Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 576/2023 vom 01.08.2023

Feuchttücher und Muster-Abwasserbeseitigungssatzung

 

Die Muster-Abwasserbeseitigungssatzung des StGB NRW (Stand: 28.07.2021) ist in § 7 Abs. 2 Nr. 20 (S. 7, 32) nach Abstimmung mit dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW (MUNV NRW) und der Verbraucherzentrale NRW neu textlich abgefasst worden (Stand: 01.08.2023).

Hintergrund der Regelung ist, dass Einweg-Waschlappen, Einweg-Wischtücher, feuchtes Toilettenpapier sowie sonstige Feuchttücher immer wieder in der Praxis zu Betriebsstörungen in der öffentlichen Abwasserkanalisation führen. Aus einem NDR-Medienbericht im Juli 2023 (Feuchttücher verstopfen Abwasserpumpen in SH | NDR.de - Nachrichten - Schleswig-Holstein) konnte erneut entnommen werden, dass beispielsweise die Stadt Lübeck pro Jahr über 60.000 € an zusätzlichen Personal- und Sachaufwand hat, um Betriebsstörungen durch feuchte Tücher zu beseitigen, die in die öffentliche Kanalisation eingeleitet worden sind. Zu diesen Betriebsstörungen gehört unter anderem, dass Abwasserpumpen nicht mehr funktionieren, weil diese massiv durch Feuchttücher beeinträchtigt werden, die sich nicht wie reguläres, trockenes Toilettenpapier zersetzen und auflösen.

Vor diesem Hintergrund wird nunmehr in § 7 Abs. 2 Nr. 20 der Muster-Abwasserbeseitigungssatzung (Stand: 28.07.2021) die Benutzungsregelung aufgenommen, dass in die öffentliche Abwasseranlage Einweg-Waschlappen, Einweg-Wischtücher, feuchtes Toilettenpapier sowie sonstige Feuchttücher nicht eingeleitet werden dürfen, sondern diese über das Restmüllgefäß zu entsorgen sind. Diese Benutzungsregelung kann wie folgt begründet werden:

Einmal-Waschlappen, Einmal-Wischtücher, feuchtes Toilettenpapier und sonstige Feuchttücher führen immer wieder im öffentlichen Abwasserkanal zu Funktions- oder Betriebsbeeinträchtigungen (z. B. bei Abwasserpumpen).

Die abwasserbeseitigungspflichtige Stadt bzw. Gemeinde kann als Benutzungsbedingung in ihrer Abwasserbeseitigungssatzung Einleitungsverbote und Einleitungsbedingungen regeln (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09.11.2021 – Az. 15 A 3422/19 – zur Einbaupflicht von Fettabscheidern; OVG NRW, Urteil vom 14.12.2017 – Az.: 15 A 2315/16 – zur Vorreinigungspflicht bei der Einleitung von Straßenoberflächenwasser).

Dieses gilt insbesondere dann, wenn die öffentliche Abwasseranlage vor schädlichen, die Funktionstüchtigkeit beeinträchtigenden Einwirkungen geschützt werden muss (so: OVG NRW, Beschluss vom 09.11.2021 – Az. 15 A 3422/19 –).

Nach den Erkenntnissen der Verbraucherzentrale NRW kann derzeit nicht verhindert werden, dass „nicht-abspülbare“ Produkte als „abspülbar“ gekennzeichnet werden. Die durch die Industrieverbände der Vliestuchindustrie, INDA und EDANA, selbst entwickelten Spülbarkeitsrichtlinien (Flushability Guidelines, GD4) dienen lediglich einer freiwilligen Orientierung der Vliestuchhersteller (vgl. Vliestücher in Abwassersystemen in: Korrespondenz Abwasser 2019 Nr. 9, S. 700 ff., S. 702).

Darüber hinaus gibt es in Deutschland keine einheitlichen und vor allem verbindlichen Standards zur Sicherstellung der Abwasseranlagenverträglichkeit von als „spülbar“ bezeichneten Produkten.

Es ist als nicht sichergestellt anzusehen, dass die von den Herstellern im "Slosh Box Test" entwickelten Standards auch in der Praxis unter denkbaren Unwägbarkeiten in den Abwassersystemen ausreichend sind. Für Verbraucher/-innen und für die abwasserbeseitigungspflichtigen Städte bzw. Gemeinden ist auch nicht überprüfbar, ob die Hersteller freiwillig diese Standards einhalten.

Benutzungsbedingungen müssen allerdings dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Das Einleitungsverbot für Einmal-Waschlappen, Einmal-Wischtücher, feuchtes Toilettenpapier und sonstige Feuchttücher ist als verhältnismäßig anzusehen, weil zugleich der richtige Entsorgungsweg über das Restmüllgefäß aufgezeigt wird. Um außerdem Produkten, die zwar als „abspülbar“ bezeichnet werden und trotzdem zu Problemen in den Systemen führen können, aus den öffentlichen Abwasseranlagen herauszuhalten, verbleibt nur ein klares und generelles Verbot der Einleitung. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist aus der Sicht der abwasserbeseitigungspflichtigen Stadt bzw. Gemeinde als Betreiberin der öffentlichen Abwasserentsorgungseinrichtung derzeit nicht gegeben anzusehen.

Im Übrigen wird auch in dem DWA Arbeitsblatt 115-2 (Ziffer 3.2, S. 8 – Stichwort: unzulässige Abfallentsorgung) ausgeführt, dass feste Stoffe, auch in zerkleinertem Zustand, die zu Ablagerungen oder Verstopfungen in der Kanalisation führen können, nicht über die öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung entsorgt werden dürfen.

Seit dem 09.06.2021 ist außerdem in§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG = Bundesabfallgesetz) geregelt, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (in NRW: Städte; Gemeinden und Kreise - § 5 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 LKrWG NRW) im Rahmen der Abfallberatung darauf hinzuweisen sollen, dass bestimmte Stoffe und Gegenstände nicht in den Abwasserstrom gelangen dürfen (vgl. Queitsch, AbfallR 2021, S. 184 ff., S. 188).

In Anknüpfung hieran wird es ebenfalls als gerechtfertigt angesehen, in der Abwasserbeseitigungssatzung ein generelles Einleitungsverbot für Einweg-Waschlappen, Einweg-Wischtücher, feuchtes Toilettenpapier und sonstige Feuchttücher zu regeln und den richtigen Entsorgungsweg über das Restmüllgefäß vorzugeben.

 

 

 

Az.: 24.1.1 qu

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