Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation
StGB NRW-Mitteilung 196/2011 vom 24.03.2011
EuGH zum Vergaberecht bei Rettungsdienst-Konzessionsmodellen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 10.03.2011 (C-274/09) zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen Stellung genommen. Dem Urteil zufolge sind rettungsdienstliche Konzessionsmodelle (wie etwa im Freistaat Bayern) nicht als öffentlicher Dienstleistungsauftrag, sondern als vergabefreie Dienstleistungskonzession im Sinne des Art. 1 Abs. 4 der EU-Vergaberichtlinie 2004/18/EG zu sehen.
Mithin ist der EuGH-Entscheidung zu entnehmen, dass die Vorgaben des europäischen Vergaberechts auf das rettungsdienstliche Konzessionsmodell nicht anwendbar sind.
Die Besonderheit des in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz gesetzlich festgeschriebenen Konzessionsmodells liegt darin, dass die Vergütung für die von den beauftragten Hilfsorganisationen erbrachten rettungsdienstlichen Leistungen nicht vom Träger des Rettungsdienstes (als Auftraggeber), sondern direkt von den Kostenträgern (also in erster Linie den Krankenkassen) geschuldet wird. Damit fehlt die das öffentliche Auftragswesen prägende direkte Entgeltbeziehung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Leistungserbringer. Konsequenterweise hat der EuGH nunmehr in seinem Urteil festgestellt, dass daher im Rahmen des Konzessionsmodells eine zentrale Voraussetzung des „Dienstleistungsauftrages“ im vergaberechtlichen Sinne — nämlich die Entgeltlichkeit des (öffentlich-rechtlichen) Beauftragungsvertrages (vgl. Art. 1 Abs. 2 VKR, § 99 Abs. 1 GWB) fehlt.
Dementsprechend nimmt der Gerichtshof an, dass öffentlich-rechtliche Beauftragungen im Rettungsdienst immer dann als (vergaberechtsfreie) Dienstleistungskonzession zu werten sind, wenn der Leistungserbringer seine Vergütung vom Aufgabenträger erhält. Für die in dem Verfahren diskutierte Frage der Übernahme des Betriebsrisikos durch den Leistungserbringer lässt es der EuGH dabei im Hinblick auf das Kostendeckungsprinzip ausreichen, dass der Leistungserbringer „keine Gewähr für die vollständige Deckung“ der Kosten hat; er stellt in diesem Zusammenhang auf die Besonderheiten der Vereinbarungslösung ab, wonach sich die Notwendigkeit ergeben kann, „bei den Verhandlungen oder im Schiedsverfahren bezüglich der Höhe der Benutzungsentgelte Kompromisse einzugehen.“
Der vollständige Tenor lautet:
Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag über Rettungsdienstleistungen, bei dem die Vergütung des ausgewählten Wirtschaftsteilnehmers vollumfänglich durch Personen sichergestellt wird, die von dem öffentlichen Auftraggeber, der den Vertrag vergeben hat, verschieden sind, und dieser Wirtschaftsteilnehmer insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Höhe der Benutzungsentgelte für die betreffenden Dienstleistungen vom Ergebnis jährlicher Verhandlungen mit Dritten abhängt und er keine Gewähr für die vollständige Deckung der im Rahmen seiner nach den Grundsätzen des nationalen Rechts durchgeführten Tätigkeiten angefallenen Kosten hat, einem, wenn auch nur erheblich eingeschränkten, Betriebsrisiko ausgesetzt ist, als vertragliche „Dienstleistungskonzession“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 dieser Richtlinie zu qualifizieren ist.
Anmerkung: Es muss betont werden, dass die Unanwendbarkeit des Vergaberechts auf die Fälle von Dienstleistungskonzessionen nicht heißt, dass rettungsdienstliche Beauftragungen im Rahmen des Konzessionsmodells ohne weitere Anforderungen — gewissermaßen „auf Zuruf“ — vergeben werden könnten. Vielmehr muss auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen — aus primärrechtlichen und auch aus verfassungsrechtlichen Gründen — den Mindestanforderungen von Transparenz und Chancengleichheit genügen. Das heißt, dass der Vergabe eine öffentliche Bekanntmachung der Vergabeabsicht vorausgehen muss und dass die wesentlichen Vergabevorgaben, wie etwa die Leistungsanforderungen, Auswahlkriterien und Abgabefristen allen potentiellen Bietern bekannt sein müssen und auf alle in gleicher Weise angewendet werden. (Quelle: DStGB vom 11.03.2011 in: DStGB-Aktuell 11/2011)
Az.: I 144-00