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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 590/2013 vom 22.07.2013
EuGH zu so genannten Einheimischenmodellen
In einem Urteil vom 08. Mai 2013 (C-197/11; C-203/11) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) grundsätzlich Einheimischenmodelle für rechtmäßig erklärt, wenn sie auf angemessenen Kriterien beruhen.
In einigen Teilen Deutschlands wird das sogenannte Einheimischenmodell dazu genutzt, ortsansässigen Bürgern vergünstigte Konditionen beim Erwerb von Bauland von einer Kommune zu gewähren. Dies dient insbesondere dem Ziel, jungen Familien mit geringen Einkommen trotz des Zuzugsdrucks finanzstarker „Großstädter“ die Möglichkeit zu geben, in ihrem Heimatort zu bleiben. So können auch die vielen sozialen Kontakte der Ortsansässigen zu ihren Mitbürgern (Vereine etc.) bestehen bleiben. Gerade um die gewachsene Identität sowie die Sozial- und Bevölkerungsstruktur ländlicher Gemeinden zu erhalten, hat sich der Städte- und Gemeindebund NRW stets für den Fortbestand der Einheimischenmodelle eingesetzt.
Die EU-Kommission sah in den Einheimischenmodellen demgegenüber einen Verstoß gegen EU-Recht und hatte bereits 2007 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Insofern betraf die jetzige belgische Regelung, über den der Gerichtshof in der zuvor genannten Entscheidung konkret entschieden hat, eine spezielle Ausformung der „Einheimischenmodelle“, wonach Personen, die in bestimmten belgischen Kommunen Grundstücke kaufen wollen, eine „ausreichende Bindung“ mit diesen Kommunen haben müssen. Das Dekret der Flämischen Region vom 27.03.2009 über die Grundstücks- und Immobilienpolitik für die Übertragung von Liegenschaften in bestimmten flämischen Gemeinden knüpft an die Bedingung, dass eine ausreichende Bindung des Kauf- oder Mietwilligen zu der betreffenden Gemeinde besteht. Dasselbe Dekret verpflichtet außerdem Parzellierer und Bauherren zur Verwirklichung eines Angebots an Sozialwohnungen und sieht gleichzeitig Steueranreize und Subventionsmechanismen vor.
Nach Auffassung des EuGH läuft das Genehmigungsverfahren nach dem flämischen Dekret in Wirklichkeit darauf hinaus, dass es bestimmten Personen verboten ist, Grundstücke und darauf errichtete Bauten zu kaufen oder für länger als neun Jahre zu mieten. Der Gerichtshof sieht in den betreffenden Bestimmungen daher Beschränkungen der Grundfreiheiten, die letztendlich nicht gerechtfertigt sind.
Die flämische Regierung hatte insoweit geltend gemacht, die Bedingung der „ausreichenden Bindung“ sei insbesondere durch das Ziel gerechtfertigt, den Immobilienbedarf der am wenigsten begüterten einheimischen Bevölkerung in den Zielgemeinden zu befriedigen. Der EuGH erkennt an, dass ein solches Ziel einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann, der zur Rechtfertigung der hier gegebenen Beschränkungen geeignet sein kann, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass keines der oben genannten Kriterien in unmittelbarem Zusammenhang mit den sozioökonomischen Aspekten stehe, die dem Ziel entsprechen, ausschließlich die am wenigsten begüterte einheimische Bevölkerung auf dem Immobilienmarkt zu schützen. Solche Kriterien könnten nämlich nicht nur von dieser am wenigsten begüterten Bevölkerung erfüllt werden, sondern auch von anderen Personen, die über ausreichende Mittel verfügen und folglich keinen besonderen Bedarf an sozialem Schutz auf dem Immobilienmarkt haben. Außerdem seien andere Maßnahmen wie ein System speziell zugunsten der am wenigsten begüterten Personen konzipierter Beihilfen vorstellbar, um das geltend gemachte Ziel zu erreichen. Daher würden die bestehenden Maßnahmen über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich sei.
Schlussfolgerungen:
Diese Entscheidung dürfte auch für Einheimischenmodelle in Deutschland eine Signalwirkung haben. Allein das Kriterium, das jemand schon lange in der Gemeinde wohnt, dürfte nicht ausreichend sein. Künftig werden vielmehr die finanziellen und familiären Verhältnisse eine größere Rolle spielen. Die Förderung muss sich nach dieser Entscheidung stärker an sozialen Kriterien orientieren. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH in künftigen Entscheidungen diese Kriterien konkretisieren wird.
Az.: II/1 620-10