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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 221/2018 vom 28.02.2018
EuGH zu zentrenorientierter Steuerung des Einzelhandels
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 30.01.2018 (Rs. C-31/16 — Visser Vastgoed Beleggingen) verschiedene Fragen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Regelungen zur Einzelhandelssteuerung in einem niederländischen Bauleitplan mit der Dienstleistungsrichtlinie (DL-RL) beantwortet. Eine Vermieterin von Gewerbeflächen hatte sich gegen Vorschriften in einem Bauleitplan der Gemeinde Appingedam gewandt, nach denen bestimmte außerhalb des Stadtzentrums gelegene Gebiete ausschließlich dem Einzelhandel für Waren mit großem Platzbedarf vorbehalten sein sollten.
Derr EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass dies eine Anforderung für die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten im Sinne der DL-RL darstellt, die aber bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 15. Abs. 3 DL-RL gerechtfertigt werden kann. Ob die Voraussetzungen für eine solche Rechtfertigung, speziell die Erforderlichkeit, vorliegen, ist durch das nationale Gericht zu prüfen. Allerdings sei aus Sicht des EuGH zur Erforderlichkeit festzustellen, dass das streitige Verbot den Zweck habe, im Sinne einer guten Stadt- und Raumplanung die Lebensqualität im Stadtzentrum der Gemeinde zu erhalten und Leerstand im Stadtgebiet zu vermeiden. Wie bereits der Generalanwalt in seinem Schlussantrag ausgeführt habe, könne ein solches Ziel des Schutzes der städtischen Umwelt ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein, der eine territoriale Beschränkung wie die im Ausgangsverfahren streitige rechtfertigen könne.
Anmerkung
Der EuGH ist im vorliegenden Fall im Wesentlichen den Ausführungen des Generalanwalts gefolgt, was aus deutscher Sicht und mit Blick auf das derzeit noch laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland (verschiedene einzelhandelsbezogene Raumordnungsvorschriften und Raumordnungspläne betreffend) grundsätzlich positiv zu bewerten ist. Gebietsbezogene Beschränkungen für Einzelhandelsnutzungen können außer mit den Vorgaben der DL-RL auch mit der unionsrechtlich verankerten Niederlassungsfreiheit in Konflikt geraten.
Durch die Entscheidung des EuGH zeichnet sich jedoch ab, dass grundsätzlich auch in Deutschland mit einer zentrenorientierten Einzelhandelssteuerung Standortverlagerungen vorgebeugt werden kann. Das umfassende Abwägungsgebot im Rahmen der Bauleitplanung und die erforderliche Begründung sollten dabei sicherstellen, dass solche Ziele wichtige Gemeinwohlgründe darstellen, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können.
Der Volltext der Entscheidung ist im Internet unter http://eur-lex.europa.eu/collection/eu-law/eu-case-law.html verfügbar.
Az.: 20.1.4.8-006/001