Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 163/2013 vom 19.02.2013

EuGH zu Nachweisen bei der Vergabe-Eignungsprüfung

Der EuGH hat mit Urteil vom 18.10.2012 — Rs. C-218/11 auf der Grundlage der EU-Vergaberichtlinien eine wesentliche Differenzierung bei der Eignungsprüfung vorgenommen: Danach lässt Art. 47 der Richtlinie 2004/18/EG der Vergabestelle die Freiheit zu bestimmen, welche Nachweise die Bieter für ihre wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit vorzulegen haben. Im Gegensatz dazu führt Art. 48 der Richtlinie 2004/18/EG ein geschlossenes System ein, das die Möglichkeiten zum Aufstellen von Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit (fachliche Eignung) begrenzt.

Problem / Sachverhalt

In einem EU-Vergabeverfahren ist von den Bietern zum Nachweis ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit eine Bilanz vorzulegen. Es gilt die Mindestanforderung, dass in den letzten drei Geschäftsjahren das Geschäftsergebnis nur einmal negativ gewesen sein darf. Ein Bieter aus dem EU-Ausland klagt gegen diese Mindestanforderung. Er wähnt sich benachteiligt, weil in seinem Heimatstaat die nationalen Regelungen über das Bilanzergebnis anders ausgestaltet sind.

Entscheidung

Der EuGH bestätigt, dass die Vergabestelle sowohl bei der Wahl der geforderten Nachweise als auch bei der Bestimmung der Mindestanforderungen zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit viel Freiheit besitzt. Die Mindestanforderungen müssen lediglich mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein. Hierzu müssen sie objektiv geeignet sein, eine konkrete Auskunft über die Leistungsfähigkeit des Bieters zur erfolgreichen Ausführung des Auftrags zu geben. Und sie dürfen über das hierzu vernünftigerweise erforderliche Maß nicht hinausgehen. Soweit diese Voraussetzungen vorliegen, ist es im Übrigen hinzunehmen, wenn ein potenzieller Bieter diese Mindestanforderung nicht erfüllen kann, z. B. wegen unterschiedlich ausgestalteter Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten.

Praxishinweis

Der EuGH bestätigt die Wahlfreiheit der Vergabestelle bei der Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter. Bedeutsam ist allerdings die Abgrenzung, die der EuGH zur Prüfung der technischen und fachlichen Leistungsfähigkeit (fachliche Eignung) vornimmt. Im Gegensatz zur Wahlfreiheit hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit erkennt der EuGH bei der Prüfung der fachlichen Eignung ein geschlossenes System, das die Wahl der Nachweise und die Aufstellung von Anforderungen durch die Vergabestelle begrenzt.

Im Klartext: Die Vergabestelle darf nur solche Nachweise und Anforderungen verlangen, die in Art. 48 der Richtlinie 2004/18/EG ausdrücklich genannt sind; der dortige Katalog ist abschließend (z. B. Referenzen, Fachkundenachweise, Personal, technische Ausstattung usw.). § 6 EG Abs. 3 Nr. 3 VOB/A ist somit einschränkend zu lesen; die Vergabestelle darf gerade nicht andere (insbesondere für die Prüfung der Fachkunde geeignete) Angaben verlangen. § 7 EG Abs. 3 VOL/A 2009 und § 5 Abs. 5 VOF müssten damit auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung als abschließende Kriterienkataloge für die Prüfung der fachlichen Eignung angesehen werden (so schon VK Bund, Beschluss vom 23.05.2002 - VK 2-16/02; anders: VK Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.3008 - VK-7/2008-L).

Für Auftraggeber und damit auch Kommunen wird es danach schwierig, individuell auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Nachweise zur fachlichen Eignung der Bieter zu verlangen. Kritisch zu betrachten ist danach in der Folge insbesondere die Forderung einer bestimmten Tätigkeitsdauer am Markt (Ausschluss von Newcomern).

Az.: II/1 608-00

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