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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 130/2020 vom 09.12.2019
EuGH zur Rechtsbehelfsfrist nach Umweltverträglichkeitspüfung
Wenn der Öffentlichkeit nicht ermöglicht wird, sich an der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projekts effektiv zu beteiligen, kann ihr keine Frist für die Einreichung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung über die Genehmigung dieses Projekts entgegengehalten werden. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 07.11.2019 – C-280/18 - hervor.
Die im Rahmen der Errichtung eines komplexen Beherbergungsbetriebs auf der Insel Ios (Griechenland) an jeden Betroffenen gerichtete Aufforderung, sich an der Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) eines Projekts zu beteiligen, wurde in der Lokalzeitung der Insel Syros sowie in den Büroräumen der Verwaltung der Region Mittelägäis derselben Insel veröffentlicht. Diese Insel liegt 55 Seemeilen von der Insel Ios entfernt, und es besteht keine tägliche Schiffsverbindung zu ihr. Ein Jahr später erließen der Minister für Umwelt und Energie und der Minister für Tourismus die Entscheidung über die Genehmigung von Umweltauflagen (im Folgenden: Umweltauflagengenehmigung), mit der das Projekt der Errichtung des Betriebskomplexes auf der Insel Ios genehmigt wurde. Diese Entscheidung wurde im Bekanntgabe-Portal Diavgeia und auf der Website des Umweltministeriums veröffentlicht. Mehrere Eigentümer von Immobilien auf der Insel Ios sowie drei Umweltschutzverbände haben gegen die Umweltauflagengenehmigung mehr als achtzehn Monate nach deren Erlass Klage erhoben. Sie machen geltend, sie hätten von der Umweltauflagengenehmigung erst Kenntnis erhalten, als die Arbeiten zur Erschließung des Gebiets begonnen hätten.
Frist von 60 Tagen für Klageerhebung
Nach dem griechischen Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird bis zur Einführung eines elektronischen Umweltregisters die Konsultation der Öffentlichkeit mit der Bekanntmachung der Einzelheiten über das Projekt am Sitz der zuständigen Region und mit deren Veröffentlichung in der lokalen Presse sowie der Aufforderung an alle Betroffenen eingeleitet, von der Umweltverträglichkeitsprüfung Kenntnis zu nehmen und sich zu ihr zu äußern. Die griechische Regelung sieht für die Klageerhebung eine Frist von 60 Tagen vor, die mit der Veröffentlichung der Genehmigung des Projekts im Internet zu laufen beginnt.
Der mit der Klage befasste Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) hat dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Auslegung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (RL 2011/92/EU) betreffen. Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die UVP-Richtlinie nationalen Vorschriften entgegensteht, wonach das Verfahren vor der Genehmigung der Umweltauflagen auf der Ebene der Region und nicht der der betroffenen Gemeinde durchgeführt wird, und ob sie einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die Veröffentlichung der Genehmigung eines Projekts im Internet die Klagefrist in Lauf setzt.
Mitgliedstaaten dürfen Rahmenbedingungen vorgeben
In seinem jetzt ergangenen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die UVP-Richtlinie den Mitgliedstaaten vorbehält, dafür Sorge zu tragen, die genauen Vorkehrungen für sowohl die Unterrichtung der Öffentlichkeit als auch deren Beteiligung am Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als die Modalitäten, die für gleichartige interne Sachverhalte gelten (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz wies der EuGH darauf hin, dass die zuständigen Behörden sich vergewissern müssten, dass die verwendeten Informationskanäle vernünftigerweise als geeignet angesehen werden können, die betroffenen Bürger zu erreichen, damit ihnen eine angemessene Möglichkeit gegeben ist, sich über geplante Tätigkeiten, das Entscheidungsverfahren und ihre frühzeitigen Beteiligungsmöglichkeiten zu informieren.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass ein Anschlag in den Räumlichkeiten des regionalen Sitzes der Verwaltung, der sich auf der Insel Syros befindet, auch wenn er von einer Veröffentlichung in einer Lokalzeitung dieser Insel begleitet wird, nicht als geeignet erscheint, in angemessener Weise zur Information der betroffenen Öffentlichkeit beizutragen.
Betroffene Öffentlichkeit muss Rechte effektiv ausüben können
Sodann stellten die Richter fest, dass die Zugangsbedingungen zu den Akten des Beteiligungsverfahrens so beschaffen sein müssten, dass es der betroffenen Öffentlichkeit möglich sei, ihre Rechte effektiv auszuüben, was eine Zugänglichkeit dieser Akten unter einfachen Bedingungen impliziere. Er führte daher aus, dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, festzustellen, ob diese Anforderungen eingehalten worden sind, und dass es dabei unter anderem die Anstrengung, die die betroffene Öffentlichkeit für die Überfahrt von der Insel Ios zur Insel Syros unternehmen müsse, und die Möglichkeiten zu berücksichtigen haben werde, die den zuständigen Behörden zur Verfügung gestanden hätten, um die Akten mit vertretbarem Aufwand auf der Insel Ios zugänglich zu machen.
Frist bei fehlender Unterrichtung nicht mit UVP-Richtlinie vereinbar
Schließlich ist der EuGH der Auffassung, dass die nationale Regelung, die dazu führt, dass Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit eine Frist für die Einreichung eines Rechtsbehelfs entgegengehalten wird, die mit der Bekanntmachung der Genehmigung eines Projekts im Internet zu laufen beginnt, nicht mit der UVP-Richtlinie vereinbar ist, wenn sie nicht zuvor die angemessene Möglichkeit hatten, sich über das Genehmigungsverfahren zu unterrichten. (Quelle: beck online vom 08.11.219)
Az.: 23.0.7-004/001 gr