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StGB NRW-Mitteilung 185/2018 vom 13.03.2018
Europäischer Gerichtshof zu Bereitschaftsdienstzeiten
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erneut festgestellt, dass Bereitschaftsdienst nach dem EU-Arbeitszeitrecht als Arbeitszeit anzusehen ist. Nach dem Urteil (Rechtssache C 518/15) ist es den EU-Mitgliedstaaten nicht gestattet, eine weniger restriktive Definition des Begriffs „Arbeitszeit“ beizubehalten oder einzuführen als die in Artikel 2 der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Der Richtlinie zufolge ist Arbeitszeit „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war bei einer belgischen Stadt als freiwilliger Feuerwehrmann tätig. Nach der städtischen Verordnung über die Organisation des Feuerwehrdienstes mussten sich die freiwilligen Feuerwehrleute jeweils eine Woche pro Monat abends und am Wochenende für Einsätze bereithalten. Konkret sah die Verordnung vor, dass die Feuerwehrleute ihren Wohnsitz oder ihren Aufenthalt an einem Ort haben mussten, vom dem aus sie ihren Arbeitsplatz bei normalem Verkehrsaufkommen in höchstens acht Minuten würden erreichen können. Vergütet wurden allerdings nur Zeiten, in denen aktiv Dienst geleistet wurde. Hiergegen wandte sich der Kläger und klagte auf Entschädigung auch für die Zeiten, in denen er zuhause auf Einsätze warten musste.
Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass solche Wartezeiten jedenfalls dann Arbeitszeit seien, wenn dem Arbeitnehmer konkrete Vorgaben zum Aufenthaltsort und zur zeitlichen Verfügbarkeit gemacht würden. Dies sei bei einer Regelung, die den Arbeitnehmer verpflichte, sich innerhalb von acht Minuten am Arbeitsplatz einzufinden und seinen Wohnsitz entsprechend nah an den Arbeitsort zu legen, der Fall.
Die EuGH-Entscheidung hat ein großes Medienecho ausgelöst. In undifferenzierter Weise wurde häufig behauptet, dass nun auch in Deutschland Ruf- oder Alarmbereitschaft als zu vergütende Arbeitszeit anzusehen sei. Dem muss widersprochen werden. Der EuGH hat lediglich seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie immer dann gegeben ist, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und in einer Weise zur Verfügung stehen muss, dass er gegebenenfalls sofort seine Arbeitsleistung erbringen könne (z.B. EuGH v. 9.9.2003, C-151/02).
Der EuGH hat nun noch einmal klargestellt, dass es sich bei dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort nicht zwingend um Betriebsräume des Arbeitgebers handeln muss, sondern dass auch der Wohnort oder ein anderer Aufenthaltsort innerhalb eines geographisch eng abgesteckten Bereichs ein solcher vom Arbeitgeber bestimmter Aufenthaltsort sein kann.
Auch wenn der EuGH an mehreren Stellen der Entscheidung die Wartezeit des Feuerwehrmanns als „passive Rufbereitschaft“ bezeichnet, ändert dies nichts daran, dass die in Deutschland regelmäßig gepflogene Ruf- oder Alarmbereitschaft nach der Definition der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit weiter keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist. Hauptgrund hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Arbeitnehmer in Ruf- oder Alarmbereitschaft frei über seinen Aufenthaltsort bestimmen kann und lediglich sicherstellen muss, dass er in angemessen kurzer Zeit zum Arbeitsort gelangen kann.
Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auch bei Wegezeiten von über 20 Minuten noch der Fall (BAG v. 31.1.2002, 6 AZR 214/00). Denn Wegezeiten in dieser Größenordnung seien nicht unüblich und deshalb vom Arbeitgeber auch bei Ruf- oder Alarmbereitschaft hinzunehmen. Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst solle Ruf- oder Alarmbereitschaft dem Arbeitnehmer eine freie Gestaltung seiner Arbeitszeit ermöglichen.
Dies bedeute, dass es dem Arbeitnehmer möglich sein müsse, sich um persönliche und familiäre Angelegenheiten zu kümmern, an sportlichen und kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen oder sich mit Freunden zu treffen. Ein faktischer Zwang, sich in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz aufzuhalten, sei mit dem Wesen der Ruf-/Alarmbereitschaft unvereinbar. Erfordere die Art der Arbeitsleistung engere Zeitvorgaben, sei eben nur Bereitschaftsdienst, nicht aber Rufbereitschaft möglich. Aufgrund dieses signifikanten Unterschieds zum nun vom EuGH entschiedenen Fall dürfte mit keiner Änderung der Rechts- und Tatsachenlage in Deutschland zu rechnen sein. (Quelle: DStGB Aktuell 0918 vom 02.03.2018)
Az.: 14.0.8-002