Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 556/2008 vom 07.08.2008

Europäischer Gerichtshof zu Aktionsplänen gegen Feinstaub

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 25.07.2008 (Az.:
C-237/07) entschieden, dass im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte für Feinstaubpartikel die unmittelbar Betroffenen bei den zuständigen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken können. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind verpflichtet, im Rahmen eines Aktionsplans kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Werte zurückzukehren.

Dem Urteil des EuGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger wohnt am Mittleren Ring in München in der Landshuter Allee, etwa 900 Meter nördlich von einer Luftgütemessstelle. Nach den Messergebnissen an dieser Messstelle wurde der Immissionsgrenzwert für Feinstaubpartikel in den Jahren 2005 und 2006 weitaus mehr als 35 Mal überschritten, obwohl das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht mehr als 35 Überschreitungen zulässt. Der Kläger erhob Klage mit dem Antrag, den Freistaat Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung im Bereich der Landshuter Allee zu verpflichten, damit kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen zu dem Zweck festgelegt werden, die zugelassene Grenze von jährlich 35 Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel einzuhalten.

Nachdem seine Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, legte er Berufung beim Verwaltungsgerichthof ein. Dieser entschied, dass die betroffenen Anwohner von den zuständigen Behörden die Aufstellung eines Aktionsplans fordern könnten, aber keinen Anspruch darauf hätten, dass dieser geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der kurzfristigen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte enthalte. Der Kläger und der Freistaat Bayern legten gegen dieses Urteil Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 29.3.2007 (Az.: 7 C 9.06) dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Einzelner nach dem Gemeinschaftsrecht von den zuständigen nationalen Behörden im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen die Erstellung eines Aktionsplans beanspruchen kann.

Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage mit Urteil vom 25.07.2008 (Az.:
C-237/07) bejaht. Er weist darauf hin, dass es mit dem zwingenden Charakter der Richtlinie unvereinbar wäre, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Daher müssen unmittelbar betroffene Einzelne im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen bei den zuständigen nationalen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken können, auch wenn sie nach nationalem Recht über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen sollten, um die zuständigen Behörden dazu zu bringen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu treffen.
In Bezug auf den Inhalt der Aktionspläne führt der Europäische Gerichtshof aus, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, Maßnahmen dahin gehend zu ergreifen, dass es zu keinerlei Überschreitung kommt. Ihnen obliegt – unter der Aufsicht der nationalen Gerichte – nur die Verpflichtung, im Rahmen eines Aktionsplans kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und aller betroffenen Interessen auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Werte oder Schwellen zurückzukehren.

Die Geschäftsstelle weist zum Hintergrund der Entscheidung des EuGH auf Folgendes hin:

Mit der Umsetzung der EU-Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie und ihrer Tochterrichtlinien durch die 22. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (22. BImSchV) ist die Belastungssituation im Gebiet von Nordrhein-Westfalen regelmäßig durch Messung oder Modellrechnung zu ermitteln und zu beurteilen. Seit dem Jahr 2002 wurden durch das Landesumweltamt NRW (ab dem 1.1.2007 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz – LANUV) entsprechende Messungen durchgeführt. Wird eine unzulässig hohe Belastung festgestellt, so ist ein sog. Luftreinhalteplan (LRP) aufzustellen.

Der Luftreinhalteplan zielt auf die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe ab und ist dem Grundsatz nach auf langfristig angelegte Maßnahmen ausgerichtet. Zusätzlich gibt es nach § 47 Abs. 2 BImSchG den Aktionsplan. Ein Aktionsplan ist durch die zuständige Behörde aufzustellen, wenn die Gefahr besteht, dass die Immissionsgrenzwerte oder Alarmschwellen überschritten werden. Der Aktionsplan zielt grundsätzlich auf kurzfristig greifende Maßnahmen ab, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte oder Alarmschwellen für Luftschadstoffe zu gewährleisten. Alarmschwellen enthalten entsprechend § 1 Nr. 4 der 22. BImSchV Immissionswerte, deren Überschreiten bereits bei kurzfristiger Exposition eine Gefahr für die menschliche Gesundheit auslöst und daher sofortige Maßnahmen erfordert. Eine solche Alarmschwelle wurde in § 2 Abs. 6 der 22.BImSchV für Schwefeldioxid und in § 3 Abs. 7 der 22. BImSchV für Stickstoffdioxid festgelegt. Muss aufgrund der Belastung ein Luftreinhalteplan erstellt werden, werden die Ursachen für die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte und die Verursacheranteile (bezogen auf die Emittentengruppen) ermittelt. Bei der Erstellung des Plans sind alle potentiell betroffenen Behörden und Einrichtungen einzubeziehen (z.B. Straßenverkehrsbehörden, Straßenbaulastträger, Kommunen usw.). Da die Fachbehörden ggf. für die Umsetzung der Maßnahmen zuständig sind, ist eine enge Abstimmung des Planungsinhaltes erforderlich. Maßnahmen, die den Straßenverkehr betreffen, sind im Einvernehmen mit den Verkehrsbehörden festzulegen.

Planaufstellende Behörde ist in NRW die jeweilige Bezirksregierung. Sie ist zuständig für die Gebietsabgrenzung der Pläne, die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen, die Koordination der Tätigkeit der verschiedenen Behörden einschl. der Herstellung des Einvernehmens der Behörden, die Beteiligung der Öffentlichkeit, die Festschreibung der zu treffenden Maßnahmen und letztlich die Veröffentlichung des Luftreinhalteplanes. Die Bezirksregierung kann eine Projektgruppe einberufen, die die Erstellung des Luftreinhalteplans begleitet. In der Projektgruppe sollen die betroffenen Behörden und Institutionen (z.B. auch die Industrie- und Handelskammer) vertreten sein. Für die Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sind alle möglichen Luftverschmutzer (Emittenten) zu betrachten und entsprechend ihrem Verursacheranteil nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu Minderungsmaßnahmen heranzuziehen. Die Maßnahmen sollen in einem definierten Zeitraum überprüfbare Erfolge zeigen. Dieses wird durch die EU-Kommission überprüft werden.

Nach derzeitigem Sachstand des StGB NRW sind erhöhte Feinstaubbelastungen (PM 10) insbesondere in Großstädten in NRW festgestellt worden sind. Ein Beispiel ist die Corneliusstraße in der Stadt Düsseldorf, für die ein Luftreinhalteplan aufgestellt worden ist. Kreisangehörige Städte und Gemeinden sind bislang nur in wenigen Ausnahmefällen betroffen gewesen. Die aktuelle Betroffenheit von Städten und Gemeinden sowie die aktuellen Messdaten (z.B. zu PM 10 – Feinstaub) können auf der Internetseite des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV NRW) unter der Internet-Adresse www.lanuv.nrw.de (Rubrik: Daten + Fakten/Messwerte/Luft/Grenzwerte und Maßnahmen/Überschreitungstage Feinstaub) abgerufen werden. Zugleich kann auf dieser Internet-Plattform auch in Erfahrung gebracht werden, für welche Städte und Gemeinden bereits Luftreinhaltepläne aufgestellt worden sind bzw. sich in Erarbeitung befinden.

Az.: II/2 70-40

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