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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 309/1998 vom 20.06.1998
EU-Binnenmarktrichtlinie Gas vom Energieministerrat verabschiedet
Nachdem bereits am 30.04.1998 das Europäische Parlament seine Zustimmung erteilt hatte, verabschiedete der Rat der EU-Energieminister am 11.05.1998 die "EU-Binnenmarktrichtlinie Gas". Damit sind europaweit die Weichen für die progressive Öffnung der nationalen Erdgas-Märkte gestellt.
Die Richtlinie läßt eine stufenweise Marktöffnung zu, indem sie den EU-Mitgliedsländern ermöglicht, den Wettbewerb zunächst nur für bestimmte Kundengruppen vorzusehen. Zugelassene Kunden sind zunächst alle Stromerzeuger sowie Betreiber von Kraft/Wärme-Kopplungsanlagen, deren Verbrauch den national festgelegten Grenzwert überschreitet. Im ersten Schritt sind Industriekunden mit einem Verbrauch von mindestens 25 Mio. Kubikmeter im Jahr zugelassen. In zweiter Stufe soll dieser Wert nach fünf Jahren auf 15 und in dritter Stufe nach zehn Jahren auf 5 Mio. Kubikmeter pro Jahr abgesenkt werden. Angestrebt wird eine Eingangsöffnungsquote des Gasmarktes jedes Mitgliedstaates von 20 %. Die Öffnungsquote soll nach fünf Jahren 28 % erreicht haben und in zehn Jahren bei 33 % liegen. Sofern im Rahmen der drei Stufen die Marktöffnungsquoten jeweils 30, 38 oder 43 % übersteigen, sollen die Mitgliedsstaaten regulierend eingreifen und die Verbrauchsschwellenwerte senken dürfen.
Der Richtlinienvorschlag läßt sowohl einen verhandelten Netzzugang, als auch eine staatliche Regulierung zu. Unter gewissen, in der Richtlinie näher ausgeführten Bedingungen, dürfen die Mitgliedsstaaten den Zugang zu den sog. "Upstream-Pipelines" verweigern, die sich auf Förderfeldern im Meer befinden. Die "Offshore-Pipelines", also solche, die Gas auf das Festland befördern, müssen geöffnet werden.
Eine Verweigerung des Netzzugangs durch Versorgungsunternehmen soll auch aufgrund fehlender Leitungskapazität, öffentlicher Dienstleistungsverpflichtung oder erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgrund von Take or Pay Verträgen (Mindestabnahmeverpflichtungen) möglich sein. Eine Veröffentlichungspflicht für die Rechnungslegung ist nicht vorgesehen. Die mit Einsichtsbefugnissen ausgestatteten Behörden oder Schlichtungsstellen sind zur vertraulichen Behandlung der gewonnenen Informationen verpflichtet. Ein Alleinabnehmersystem ist nicht gestattet.
Diejenigen Mitgliedsstaaten, die nicht an das Gasnetz eines anderen Mitgliedsstaates angeschlossen sind und nicht nur einen externen Hauptzulieferer (ab 75 % Anteil am betroffenen nationalen Markt) haben, sind von der Umsetzung der Richtlinie befreit. Griechenland und Portugal werden als "entstehende Märkte" angesehen und sind ebenfalls freigestellt.
Die Richtlinie wird 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im EG-Amtsblatt wirksam. Sie ist von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten umzusetzen. Die EU-Kommission beabsichtigt, dem Europäischen Parlament und dem Rat vor Mitte 1999 einen Bericht zu weiteren, nicht in direktem Bezug zur Umsetzung der Richtlinie stehenden, aber dennoch für erforderlich gehaltenen Harmonisierungsmaßnahmen vorzulegen.
Durch die mittlerweile in Kraft getretene Energiewirtschaftsnovelle ist Deutschland seiner Umsetzungsverpflichtung zur Öffnung des Gasmarktes im Kernbereich bereits nachgekommen. Die gesetzliche angeordnete Marktöffnung gilt bereits jetzt auch für die Gasversorgung und zwar, wie im Bereich der Elektrizitätsversorgung, ohne jede zeitliche Übergangsregel oder Kundengruppenbegrenzung. Durch die Aufhebung der §§ 103 GWB sind Gebietsmonopole auch in diesem Marktbereich unzulässig geworden. Spezielle nationale Umsetzungsbestimmungen, die insbesondere das Verfahren des Netzzugangs für die Gasversorgung näher regeln, fehlen allerdings in der deutschen Novelle noch. Obwohl dem Grundsatz nach sowohl die Strom- wie auch die Gasversorgung vom neuen Energiewirtschaftsgesetz geregelt werden, gelten die auf den Betrieb, den Zugang und die Rechnungslegung bezogenen Vorschriften der §§ 4 - 9 nur für die Elektrizitätsversorgung. Bis zum Erlaß konkreter Regelungen gilt für Auseinandersetzungen über Durchleitungsfragen in der Gasversorgung die allgemeine Mißbrauchsaufsicht des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen (§ 22 Abs. 4 GWB) sowie das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 GWB. Das BMWi hat angekündigt, das Energiewirtschaftsgesetz binnen zwei Jahren um Spezialbestimmungen für die Gasversorgung ergänzen zu wollen.