Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 139/2022 vom 07.02.2022

EuGH zu Natura-2000-Ausgleichszahlungen

Der EuGH hat in seinen Urteilen vom 27.01.2022 (Az. C-234/20; C-238/20) die Unionsrechtsbestimmungen für im Rahmen von Na-tura-2000 gewährte Ausgleichszahlungen ausgelegt. Danach könne der Umweltschutz eine Beschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts rechtfertigen, die nicht zwangsläufig einen Entschädigungsanspruch entstehen lasse.

Erstes Verfahren (Az. C-234/20)

Im ersten Fall wurde es einem lettischen Unternehmen untersagt auf einem Torfgebiet in privatem Eigentum innerhalb eines Natura-2000-Schutzgebietes Moosbeeren anzubauen. Ein Antrag auf Ausgleichszahlungen wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass das nationale Recht derartige Ausgleichszahlungen nicht vorsehe. Das Oberste Gericht rief den EuGH zur Auslegung der ELER-Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 und Art. 17 der EU-Grundrechtecharta an. Nach Art. 30 der ELER-Verordnung wird jährlich eine Ausgleichzahlung für zusätzliche Kosten und Einkommensverluste gewährt, die den Begünstigten aufgrund von Nachteilen in dem betreffenden Gebiet im Zusammenhang mit der Umsetzung der Habitat-, der Vogelschutz- und der Wasserrahmenrichtlinie entstehen. Art. 30 Abs. 6 legt zudem fest, dass als Natura-2000-Gebiete nach der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesene land- und forstwirtschaftliche Gebiete für Zahlungen in Betracht kommen.

Laut EuGH kommen Torf- und Moorgebiete in Natura-2000-Gebieten für Ausgleichszahlungen nach Art. 30 ELER-Verordnung in Betracht, wenn sie von den Begriffen „landwirtschaftliche Fläche“ oder „Wald“ erfasst werden. Die nationalen Gerichte hätten im Rahmen der Tatsachenwürdigung zu beurteilen, ob Torfgebiete nach ihrer konkreten Ausgestaltung unter diese Begriffe fallen. Im Rahmen des Ermessensspielraums können die EU-Mitgliedsstaaten Torfgebiete auch von den Natura-2000-Ausgleichszahlungen ausschließen oder auf einzelne Fälle beschränken.

Im vorliegenden Fall ergebe sich ein Anspruch auf Zahlung aus Sicht des EuGH auch nicht aus Art. 30 der ELER-Verordnung in Verbindung mit Art. 17 der EU-Grundrechtecharta. Hiernach sei ein Entschädigungsanspruch ausdrücklich nur im Fall eines Entzugs des Eigentumsrechts gegeben. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch um eine Nutzungsbeschränkung, die für den betroffenen Eigentümer keinen unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen würde, der den Wesensgehalt des Eigentumsrechts antaste.

Zweites Verfahren (Az. 238/20)

Im zweiten Fall ging es um Aquakulturen in Teichen, die in einem Natura-2000-Gebiet liegen. Das Unternehmen beantragte eine Entschädigung für Schäden, die von geschützten Vogelarten und anderen geschützten Tierarten an der Aquakultur verursacht worden waren. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass dem Unternehmen bereits ein Gesamtbetrag entsprechend den in der Verordnung (EU) Nr. 717/2014 über De-minimis-Beihilfen im Fischerei- und Aquakultur-sektor vorgesehenen De-minimis-Vorschriften in Höhe von 30.000 Euro bezogen auf einen Zeitraum von drei Steuerjahren gewährt worden sei. Das Unternehmen erhob hiergegen Klage mit der Begründung, dass es sich hierbei um einen Ausgleich und nicht um eine Beihilfe handele.

Laut EuGH sei Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine solche Entschädigung eine „staatliche Beihilfe“ darstellen könne, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine solche Einstufung erfüllt seien. Kosten im Zusammenhang mit der Einhaltung der rechtlichen Verpflichtung zum Schutz der Umwelt gehörten zu den normalen Betriebskosten. Deswegen stelle die Gewährung einer Entschädigung für Schäden einen wirtschaftlichen Vorteil dar, den es unter normalen Marktbedingungen grundsätzlich nicht beanspruchen könne. Für den Fall, dass die Entschädigung die Voraussetzungen einer Beihilfe erfülle, sei die Obergrenze für De-minimis-Beihilfen von 30.000 Euro auf diese Entschädigung anwendbar. Zudem sei unerheblich, dass die gewährte Entschädigung in Höhe von 30.000 Euro erheblich niedriger sei als der dem Unternehmen tatsächlich entstandene wirtschaftliche Schaden.

Anmerkung aus kommunaler Sicht

Der EuGH hat in seinen beiden Entscheidungen die Natura-2000-Schutzgebiete gestärkt und damit die Bedeutung des Umwelt- und Artenschutzes erneut untermauert. Vor diesem Hintergrund bleibt das Urteil gegen die Bundesrepublik Deutschland abzuwarten. Bereits im Februar letzten Jahres hatte die EU-Kommission Deutschland wegen unzureichendem Schutz der Natura-2000-Gebiete verklagt. Nach Ansicht der EU-Kommission habe sich Deutschland nicht ausreichend um den Erhalt von artenreichen Mähwiesen in FFH-Gebieten gekümmert.

Az.: 26.0.1-001/001

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