaben des OVG Lüneburg orientieren, sind - vorbehaltlich der nach wie vor erforderlichen Einzelfallprüfung - grundsätzlich als genehmigungsfähig anzusehen.
Ich mache aber ausdrücklich darauf aufmerksam, das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bisher keine Gelegenheit hatte, zu den angesprochenen Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Hundesteuersatzungen, die einen erhöhten Steuersatz für ,,Kampfhunde' vorsehen, unterliegen deshalb einem besonderen rechtlichen Risiko.
Unabhängig von rechtlichen Gesichtspunkten sind bei der Einführung solch erhöhter Steuersätze für sogenannte ´Kampfhunde´ Aspekte der Verwaltungspraktikabilität zu bedenken:
Das OVG Lüneburg hat im o.g. Urteil selbst darauf hingewiesen, daß es -jenseits der exemplarisch genannten Rassen - ausgesprochen schwer vorhersehbar sein werde, welcher Hund im Einzelfall als für Personen erhöht gefährlich anzusehen ist und welcher nicht. Hier stelle sich insbesondere die Frage, ob die Gefahr einer Verletzung von Personen erst dann angenommen werden kann, wenn diese durch konkrete Ereignisse belegt ist. Das Urteil weist insoweit auf Vollzugsprobleme hin, die noch dadurch verstärkt werden, daß nach meinen Erkenntnissen in den Städten und Gemeinden die der Hundesteuer unterfallenden Hunde nicht nach Rassen erfaßt sind.
Für Städte und Gemeinden, die trotz dieser Probleme von der Möglichkeit erhöhter
Steuersätze Gebrauch machen wollen, empfehle ich deshalb, auf die etwas präzisere Definition der Hunde in der ordnungsbehördlichen Verordnung über die Zucht, die Ausbildung, das Abrichten und das Halten gefährlicher Hunde (Gefahrhundeverordnung NW) vom 21. September 1994 zurückzugreifen. Unabhängig davon sollte die Einführung erhöhter Steuersätze für sog. Kampfhunde wegen der immer noch bestehenden rechtlichen Risiken und der skizzierten erheblichen Vollzugsprobleme in Rat und Verwaltung sorgfältig und eingehend erörtert werden."
Die Rechtsposition des Innenministeriums stimmt mit der Einschätzung der Geschäftsstelle überein. Rein rechtlich dürfte eine erhöhte Hundesteuer für "Kampfhunde" durchaus möglich sein, ob dies jedoch trotz der nicht zu unterschätzenden praktischen Anwendungsprobleme zur Einführung einer derartigen besonderen Steuer Anlaß gibt, sollte vor Ort kritisch geprüft werden.
Az.: V/3 933-00