Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 349/2021 vom 30.06.2021

EuGH: Bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen ist Höchstmenge anzugeben

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 17.6.2021 (Rs. C-23/20) entschieden, dass bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen in der Auftragbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen eine Höchstgrenze der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren anzugeben ist. Die Rahmenvereinbarung verliere ihre Wirkung, wenn diese Höchstgrenze, die als Höchstmenge oder Höchstwert anzugeben ist, erreicht sei.

Bereits 2018 hatte der EuGH die Angabe entsprechender Höchstgrenzen bei der Ausschreibung von Rahmenvereinbarungen verlangt (Urteil vom 19.12.2018 – Rs. C-216/17). Der damalige Richterspruch erging allerdings auf der Grundlage der EU-Vergaberichtlinie 2004/18. Nunmehr bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung auch für die aktuell geltende EU-Vergaberichtlinie 2014/24 und setzt damit den vorläufigen Schlusspunkt unter eine seit Ende 2018 schwelende Kontroverse. In Deutschland hatten sowohl die Vergabekammer des Bundes (Beschluss v. 19.7.2019 - VK 1 – 39/19) als auch das Berliner Kammergericht (Beschluss v. 20.3.2020 – Verg-7/19) entschieden, dass sich eine Pflicht zur Angabe von Höchstmengen/-werten den Vergaberichtlinien nicht entnehmen lasse.

Der konkrete Fall betraf einen Rechtsstreit in Dänemark. Zwei dänische Regionen beabsichtigten, eine Rahmenvereinbarung über den Erwerb von Ausrüstung für die künstliche Ernährung häuslich versorgter Patienten bzw. für Heime zu schließen. Hierzu führten sie ein offenes Verfahren durch und veröffentlichten eine Auftragsbekanntmachung. Diese enthielt weder Angaben zum geschätzten Wert der Beschaffung der Rahmenvereinbarung noch zum Höchstwert der Rahmenvereinbarungen oder zur geschätzten Menge oder Höchstmenge der nach der Rahmenvereinbarung zu beschaffenden Waren. Die angegebenen Schätzungen und Verbrauchsmengen sollten lediglich den vom Auftraggeber erwarteten Bedarf zum Ausdruck bringen. Eine Mindestabnahmemenge o.ä. hatte der Auftraggeber nicht festgelegt. Vielmehr hieß es in der Bekanntmachung, dass der tatsächliche Verbrauch auch höher oder niedriger ausfallen könne als in den Schätzungen angegeben. Die Rahmenvereinbarung sollte keinen exklusiven Charakter haben; der Auftraggeber sollte berechtigt sein, die Waren auch von anderen Lieferanten zu beziehen. Gegen die Entscheidung des Auftraggebers, dem Unternehmen Nutricia A/S den Zuschlag zu erteilen, legte das Unternehmen Simonsen & Weel A/S Beschwerde beim dänischen Beschwerdeausschuss für Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge ein: Es verstoße gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz, wenn der Auftraggeber nicht die geschätzte Menge oder den geschätzten Wert der über die Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren angebe. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien die Regionen hier zudem verpflichtet gewesen, die Höchstmenge der über die Rahmenvereinbarung zu erwerbenden Waren anzugeben. Der Beschwerdeausschuss setzte daraufhin das Beschwerdeverfahren aus und legte dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH entschied, es sei im Hinblick auf die tragenden Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz sowie die allgemeine Systematik der Richtlinie EU/2014/24 nicht hinnehmbar, dass öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung keine Angaben zu einem Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren machten. Zwar sei nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2014/24 (Art. 33 Abs. 1 UAbs. 2) die in Aussicht genommene Menge nur "gegebenenfalls" durch den Auftraggeber festzulegen. Der Wortlaut der Richtlinie lasse daher keinen eindeutigen Schluss darüber zu, ob eine Höchstgrenze festzulegen und bekannt zu machen sei oder nicht. Aus den Grundsätzen der Transparenz- und Gleichbehandlung ergebe sich jedoch die Pflicht des Auftraggebers, entsprechende Festlegungen zu treffen und in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zu veröffentlichen. Die Angabe der Höchstmenge und/oder einem Höchstwert sei neben der Schätzmenge bzw. dem Schätzwert für die Bieter von erheblicher Bedeutung. Denn auf der Grundlage dieser Schätzung könnten sie ihre Leistungsfähigkeit für die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen. Wären der Höchstwert oder die Höchstmenge nicht angegeben oder nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über die Höchstmenge hinwegsetzen. Dann könnte der Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die vom Auftraggeber geforderten Mengen nicht liefern könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung überschritten.

Die Gefahr einer Verletzung des Transparenzgrundsatz sieht der Gerichtshof zudem im Hinblick auf die generell beschränkte Laufzeit einer Rahmenvereinbarung von vier Jahren und im Hinblick auf das Verbot substanzieller Änderungen der Rahmenvereinbarung. Würden Auftraggeber verpflichtet, in der Rahmenvereinbarung die Höchstmenge oder den Höchstwert der davon erfassten Leistungen anzugeben, so werde dadurch letztlich das Verbot eines missbräuchlichen oder wettbewerbsbeschränkenden Gebrauchs der Rahmenvereinbarungen konkretisiert, so der EuGH. Art. 5 Abs. 5 ("Methoden zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts") der Richtlinie 2014/24/EU sehe vor, dass der geschätzte Wert einer Rahmenvereinbarung dem geschätzten Gesamtwert aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung geplanten Aufträge entspreche. Da der Auftraggeber diesen geschätzten Gesamtwert der Rahmenvereinbarung ohnehin zu veranschlagen habe, könne er den Bietern diesen Wert auch mitteilen. Zudem sei gemäß Anhang V Teil C Nr. 7 der Richtlinie EU/2014/24 in der Bekanntmachung die Beschaffung zu beschreiben und dort die Menge bzw. der Wert der von der Rahmenvereinbarung als Ganzes erfassten Lieferungen anzugeben. Dieser Verpflichtung könne der Auftraggeber nicht nachkommen, ohne zumindest eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert der Lieferungen anzugeben.

Az.: 21.1.4.2-004/001 we

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