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StGB NRW-Mitteilung 129/2013 vom 06.02.2013
Erlass der Gewerbesteuer auf Sanierungsgewinn
Der VGH Hessen hat in einem Beschluss vom 18.07.2012 entschieden, dass das Ermessen der Kommune bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass der auf unternehmensbezogenen Sanierungsgewinn beruhenden Gewerbesteuer nicht im Sinne einer stattgebenden Entscheidung auf Null reduziert ist (Az.: 5 A 293/12.Z).
Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte auf Erlass der GewSt für das Jahr 2007. Das VG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stünde ein Erlass der GewSt 2007 nach § 227 AO, der nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO für die GewSt als Realsteuer Anwendung findet, nicht bereits deshalb zu, weil die Finanzbehörde bei der Festsetzung des Messbetrags im Grundlagenbescheid einen Sanierungsgewinn zu berücksichtigen gehabt habe, der durch einen Forderungsverzicht von Gläubigern der Klägerin entstanden sei. Die Beklagte sei bei ihrer Entscheidung über den Erlassantrag zutreffend davon ausgegangen, dass das ihr nach § 227 AO eröffnete Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob die Einziehung der GewSt nach Lage des einzelnen Falles unbillig sei, nicht auf Null reduziert sei.
Eine solche Ermessensbindung folge nicht aus der im BMF-Schreiben v. 27.03.2003 enthaltenen Anordnung, wonach sanierungsgewinnbedingte Steuern auf Antrag nach § 227 AO zu erlassen seien. Wie das BMF-Schreiben in Nr. VI selbst klarstelle, sei für die Stundung und den Erlass der GewSt die jeweilige Gemeinde zuständig, so dass die Anordnung für die kommunale Steuerbehörde nicht bindend sei. Neben diesem formalen Grund, gebe es auch keine materiellen Gründe, bei Sanierungsgewinnen einen Erlassantrag stets und uneingeschränkt zu bejahen. Eine solche stets zum Steuererlass führende Verwaltungspraxis liefe der gesetzgeberischen Wertung zuwider, die mit der Streichung des § 3 Nr. 66 EStG in der Abschaffung der Steuerbegünstigung des Sanierungsgewinns zu sehen sei.
Die dagegen von der Klägerin im Rahmen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vorgebrachten Einwände haben nicht zur Zulassung der Berufung geführt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es der einen Steuererlass ablehnenden Entscheidung der Beklagten nicht an der erforderlichen Ermessensausübung. Das VG hat dies festgestellt und darüber hinaus auch dargelegt, dass die inhaltliche Auseinandersetzung der Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden ist. Es hat dabei deutlich gemacht, dass die Entscheidung der Beklagten über das Erlassbegehren nur daraufhin geprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Eigene Erwägungen kann das überprüfende Gericht nicht an deren Stelle setzen. Dabei ist es von den grundlegenden Erwägungen ausgegangen, die auch der Senat bereits in seiner Entscheidung von 13.07.2010 zur Frage der gewerbesteuerliehen Berücksichtigung von Sanierungsgewinnen formuliert hatte. Danach kann sich die im Rahmen der Ermessensbestätigung anzustellende Prüfung der sachlichen Unbilligkeit auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die im Fall des betreffenden Erlassantragstellers zu Grunde zu legende Gesetzeslage die eingetretene Folge geregelt und damit ausdrücklich in Kauf genommen hat oder ob die Folge nicht geregelt und insofern von der Gesetzeslage her - und deshalb sachlich - unbillig ist. Die Unbilligkeit kann also mit der Erwägung verneint werden, die Besteuerung auch von Sanierungsgewinnen habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, so dass nicht bereits aus diesem Grund eine besondere Unbilligkeit im Einzelfall vorliegt.
Diesen Erwägungen kann insb. nicht entgegengehalten werden, damit würden nachteilige gesamtwirtschaftliche Fehlanreize gesetzt. Zum einen ist dies allein die Folge der gesetzgeberischen Entscheidung und zum anderen kommt es für die allein maßgebliche individuelle Frage einer Unbilligkeit nur auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Selbst wenn über die sachliche Unbilligkeit allein auf der Grundlage des BMF-Schreibens v. 27.03.2003 entschieden werden sollte, ist ein Ermessensfehlgebrauch nicht ersichtlich, weil diese Verwaltungsanweisung selbst eng gefasst ist und das Ermessen nicht voll ausschöpft.
Allerdings bindet dieser Erlass des BMF die Beklagte als kommunalen Entscheidungsträger für die GewSt schon nicht. Auch geht ... der Gesetzgeber in der Begründung zum Entwurf eines Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 gerade nicht davon aus, dass Sanierungsgewinne im Regelfall steuerlich privilegiert zu behandeln seien.
Die Gesetzesbegründung spricht wörtlich von "kann" und nicht von einem "Regelfall". Gerade die Bezugnahme auf die Billigkeitsregelung macht deutlich, dass der Erlass stets eine Einzelfallbewertung notwendig macht, der Erlass aber niemals der Regelfall sein kann.
Dass die Einziehung von Steuern aufgrund solcher Sanierungsgewinne bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 227 AO unbillig sein kann, bestreitet das VG in seiner Entscheidung gerade nicht. Von daher kann auch die ebenfalls angeführte Entscheidung des Nds. OVG v. 01.04.2011, das sich an der Entscheidung des BFH orientiert, zu keinem anderen Ergebnis führen.
[Die Frage der Klägerin], "ob die Wertungen, die im sog. Sanierungserlass zum Ausdruck kämen - Gebot einer steuerlichen Privilegierung von Sanierungsgewinnen, soweit diese nicht durch Verlustvorträge ausgeglichen werden könnten -, auf den Bereich der GewSt zu übertragen seien, so dass auch insoweit im Regelfall von einer Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge des Erlasses der entsprechenden GewSt im Billigkeitswege auszugehen sei", kann … dahingehend beantwortet werden, dass der Anspruch auf Erlass einer GewSt nach § 227 AO voraussetzt, dass deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Das Ermessen der Finanzbehörden zur Entscheidung über einen Erlass nach § 227 AO erstreckt sich sowohl auf die Voraussetzung, dass die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, als auch auf die Rechtsfolge, dass die Finanzbehörden erlassen "können".
Da die kommunale Steuerbehörde danach ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, beschränkt sich die Prüfung des Gerichtes darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens hält die Behörde dann ein, wenn sie alle gebotenen Erwägungen anstellt. Hierzu gehört selbstverständlich auch die Abwägung der sich in der Frage widerspiegelnden Interessen des Steuerschuldners, welches Gewicht der Tatsache zuzuschreiben ist, dass der der GewSt-Bemessung unterliegende Sanierungsgewinn lediglich einen "bilanzierten" Gewinn darstellt.
Es ist also eine von verschiedenen möglichen Erwägungen, die in die Interessenabwägung einzufließen haben. Da die Erlassmöglichkeit stets nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen ist, kann dieser Erwägung von Fall zu Fall ein anderer Stellenwert beizumessen sein. Auszuschließen ist deshalb die Annahme, dass stets und regelmäßig die Ermessenserwägungen in einer Weise beschränkt werden, dass regelmäßig nur noch der Erlass der GewSt die einzig richtige Entscheidung sein kann.
Az.: IV/1 932-00