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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 569/1998 vom 20.10.1998
Erlaß der Grundsteuer bei Denkmälern nach § 32 Grundsteuergesetz
Das BVerwG hat mit Urteil vom 8. Juli 1998 (Az: 8 C 23/97) zu grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit dem Grundsteuererlaß wegen Unrentabilität eines Grundbesitzes Stellung genommen. Anlaß der Entscheidung war ein Streit über die Ablehnung eines Antrags auf Grundsteuererlaß für ein Gebäude, welches 1982 unter Denkmalschutz gestellt wurde und deshalb nicht nach den Wünschen des Eigentümers umgebaut werden konnte.
Nach § 32 I Nr. 1 GrStG ist die Grundsteuer für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz zu erlassen, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt, wenn die erzielten Einnahmen und sonstigen Vorteile (=Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen.
Die Voraussetzungen für den Erlaß der Grundsteuer sind demnach:
- öffentliches Erhaltungsinteresse
- Einnahmen und sonstige Vorteile unterschreiten in der Regel die jährlichen Kosten (Unrentabilität)
- Kausalzusammenhang zwischen öffentlichem Erhaltungsinteresse und Unrentabilität.
An das öffentliche Erhaltungsinteresse sind nach Ansicht des BVerwG (relativ) hohe Anforderungen zu stellen, denn die Grundsteuerpflicht ist grundsätzlich nicht von der Ertragskraft des Grundbesitzes abhängig. Es muß sich um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, welches in rechtlichen Bindungen zugunsten der in § 32 I Nr. 1 GrStG genannten Zwecke zum Ausdruck kommt. Diese Bindungen müssen letztendlich zur Unrentabilität führende zusätzliche Benutzungsbeschränkungen auferlegen. Beispielhaft sind die rechtlichen Bindungen des Denkmalschutzes, die in ihrer nutzungsbeschränkenden Wirkung über die baurechtlich geforderte Rücksichtnahme hinausgehen.
Das Tatbestandsmerkmal der Unrentabilität setzt voraus, daß
a) in der Regel (= auf Dauer prognostizierbar)
b) die erzielten Einnahmen und sonstigen Vorteile (=grundstücksbezogene geldwerte Zuflüsse)
c) die jährlichen Kosten (=grundstücksbezogene Ausgaben) unterschreiten.
zu a) Gemeint ist ein zeitlich andauernder Zustand, die Erwartung einer dauernden Unrentabilität. Die entsprechende Prognose muß auf Grundlage der sich aus der Vergangenheit ergebenden wirtschaftlichen Daten erfolgen, wobei nur dauerhafte Rechnungsposten berücksichtigt werden.
zu b) "Einnahmen" sind die Güter, die in Geld oder Geldwert bestehen und im Zusammenhang mit dem Grundbesitz zufließen, insbesondere Miet- und Pachteinkünfte. Die Einnahmen müssen tatsächlich zugeflossen, d.h. in die Verfügungsmacht des Grundbesitzeigentümers gelangt sein. Bei Mieteinnahmen kommt es auf die tatsächlich vereinbarte Miete, nicht auf die ortsübliche Miete an. "Sonstige Vorteile" ergeben sich insbesondere aus dem Nutzungswert, den die unentgeltliche Nutzbarkeit des Grundbesitzes durch den Eigentümer selbst vermittelt. Damit soll die wirtschaftliche Erfassung ersparter Aufwendungen gesichert werden. "Sonstiger Vorteil" ist die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung zu erzielende (ortsübliche) Miete oder Pacht. Kein "sonstiger Vorteil" besteht bei mittelbaren steuerlichen Vorteilen durch Verrechnung etwaiger Verluste aus dem Grundbesitz mit anderen Einkünften.
zu c) Die "jährlichen Kosten" müssen wie die Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Grundstück stehen, d.h. Kosten für die Einrichtung des Hauses sind nicht berücksichtigungsfähig. Zu den Kosten gehören die Verwaltungs- und Betriebsausgaben, ebenso Rückstellungen für realistisch zu erwartende größere Reparaturen, wobei nur die dem Vermieter obliegenden Instandhaltungsarbeiten in Ansatz gebracht werden, nicht diejenigen, die auf den Mieter übergewälzt sind. Ebenso werden an dieser Stelle die "normalen" Abschreibungen für Abnutzung berücksichtigt, wohingegen Sonderabschreibungen nicht berücksichtigungsfähig sind, da hier kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Grundbesitz besteht. Zu den Kosten gehören weiterhin die erhobene Grundsteuer sowie die grundstücksbezogenen Versicherungsbeiträge. Schuld- und Kapitalzinsen werden dagegen nicht in die Rentabilitätsrechnung eingestellt.
Trotz berechneter Unrentabilität kann der beantragte Grundsteuererlaß abgelehnt werden, wenn die Unrentabilität nicht auf dem öffentlichen Erhaltungsinteresse beruht. In Rechtsprechung und Literatur war diese Frage bisher umstritten. Das BVerwG erläutert, daß diese Auslegung der Norm mit Bundesrecht vereinbar ist. Die sprachliche Formulierung des § 32 I Nr. 1 GrStG deutet durch Verwendung des Wortes "wenn" auf die Notwendigkeit des Ursachenzusammenhangs hin. Dem "wenn" kommt eine konditional-kausale Bedingung im Sinne von "soweit" zu. Auch die systematische Auslegung steht dieser Ansicht nicht entgegen. Die ausdrückliche Nennung eines Ursachenzusammenhanges in Abs. II der Vorschrift bedeutet nicht, daß in Abs. I bewußt auf den Kausalzusammenhang verzichtet wurde, da es bei Abs. II um einen Teilerlaß der Grundsteuer geht, der bereits wegen der gebotenen Ermittlung der Höhe des Erlasses von vornherein die Beachtlichkeit des Ursachenzusammenhangs voraussetzt. Auch die Historie der Vorschrift steht dem nicht entgegen. Der Zweck der Regelung im Gesamtgefüge des Gesetzes spricht ebenfalls für den geforderten Kausalzusammenhang. Der Abs. I der Vorschrift bedeutet eine Durchbrechung des Grundsatzes, daß für jeden Grundbesitz- unabhängig von der Rentabilität- Grundsteuer zu entrichten ist. Deshalb sind an das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abweichen von diesem Grundsatz (relativ) hohe Anforderungen zu stellen. Eine am Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung spricht dafür, daß kein Anspruch auf Grundsteuererlaß gewährt werden soll, wenn die durch die Kulturguteigenschaft bewirkten Einschränkungen die Unwirtschaftlichkeit nicht verursacht haben. Zur Ermittlung des Ursachenzusammenhangs kann dabei nicht auf jede im entferntesten denkbare, durch die Denkmaleigenschaft verhinderte wirtschaftliche Nutzung abgestellt werden. Maßgeblich sind nur solche Nutzungen, die aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als realistische Nutzungsmöglichkeit in Betracht gekommen wären. Kausalität ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn ein bereits unrentabler Grundbesitz durch den Denkmalschutz noch unrentabler wird.
Az.: IV/1 931-00